Noch ´ne Weihnachtsplatte?



 Ja, ja, die Medienmeute wird nicht müde in der frohsingenden Zeit ab dem 1. Advent auch das Thema Weihnachten bis zum Erbrechen zu kommentieren, zu analysieren und zu pamphletieren. Dann werden Promis aus der Kategorie der Einbalsamierten befragt, wo, wie und warum sie Weihnachten feiern. Die Betonung liegt hier auf " feiern ". Auch die ewig gestrigen Behauptungen, dass dieses Ereignis ja nun einmal als Familienfest zu betrachten ist, werden erneut aufgewärmt. Hinzu kommen die Daten aus dem Umfeld des Konsumfetischismus ( Motto: " Der Einzelhandel meldet Umsatzrekord für 2022? ).  Alle Jahre wieder. Was soll´s? Das war nicht immer so, denn irgendwann in den langhaarigen, Hippie - Hasch - Hollandia - Zeiten gab es das Frohe Fest nicht wirklich. Da wurde mit der VW - Käfer - Spriteule, dem Renault  R4 - Gartenstuhl oder den Citroen CV4 ", der ollen Ente ", ab 20.00 Uhr die nächst belegene Kneipe aufgesucht, um dem öden Weihnachtstrott zu entfliehen. Unter Seinesgleichen fand dann auch der Provinz - Jugendliche ausreichend Weihnachtsmuffel und Anti - Christkind - Fans sowie Ablehnung des programmierbaren X - Mas - Liedguts. Das Weihnachtsfest wurde deshalb gefeiert, um zu zeigen, dass es eben nicht gefeiert werden muss.

Inzwischen hat sich der Wind gedreht und der heutige Familienspießer bleibt jetzt aus Kommerz - und Kostengründen lieber bei Mutti und ( sofern noch vorhanden ) Papa im festlich geschmückten trauten Heim. Das Hotel - Ambiete bietet hier ausreichend Gelegenheit sich selbst zu verwirklichen und der übrigen Welt zu zeigen, wie toll es ist, nicht am Jahresende mit Rechnungen, Abrechnungen und Nachforderungen konfrontiert zu werden. Entspannt liegt das verzogene Ein-Kind - Familienprodukt auf dem IKEA - Sitzelement, daddelt an der teuren Elektronik herum oder sendet Lebenszeichen in die große weite virtuelle Welt, deren Inhalte es nahe legen, dass dabei die Orthographiekenntnisse das Niveau eines Klippschülers von vor 50 Jahren längst nicht erreicht haben. " Wir warten auf das Christkind " hieß einst eine Dauerberieselungssendung der 50er und 60er Jahre im Programm der Mumie " ARD " und seiner Satellitensender. Wunderbare Eindrücke vermittelte der BR einst damit , denn es wurden ab 16.00 Uhr tief verschneite Berglandschaften, hell erleuchtete Bergdörfer und hoppelnde Schneehasen gezeigt. Dazu flackerten Wachskerzen auf dem satten Grün der Tanne ( meisten Fichte, denn die war viel billiger ) und das Ganze wurde mit Zittergejaule untermalt.

Jetzt blinzelt, blinkt und bimmelt es überall. Santa Claus will im illuminierten Schlitten in den sanierten Schornstein einsteigen, gibt sich als Licht speiendes Monster, im auf Kitsch getrimmten Vorgarten auf buntem Rindenmulch die Ehre oder prangt wild blinkenden und mit blechernder Computerstimme, das " Ho! Ho! Ho! Frohe Weihnachten " bis zum Orgasmus abnudelnd, an der bekranzten Außentür. Bei allem Respekt, aber wieviel US - Kacke kann ein X-Mas - Kannibale da noch ertragen? Nur noch wenig, denn wenn die volle Dröhnung an Weihnachtswerbung aus den Verarschungskanälen von RTL über RTL Nitro bis RTL Weihnacht, der SAT1 - Buntfernsehsendungen, die hierbei nur als Lückenfüller der Werbungsverblödungseinspielungen dienen und über den Radio - Sabbelsendungs - Müll, der täglich in die fast schon tauben Ohren dringt, bleibt kein Trommelfell mehr heile. Die Augenreizung bei dem nervtötenden Konsum - Huren - Striptease auch mal ganz bei Seite gelegt, sehnen sich die menschlichen Sinne nach sinnigen Songs.

Da wagte es doch kürzlich der MDR Nachrichtenexponent Info ( Eigenlob: Ohne Werbung, das stimmt nur insofern, weil Eigenwerbung wohl nicht dazu gezählt werden darf!  ) und ohne Musik (  stimmt nicht, denn in einigen Beiträgen werden auch Lieder abgenudelt ) einen Beitrag zur selbst gestellten Frage nach den nervigsten Weihnachtsliedern ( eher wohl Popsongs ) auszustrahlen. Die Beantwortung jener existenziellen Frage war auch hier - wie sollte es in einer pluralistischen Gesellschaft mit medialem Einheitsbrei auch anders sein - indifferent. Da hielt eine Jungsche ( wohl ewige Stundentin ) aus Leipzig das Geplärre von " Wham ", die ja den Kötel " Last Chrismas " vor vielen Jahren auf dem Musik-Moneten-Markt-Trottoir liegen ließen, für sehr nervig. Ein anderer Mitstreiter aus der selben Marktnische erklärte " Driving home for Chrismas " vom längst gealterten Chris Rea für inzwischen unhörbar. Ein dritter Befragter wollte die Zitrone an Maria Carey mit  " All I Want For Christmas " vergeben.

