Geschichten aus dem alten Deutschland - Teil IV: " Wie kann ich erkennen, wer, wer ist? "
Die 1980er begannen. Die Punk - New - Wave - und NDW - Welle schwappte über die BRD, Europa und erreichte natürlich auch die USA. Die Mode änderte sich, der Musikgeschmack damit auch und die westlichen Gesellschaften wurden nach und nach als Spassgesellschaft umfunktioniert Zuvor aber gab es noch den viel diskutierten NATO - Doppelbeschluss, die darauf folgende Friedensbewegung sowie die Ökologischen Parteien. Sie bildeten sich parallel zu der Kohl - Politik der " geistig, moralischen Wende ", die seit dessem Wahl zum 6. Bundeskanzler, von den Schwarzen propagiert wurde.
Während Kohl´s Truppen die Gesellschaft nach rechts trieben, formierte sich anderen Rand die Bewegungen der Öko - Paxe, Bürgerinitiativen und anderer Protestler, wie der " Startbahn West " - Gegner in Frankfurt.Hierzu passte als Musikstil, der Punk, der nach wie vor ein Schmuddel - Image hatte. Aber auch Teile der Neue Deutsche Welle zählten dazu, weil sie mit Nonsens - Texten den Kohl - Mief der 1980er Jahre auf die Schippe nahmen. Schlabberlook bei den Ökos, Hahnenkamm - Frisuren bei den Punks und Vokohila bei den Angepassten, das waren unter anderen die Markenzeichen der 1980er Jahre.
Auch in der DDR wuchs die Punk - Bewegung. Wenn auch unter staatlicher Aufsicht und ständiger Beobachtung. Die Protestler konnten sich indes nur durch ein provozierendes Outfit artikulieren. Abweichende politische Meinungsäußerungen, wie die von der Kirche mit getragene " Schwerter zu Pflugscharen " - Bewegung, waren nicht nur von Stasi - Leuten durch setzt, sondern mussten ihre dort kund getanen Meinungen und Forderungen immer so abwägen, dass sie nicht als staatsschädigend erklärt werden konnten.
Unter dem Deckmantel der Kirchen bildete sich zwar Protest, der aber nicht direkt auf die Straße transportiert werden konnte. Doch in der DDR - Gesellschaft brodelte es bereits ab Mitte der 80er Jahre gewaltig. Der ökonomische Kollaps ließ sich kaum aufhalten, auch durch West - Kredite ( Strauß ) und massiver West .- Exporte und Lohnarbeiten für kapitalistische Länder ( IKEA, Schweden ) nicht. Das Siechtum der DDR - Wirtschaft war überall sichtbar. Verfallene Häuser, marode Straßen, Versorgungsengpässe, stinkende Flüsse, die durch Umweltgifte aller Art längst zur Kloake geworden waren, verpestete Luft in den Ballungszentren und technologisch hinter hinkte Großbetriebe, waren die Folge.
Doch die SED unter Honecker verschloss dazu die Augen. Statt eine Öffnung zum Westen zu betreiben, versuchten sich die Machthaber in einer Kopf - in - den - Sand - Strategie und hielten die Grenzen weiterhin fest geschlossen. Der " anti - imperialistische oder anti - faschistische Schutzwall ", wie er hier und da im Propaganda - Jargon der Funktionäre und deren gleich geschalteter Medien genannt wurde, er war nach wie vor für Reisende von Ost nach West undurchlässig. Er hielt der Flut von Aggressoren aus dem Nachbarland des Klassenfeindes stand.
Doch hinter der Mauer brodelte und stank es gewaltig. Während im Westen die Öko - Bewegung sukzessive ihre Forderungen nach mehr Umweltschutz durchsetzen konnte, verkamen im Nachbarstaat DDR - und nicht nur dort - die Felder, Wälder und Wiesen, die Flüsse, Auen und Niederungen zu schwer kontaminierten Arealen und Kloaken.Ob diese Entwicklung von der Bevölkerung lange genug hingenommen werden konnte, wurde nicht nur in der BRD bezweifelt.
Auch wenn oder, gerade weil, die DDR - Ökonomie bröckelte, gab sich die dortige Regierung, der Generalsekretär Erich Honecker nach außen hin, als aufgeschlossen und weltmännisch. So durften - nach einigem Zögern - auch West - Journalisten ohne die sonst üblichen Vorgaben und restriktiven Auflagen über die DDR berichten. Westdeutsche Künstler traten ständig in den DDR - Städten auf und auch auf anderen Gebieten näherten sich die beiden deutschen Staaten vorsichtig an.
