20 Jahre deutsche Einheit: Einigkeit gegen Recht und Freiheit?

Am 3. Oktober ist es wieder so weit,die wieder vereinigte Nation darf ihren verordneten " Tag der Einheit " begehen. Zum Feiern ist vielen Bundesrepublikanern schon seit vielen Jahren nicht mehr zumute. Noch einige Jahre nach der Ratifizierung der Wirtschafts-und Währungsunion am 01.07.1990 gab es sowohl für Bewohner der Alten - als auch für Diejenigen in den Neuen Bundesländern noch genug Anlass,um sich selbstgefällig auf die Schulter und Schenkel zu klopfen. Die Wirtschaft brummte, die Auftragsbücher waren prall gefüllt, die Arbeitslosigkeit sank zunächst,die Einkommen indes stiegen - wenn auch nur leicht -in jedem Jahr nach der Wende.
Die gesamtdeutsche Aufbauphase Ost war im vollen Gange. Vieles wurde bewegt, noch mehr verschoben und vor allem abgewickelt.
Aus diesem Konglomerat bildeten sich zwei neue Bevölkerungsgruppen: Wendegewinner und Wendeverlierer!

Was nach dem viel beschriebenen Mauerfall im November 1989 als " winds of change " hoch stilisiert auf die vereinigten Bundesrepublikaner ausgekübelt wurde, nahm sukzessive eine Dimension an, die mit dem ebenso hoch gejubelten WiWu zu vergleichen ist. Im Verlaufe der Folgemonate, der Folgejahre und Folgedekaden veränderten sich viele Landstriche radikal. Die Neuen Bundesländer verwandelten sich zwar nicht - wie der selbst ernannte Kanzler der Einheit Kohl es proklamatorisch formulierte  - " zu blühenden Landschaften ",dennoch waren die getätigten Anstrengungen enorm. Die notwendige Finanzierung erfolgte zum Teil über den Steuerzahler,der umgehend eine Abgabe mit dem schwachsinnigen Titel " Solidaritätszuschlag " Monat für Monat berappen musste.

Aus dem Tohuwabohu zu Beginn der 9oer Jahre ist inzwischen ein annähernd geordnetes föderales Staatswesen geworden. Die Geburtswehen der Wiedervereinigung sind längst in Vergessenheit geraten. Jene wilden Jahre, in denen die gesamte Palette der Erfolge, Teilerfolge und Misserfolge auf allen nur erdenklichen Bereichen des deutsch-deutschen Vereinigungswesen beschrieben werden kann. Angefangen mit Abfallskandalen über Kfz-Betrügereien bis hin zu Zwangsverwaltungen von Altenburg über Kamenz bis Zossen, die Liste der Skandale ist unendlich lang.

Waren es zu Beginn der friedlichen Revolution von unten noch blauäugige Forderungen, die das Volk an die Wendepolitiker stellten, wurden im Verlaufe der vielen Jahre daraus desillusionierte Feststellungen,dass doch eine Reihe von Hoffnungen, die sich mit dem Erlangen von Einigkeit und Recht in Freiheit verbanden, schnell wie Seifenblasen zerplatzten.  
Auch der Ex-DDRler musste umgehend konstatieren, dass Reisefreiheit nicht bedeutet,dass Jeder frei reisen kann. Voraussetzung hierfür ist Geld. Einst war es die heiß geliebte Deutsche Mark,aus der ab 2001 der Euro wurde,die den Takt des neuen Lebens bestimmte.

Wer nach dem die Treuhand seinen einstigen Arbeitsplatz abgewickelt hatte, keine andere Stelle fand, wurde sukzessive ausgegrenzt aus der so genannten Leistungsgesellschaft, die in Wahrheit eine Ellenbogengesellschaft wurde. Jeder gegen Jeden und die Moneten mit uns Allen!

Einigkeit bedeutete zwar ein neues Recht, einen Rechtsstaat,der seine Willkür nicht offen präsentiert, der aber auch bespitzelt,bestraft und bestimmt,wo die Grenzen der Freiheit zu setzen sind.

Recht bedeutet,dass de jure vor dem Gesetz wohl Alle gleich behandelt werden sollen, was es de facto aber so nicht gibt. Recht haben wird nicht gleichzusetzen sein mit Recht bekommen und schon gar nicht in Analogie zu Recht durch setzen zu definieren sein. Der Rechtsstaat setzt dort seine Mauer, wo die Reichen in ihren Pfründen gefährdet sind. Wo die Mächtigen in ihrer Macht eingeschränkt werden könnten.

Die erlangte Freiheit erhält ihre Beschränkung, wo das Individuum sich frei bewegen möchte und dabei das Staatsgebilde in Frage stellt. Frei denken darf Jeder, frei Handeln nur die Besitzenden. 