Tja, es gab dann noch eine Reihe anderer Nervtöter, wie:

Christmas in my heart – Sarah Connor
The Christmas Song – David Hasselhoff
Rudolph, the Red Nosed Reindeer – Ella Fitzgerald
Weihnachts-Song – Sido
Feliz Navidad – Jose Feliciano
Heidschi Bumbeidschi – Heintje
Jingle Bells – Kelly Family
Morgen kommt der Weihnachtsmann – Kinderchor-Version

usw.

Und während der Bericht in jeder Stunde ab 5. OO Uhr morgens abgeorgelt wurde, besann ich mich darauf, dass ich ja selbst eine Reihe von typischen Weihnachts-Compilern besitze. Na, viele der obigen Dauerlutscher sind da zwar nicht enthalten, aber so einige Lieder können auch auf den weniger nervigen Tonträger - Zusammenschnitten gehörige Ohrenschmerzen verursachen. Wie es der Zufall wollte, kramte ich weiter in meinem Vinyl - Archiv und fand eine Platte, die sich meine bessere Hälfte vor vielen Jahren und noch zu DDR -Zeiten zugelegt hatte. Voila, here they are:

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1. Sind die Lichter angezündet 2:10
( Komposition / Bearbeitung: Hans Sandig, Text: Erika Engel )
Radio -  DDR -Kinder - und Jugendchor
Instrumentalgruppe
Dirigent: Hans Sandig

2. Still senkt sich die Nacht hernieder 1:35
( Komposition / Bearbeitung: Gerhard Wohlgemuth, Text: Hermann Heinz Wille )
Jugendchor Berlin
Dirigent: Rolf Lukowsky

3. Weihnachtsmusik I 2:55
( Komposition nach weihanchtlichen Volksweisen, Musikalische Einrichtug: Gottfried Riedl )
Kleine Instrumentalgruppe des Tanzensembles der DDR
Dirigent: Gottfried Riedl

4. Vorfreude, schönste Freude 2:50
( Komposition: Hans Naumilkat, Bearbeitung: Hans Sandig, Text: Erika Engel )
Radio - DDR - Kinder - und Jugendchor ( Großer Kinderchor )
Instrumentalgruppe
Dirigent: Hans Sandig

5. Winterfreuden (Es schneit) 2:00
( Komposition / Bearbeitung: Hans Sandig, Text: Wolfgang Brandenstein )
Radio - DDR - Kinder - und Jugendchor ( Großer Kinderchor )
Rhythmusgruppe
Dirigent: Hans Sandig

6. Schneelied (Schnee, Schnee, Schnee) 1:00
( Komposition: Suse Hecht - Weber, Bearbeitung: Hans Sandig, Text: Suse Hecht - Weber )
Radio - DDR - Kinder - und Jugendchor ( Vorschulkinder )
Instrumentalgruppe
Dirigent: Hans Sandig

7. Und wir zünden Lichter an ( Geht der Tag mit leisem Schritt ) 2:40
( Komposition: Joachim Werzlau, Text: Günter Deicke )
Jugendchor Berlin
Dirigent: Rolf Lukowsky

8. Durch den klaren Winterwald 1:50
( Komposition / Bearbeitung: Gerhard Wohlgemuth, Text: Egon Günter )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Streichquartett
Dirigent: Manfred Roost

9. Weihnachtsmusik II 2:25
( Komposition: nach weihnachtlichen Volksweisen, Musikalische Einrichtung: Gottfried Riedl )
Kleine Instrumentalgruppe des Tanzensembles der DDR
Dirigent: Gottfried Riedl

10. Winterlied ( Auf die Straßen fällt Schnee ) 1:30
( Komposition / Bearbeitung: Rudolf Lukowsky, Text: Hans Möskenthin )
Jugendchor Berlin
Dirigent: Rolf Lukowsky

11. O du stille Zeit 1:40
( Komposition / Bearbeitung: Cesar Bresgen )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Streichquartett
Dirigent: Manfred Roost

Seite 2

12. Es ist für uns eine Zeit angekommen 1:40
( Volkslied, Bearbeitung: Gottfried Wolters )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Dirigent: Manfred Roost

13. Sterne über stillen Straßen 1:30
( Komposition / Bearbeitung: Gerhard Wohlgemuth, Text: Egon Günter )
Jugendchor Berlin
Dirigent: Rof Lukowsky

14. Weihnachtsmusik III 2:35
( Komposition nach weihnachtlichen Volksweisen, Musikalische Einrichtung: Gottfried Riedl )
Kleine Instrumentalgruppe des Tanzensembles der DDR
Dirigent: Gottfried Riedl

