Wenn die Erde bebt, hilft nicht einmal mehr beten.


Haiti war mir bisher nur ein Begriff, wenn es um exotische Reiseziele des Bundesmichels geht. Schließlich gehört der Nachbarstaat, die Dominikanische Republik zu den durchaus beliebten fernen Ländern, die der Deutsche sich katalogmäßig zu Gemüte führt. Weiße Strände, türkis-blaues Meer und knallig-brennende Sonne- Thatś it!
Die Schattenseiten der Insel Hispaniola liegen jenseits der 388 Kilometer Länge messende Staatsgrenze, nämlich im Westen, in Haiti selbst. Die aus zwei Halbinseln bestehende Republik zählt über 9 Millionen Einwohner. Über 95 % davon gehören der farbigen Bevölkerung an und sind - gemessen an den Weltstandards - bettelarm.

Hier gibt es keine Luxushotels in Hülle und Fülle, so wie bei dem Nachbarn. Hier lassen sich nur wenige Touristen sehen. Hier tobt auch kein Nachtleben in Form lauter Diskotheken, Bars und Animier - Schuppen. Der Bier bäuchige Deutsche, der wohlhabende Amerikaner oder der permanent fotografierende Japaner lässt sich nicht, so wie es in der DomRep gang und gebe geworden ist - die Urlaubskasse durch unverschämte Preise plündern. Immerhin gelten die Touristen unter der ebenso in Armut lebenden Bevölkerung als reich.
Der Unterschied zwischen den beiden Nachbarstaaten wird - sofern nicht sprachlich bedingt, denn in Haiti wird französisch, in der DomRep spanisch gesprochen - insofern mehr als deutlich, wenn die Bevölkerungen in statistischen Zahlen verglichen werden. Haiti hat ein Pro-Kopf-Einkommen von 630 US $, die DomRep von 4.147 US $. Hieran zeigt sich, da die Bevölkerungsgröße in etwa vergleichbar ist, dass in Haiti das Sterben leichter ist als das Überleben.

Als gestern gegen 6.00 Uhr die ersten Meldungen über ein verheerendes Erdbeben der Stärke 7,0 auf der Richter-Skala aus dem Radio kamen, war für jeden kritisch eingestellten Kosmopoliten kalr, dass es nicht nur Tote im sechsstelligen Bereich gegeben hat, sondern eine Zerstörung des Landes in einem bisher nie gekannten Maße. Mit der zunehmenden Informationsflut verdichteten sich diese Befürchtungen. Der Inselstaat versank im Chaos. Die ungezählten Berichte über jenes Naturereignis nahmen alsbald auch durchaus kritelnden Charakter an. Es wurde viel von unfähigen, vor allem aber fehlenden Hilfskräften gesprochen, von nicht vorhandener medizinischer Versorgung, von der nicht gegebenen Infrastruktur.

Nachdem die ersten Bilder von dem Ausmaß der Naturkatastrophe gesendet wurden, wurde auch sofort klar, dass dieses Land damit nicht allein fertig wird. Die internationale Hilfe rollte schnell an. Sämtliche reichen Staaten der Erde ließen ihren professionellen Katastrophenapparat anspringen und stellten finanzielle sowie materielle Unterstützung in Aussicht.

So weit, so human. Leider wird dabei einiges verkannt. Mit vorläufiger Hilfe ist diesem Chaotenstaat nicht geholfen. Hier sollten grundsätzliche Erwägungen gezogen werden, um dem dortigen Elend an der Wurzel zu begegnen. Seit Jahrzehnten zeigt sich Korruption, Vetternwirtschaft und Sozialdarwinismus von seiner übelsten Seite. Die Ökonomie ist faktisch nicht vorhanden. Die Bevölkerungsmehrheit setzt sich aus Analphabeten, Katholiken und Familien mit sehr vielen Kindern zusammen, obwohl die Säuglingssterblichkeit bei über 9 % und die durchschnittliche Lebenserwartung bei 50 Jahren liegt.
Solange falsche Heilslehren, wie der Katholizismus vermittelt werden, korrupte, in den Industrienationen ausgebildete Politiker das Sagen haben und eine republikanische Staatsform nur auf dem Papier steht, wird sich daran rein gar nichts ändern.

Der ignorante US-Amerikaner, der reisewütige Europäer und der selbst verliebte Asiat täten gut daran, statt in der DomRep den " Traum "-Urlaub zu buchen eine kosten günstigere Variante zu wählen und die Differenz daraus den Vereinten Nationen zwecks Unterstützung des völlig verarmten Nachbarns Haiti zukommen zu lassen. Nun ist das Getue, um die Wohltätigkeitsbasare groß, die Effizienz jener Aktionen bleibt indes sehr klein, wenn nicht ein struktureller Neuanfang damit einher geht.

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Schöner, weil wahrer, vorletzter Absatz!

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