Als ich im August 1990 während eines Aufenthalts in Hankensbüttel in der Lüneburger Heide die inzwischen geöffnete Grenze überfuhr, um in das benachbarte Salzwedel zu gelangen, waren die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen dem Bundesland Niedersachsen und dem von Sachsen-Anhalt noch riesig. Kaum hatte ich den einstigen Grenzstreifen überquert wurden die Straßen schlechter, die Luft wurde es auch und die Bewohner der Stadt sahen irgendwie auch anders aus. Sie trugen Kleidung, die ich so nur aus dem DDR-Fernsehen kannte. Sie sahen mich und meine Begleiter an, als kämen wir von einem anderen Stern. Auf den Gehsteigen bewegten sich Passanten,deren Bestreben es war, dem West-PKW sehnsüchtig hinterher zu schauen. Die Kinder wurden in so genannten Bollerwagen transportiert, die ich zuvor auch nur aus dem Fernsehen kannte. Alles war ein wenig beschaulicher. Nicht so hektisch,wie ich es aus Bremen oder sonstigen westdeutschen Städten kannte. er Besuch in Salzwedel war zwar nur kurz,aber ich behielt ihn in ewiger Erinnerung - aus einem besonderen persönlichen Grund.

Das ist inzwischen 2 Dekaden her.
Ein noch längerer Zeitraum,nämlich über 38 Jahre, sind seit jenem Lebensabschnitt vergangen,der sich "Bund", "Wehrdienst" oder aber auch "Kriegsdienst" nannte. Als ich im April 1972 hierzu nach Munster-Lager, also Munster/Örtze eingezogen wurde,lagen die damals noch beiden deutschen Staaten nur einige Kilometer voneinander entfernt. Der Zaun, de Festungsartig ausgebaute innerdeutsche Grenze und die vielen Wachtürme sind mir noch gut in Erinnerung. Zu jener Zeit herrschte noch der Kalte Krieg,das Wettrüsten zwischen Ost und West und der Kampf um das angeblich bessere System hatte in jenen ahren seinen Höhepunkt.

Wenn jetzt in den nächsten Tagen die obligatorischen Festivitäten zum Tag der Deutschen Einheit mit großem Tamtam begangen werden, kommen jene Zeitabschnitte der getrennten deutschen Geschichte nur am Rande zur Sprache. Statt ihrer wird viel über die deutsche Wiedervereinigung schwadroniert. Sie beendet jedoch nur den damaligen Zustand, der sich durch das - auch im Nachhinein-nicht wegzuleugende Vorhandensein zweier deutscher Staaten kennzeichnet. Es hat die DDR gegeben. Sie ist ein Experiment gewesen,eine andere Staatsform zu praktizieren. Dieser Versuch ist gescheitert. Hierfür dürfte es viele Gründe geben. Eine Ursache für den Untergang des Arbeiter - und Bauernstaates ist die Tatsache,dass ein Volk nicht wie Nutztiere in einem Käfig gehalten werden kann.

Freiheit ist ein hohes Gut. Unfreiheit somit ein Verbrechen. Hierbei spielt es keine Rolle, in wessen Namen die Unfreiheit verordnet wird. Zu der Freiheit als Oberbegriff zählt auch,dass die Gedanken frei sind, das die freie Veröffentlichung von Wort,Bild und Schrift möglich ist und das Jeder sich inerhalb des Landes,des Kontinents oder der Welt frei bewegen darf.

Seit vielen Jahren sind Tendenzen zu verzeichnen,die dieses elementare Rechtsgut einschränken oder beschränken wollen. Deutsche Einheit bedeutet jedoch,dass Freiheit erworben wurde,die durch Ausprägungen, wie den Hang zum Überwachungsstaat nicht aufgegeben werden darf.

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Natürlich ölen sich da ein paar Funktionäre an und Helmut K. wird noch so oft durch die Gegend geschoben, Gorbi noch ewig Preise verliehen. Selbst Bush sen. diesem alten Banditen klopft man noch auf die Schulter. Drauf gesch...
Trotz allem: Ohne 89/90 würden wir uns zum Beispiel nicht gegenseitig die Blogs veredeln, sondern du auf deiner Seite der Mauer und ich auf meiner gar nicht...
In diesem Sinne: Prosit!
Lobster53 hat gesagt…
a,klar,Octa,dat stimmt schon. Es muss nicht immer gemäkelt werden.Ich empfinde die Deutsche Einheit auch als riesige Chance,die immer noch genutzt werden sollte. Deshalb schreiben wir ja auch in unseren Blogs. Der Rotkäppchen steht schon gekühlt immer Keller!Das Prosit wird somit ohne wenn und aber zurück gegeben.
til_o. hat gesagt…
Die Bollerwagen hießen hier schlicht Leiterwagen und waren ein unverzichtbares Transportmittel. Ob man Altpapier zum Rumpelmännchen in die SERO-Annahmestelle, das Kraftfutter von der LPG als Deputat zum individuellen Vieh oder Beutelbier aus dem Konsum nach Hause schaffen wollte – um den Leiterwagen kam man meist dabei nicht herum. Für Kinder war da eher weniger Platz. Nach der Einführung der West-PKW wurden diese Handwagen vom Antik-Holländer aufgekauft und zieren dort als Deko-Element manch Vorgarten.
Octapolis hat gesagt…
yeah! mit dem handwagen zur sero-annahmestelle!!! ein längst verschollenes relikt aus friedenszeiten, haha! da bekommt man lust gleich mal ne runde zu drehen... wetter ist ja schön.
Lobster53 hat gesagt…
Danke für die Infos,Til_o- Es gab eben so einige spezifische Eigenarten in der DDR, die selbst einem durchaus interessierten BRDler nicht geläufig waren. Da die Bevölkerung der DDR ja eher unter motorisiert war,machte dieses Transportmittel durchaus Sinn und war zudem umweltfreundlich. Immerhin ein Bereich,der sich dieses Attribut an das Revers heften konnte.

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