15. Oh, es riecht gut 2:20
( Komposition: Christel Ulbrich, Bearbeitung: Hans Sandig, Text: Christel Ulbrich )
Radio - DDR - Kinder - und Jugendchor ( Vorschulkinder )
Instrumentalgruppe
Dirigent: Hans Sandig

16. Lasst uns froh und munter sein 2:00
( Volkslied aus dem Hunsrück, Bearbeitung: Anton Schoendlinger, Text: Unbekannt )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Paul Funk, Cembalo
Mitgleider des Kammerorchesters Berlin
Dirigent: Manfred Roost


17. Weihnachtslied ( Giebel glänzen tief verschneit ) 2:15
( Komposition / Bearbeitung: Günter Fredrich, Text: Annelies Paul )
Jugendchor Berlin
Dirigent: Rolf Lukowsky

18. Weihnachtsmusik IV 2:15
( Komposition: nach weihnachtlichen Volksweisen, Musikalische Einrichtung: Gottfried Riedl )
Kleine Instrumentalgruppe des Tanzensembles der DDR
Dirigent: Gottfried Riedl

19. Nun komm, du Fest der Kerzen ( Aus: " Gleich kommt der Sandmann " ) 2:35
( Verlag: Lied der Zeit, Komposition / Bearbeitung: Wolfgang Richter, Text: Walter Krumbach )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Instrumentalgruppe
Dirigent: Wolfgang Roost

20. Weihnachtsabend ( Weihnachten ist und jeder Raum glänzt im Kerzenschimmer )  2:10
Komposition / Bearbeitung: Ernst Meyerolbersleben, Text: Erich Langer )
Kinderchor des Deutschlandsenders
Dirigent: Manfred Roost

21. Tausend Sterne sind ein Dom ( Aus der Weihnachtskantate " Tausend Sterne sind im Dom op. 8 ) 2:00
( Komposition: Siegfried Köhler, Bearbeitung: Hans Sandig, Text Siegfried Köhler )
Radio - DDR - Kinder - und Jugendchor
Instruemntalgruppe
Dirigent: Hans Sandig

Erschienen im: VEB Deutsche Schallplatten Berlin DDR unter dem Plattennamen " ETERNA "
Gestaltung: Rudolf Grüttner
Foto: Hans - Joachim Mirschel



Weil es diese Schallplatte längst als Silberling gibt, habe ich noch zur Befriedigung der eigenen Neugier beim Internethändler " Amazon " hinein geschnüffelt und dort jenes DDR - Weihnachtsliedgut auf CD gefunden:

http://www.amazon.de/Sind-die-Lichter-Angez%C3%BCndet-Various/dp/B000J3OI0G

Was in den Rezensionen zu diesem Weihnachtsliederalbum wieder gegeben wird, lässt sich nur unterstreichen. Eine etwas andere Art, das Fest musikalisch zu untermalen. Es sind hier eben  keine christlich geprägten, doch in Wahrheit längst diesem Grundgedanken entfleuchte, Umsetzung der traditionellen Musikstücke, enthalten.
Nervraubende Titel sind es auch nicht, denn das die Interpreten - einschließlich der Kinder und Jugendlichen - vom Singen schon damals etwas verstanden, dürfte selbst redend sein.  Eine Ohrenweide inmitten der aktuell abgedudelten Songs der Beliebigkeit.

Tja, und weil ich das Goldstück nicht länger verwaist im LP - Schuber stehen lassen wollte, hatte ich mich entschlossen, die Platte am 3. Adventssonntag einfach zum gemeinsamen Frühstück aufzulegen. Leichtes Knistern der einige Jahrzehnte auf dem Buckel habenden Scheibe inbegriffen. Wunderbar entspannende Klänge und beim zarten Kerzenlicht im trüben Dezembermorgen ein Hauch von Melancholie verströmend, sangen und musizierten sie aus den amerikanischen, in China produzierten JBL - Boxen, als stünden die Musiker und Sänger/innen direkt im Nebenraum. Herrlich! Musik kennt eben keine Grenzen, und hätte ich schon damals gewusst, dass es die Schallplatte bereits im Westen in ausgesuchten Läden zu kaufen gab, sie wäre garantiert in meine Sammlung gewandert. So wächst zusammen, was schon immer zusammen war, nämlich die gemeinsame Weihnachtskultur. Auch ohne " Wham " und wie sie sonst noch alle heißen.

Wie posaunte es damals Genosse Walter Ulbricht heraus:

" Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen." - 1965 auf dem 11. Plenum des ZK der SED gegen die westliche Rockmusik gerichtet, anspielend auf das "Yeah, Yeah, Yeah" der Beatles


Nö, müssen wir nicht!




Kommentare

Octapolis hat gesagt…
Sido ist an sich ne echte Peinlichkeit, aber sein Weihnachtssong ist zumindest so schlecht, dass er schon wieder gut ist. Könnte ich mir ganzjährig anhören... ;o)

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