Doch der zwischenstaatliche GAU waren für die Automobilfans in der BRD, die Grenzübergänge der DDR. Lange Fahrzeugkolonnen bildeten sich dort; insbesondere dann, wenn Feiertage oder Ferien anstanden. Mit zunehmender Verkehrsdichte in Westdeutschland und West - Berlin drohte auch hier bald der Kollaps.
Als im Oktober 1983 mit meinem blauen Renault 4 von der Auffahrt Bremen - Universität kommend, über die A 27 in Richtung Walsroder Dreieck zur A 7 wollte, las ich kurz vor dem Autobahnzubringer in Bremen zwei Tramperinnen auf, die ebenfalls nach Berlin wollten. Beide gaben an, dort Freunde besuchen zu wollen. Nicht nur das, sie wollten auch auf die FU - Fete, die in jedem Jahr dort statt fand.
Die mehrstündige Fahrt, die dann von Walsrode und die proppenvolle A7 bis zum Autobahnkreuz Hannover - Ost, auf die A 2 führte und dann am Grenzübergang Helmstedt - Marienborn zunächst in einem Stau endete, war eher langweilig. Weil ich zum ersten Mal die Grenze dort passierte, verhielt ich mich natürlich nicht ordnungsgemäß. Ich hätte mich auf eine der beiden rechten Fahrstreifen einordnen müssen. Ein so genannter Grenzer erkannte meinen Fehler und lotse mich, freundlich, jedoch bestimmt, mittels rudernder Handbewegungen, in die Autoschlange ein.
Dort standen wir dann mehr als eine halbe Stunde. Eher wenig, für einen Freitagnachmittag. Als wir dann an der Passkontrolle im Schritttempo heran fuhren, übergab ich die Pässe dem Uniformierten, der hinter einem Schalter artigen Aufbau saß und hoch wichtig in den Dokumenten herum blätterte. Dann schaute er mit gestrengem Blick in das Wageninnere und stellte die hoch offizielle Frage: " Wie kann ich denn erkennen, wer, wer ist? " Die beiden Tramperinnen beugten sich leicht nach vorne, so dass der DDR - Kontrolleur auch sie sehen konnte. " Na, gut, dann gute Fahrt weiterhin! ", gab er noch von sich und winkte uns durch. An einem zweiten Glasgebilde erhielten wir dann die Pässe zurück. Sie waren abgestempelt.
Und zwar in meinem Reisepass so, dass der DDR - Abdruck just hinter dem Visa - Vermerk der USA - Botschaft in Hamburg prangte. Bei der Rückfahrt drückte der Grenzer den Stempel über den des US - Einreisevermerks.
So sah der Einreise - Sichtvermerk, wie er offiziell heißt, wie eingezingelt aus. Ich grinste mir eins, denn ich wusste ja auch, dass die DDR - Politiker und die Staatsführung eben die USA als Hauptfeind führten. Da muss sie sich dann doch richtig in Szene setzen.
Wenige Jahre später gab ich dieses bei einem Gespräch mit einem Ehepaar aus Essen zum Besten. Der Urlauber war bei einer größeren Firma als Techniker tätig und fuhr häufig von Essen nach West - Berlin. Somit auch über den Grenzübergang Helmstedt - Marienborn. Er schilderte nun, wie er einst einem DDR - Grenzer, der ihn nochmals kontrollierte, die Frage stellte, warum er erneut überprüft werde.
" Der Beamte dort vorne hat mich doch schon kontrolliert. ", lautete sein Einwand.
Der DDR - Uniformierte gab ihm daraufhin barsch die Antwort:
" Wir haben hier keine Beamten! Wir sind ein Arbeiter - und Bauernstaat! ".
Etwas perplex retournierte der Essener dann:
" Na, gut. Dann eben der Bauer dort vorn! ".
Der Uniformierte errötete leicht und gab ihm kommentarlos die Papiere zurück, bevor er ihn zur Weiterfahrt aufforderte.
Der Grenzübergang Helmstedt - Marienborn existiert seit 25 Jahren nicht mehr. Statt der einstigen Wachtürme, der Sperranlagen und der vielen kontrollierenden Männer, gibt es seit Jahren dort eine Ausstellung zu der einstigen Anlage. Die Grenzübergangsstelle ist inzwischen ein Denkmal. Hier wird die Vergangenheit in Bildern und typischen Gegenständen aus der vormaligen Grenzkontrollstelle gezeigt. Ein kleines Stück Zeitgeschichte, das den enormen Aufwand erkennen lässt, der von DDR - Seiten betrieben wurde, um die Grenze zu überwachen und zu sichern.
Wenige Jahre später versuchten die Deutschen beide Staaten zusammen zu fügen. Oder, um es mit den Worten von Willy Brandt auszudrücken: " Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört. "
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