Das Billigste vom Billigen des Billigen


Seit geraumer Zeit veränderte sich  bei uns das immer gern absolvierte Einkaufen und degenerierte zu einer Solo - Nummer. Und dieses aus gutem Grund. Meine bessere Hälfte ist zurzeit nur bedingt einsatzfähig. So erledige ich die Tages - und Wocheneinkäufe alleine. Hierzu ist mir regelmäßig eine zuvor erstellte, auf diverse Papierblättchen zusammen gekritzelte Einkaufsliste behilflich. Man(n) wird eben auch älter. Und ehe ich mir nachsagen lasse, die ersten Anzeichen des morbus Alzheimer seien bei mir deutlich erkennbar, bediene ich mich eben dieser alt hergebrachten Gedächtnisstütze.

Alt hergebracht deshalb, weil der Mann oder die Frau von Welt hier eher das datentechnische Wunderding im Westentaschenformat nutzt, welches nicht nur eine elektronische Listung speichert, sondern auch bei Bedarf einen Preisvergleich auf dem Fuße vornehmen kann. Eine dritte Verwendungsmöglichkeit wäre die Unart, mit dem smartphone oder dem altertümlichen Handy mit der Liebsten ein Fachgespräch über den Einkauf vorzunehmen, da ja - dank flatrate - das mobile Telefonieren inzwischen die " Geiz ist geil " - Kriterien erfüllt. Dass damit die anderen Kunden bei der Einkaufsschlacht im Supermarkt behindert werden, das dämliche Gesabbel über Größe, Gewicht und Haltbarkeitsdatum, über den Hersteller, die Herstellungsart und - viel wichtiger - den zu vergleichenden Verkaufspreis, gehörig auf den Zwirn gehen und zudem die damit zur Schau gestellte Wichtigtuerei eher zur Lachnummer verkümmert, scheinen die Dämlacke mit Handy am Ohr, billigend in Kauf zu nehmen.

Mein Einkauf ist dann eher unmodern. Zu Fuß - und nur im Extremfall mit dem PKW - begebe ich mich auftrags - und absprachegemäß in Richtung des Supermarktes. Inzwischen haben wir - aus den obigen Gründen - den Regelbesuch beim " Kaufland " abgeschworen. Es gibt ja schließlich auch noch andere Anbieter. Und diese liegen sogar näher als der Großeinkaufstempel der Schwarz - Gruppe, zu der auch " Lidl " zählt.

Während ich mit dem metallenen Einkaufswagen die Gänge abfahre, die Regale argwöhnisch beäuge und mit kritischem Kennerblick die dort feil gebotenen Waren betrachte, aufnehme, die Verpackung ( nicht die Beilagen dieser - soweit ist es noch nicht - ) lese oder zumindest überfliege, kommt es schon mal vor, dass ich mich an die guten, alten Zeiten in den frühen 1960er ff. zurückerinnre, als es in dem Kaff, in dem ich geboren wurde, meine Kindheit sowie die Schulzeit verbrachte, nur kleine Lebensmittelgeschäfte gab. Da gab es an der Promenade einen Laden, der sich " H.H. Wienecke, Lebensmittel - Feinkost " nannte. Auf wenigen Quadratmetern zusammen gepfercht standen dort viele, so genannte Markenartikel, die - im Vergleich zu den jetzigen Marktbedingungen - sündhaft teuer waren. Die " Lindt " - Schokolade kostete 1, 10DM, die " Sprengel " - Schokolade 0,99 DM und " Kaba - Der Plantagentrank - " kam 1,49 DM. Ein Liter Milch in dem damals typischen Verkaufsschläuchen kostete 0,99 DM, ein halbes Pfund " Gute Butter " 1,99 DM, ein halbes Pfund des " Guten Bohnenkaffee " ( ungemahlen ) mindestens 4,99 DM ( vorhanden waren Kaffee Hag, Eduscho, Tschibo, Ronning Kaffee ).

Wenn dagegen der Monatslohn ( immer im Durchschnitt ) eines Malocher / Maurers von 212 DM ( 1960 ) bis 360 DM ( 1969 ) gesetzt wird, wird klar, dass eine fünfköpfige Familie sich viele Nahrungs - und Genussmittel ( die am allerwenigsten ) nicht leisten konnte.

http://www.was-war-wann.de/historische_werte/monatslohn.html

Lebensmittel aus dem Einzelhandelsfachgeschäft waren daher bei uns eher Luxus. " Gute Butter " gab es deshalb nur Sonntags zum Frühstück. Gleiches galt für den Bohnenkaffee, der zudem in der später angeschafften " Krups " - Kaffeemühle selbst gemahlen wurde, weil dieser dann 50 Deutsche Pfennige billiger war. Wurst vom Fleischer, Schlachter oder auch Metzger gab es ebenso wenig, weil jedes Jahr selbst geschlachtet wurde. Gleiches galt - einschränkend - für Schokolade, Süßigkeiten aller Art und Obst. Weil es zwar Banane, Apfelsinen oder Äpfel - wenn auch nur saisonal abhängig - zu kaufen gab, diese aber extrem teuer waren, reduzierte sich der Kauf solcher Lebensmittel ohnehin auf einige Wochen. Immerhin mussten wir auch hier nicht darben, denn im eigenen Garten gab es einen Kirschbaum, Stachelbeersträucher und angepflanzte Erdbeeren. Aber auch andere Köstlichkeiten, wie Johannisbeeren, Brombeeren und natürlich Äpfel und Birnen. Und - im Bedarfsfall - wurde einfach auf Bäume in der Nachbarschaft und an den Straßenrändern geklettert.

Tja, neben dem Lebensmittelhandel " H.H. Wienecke ", existierten einst noch " Günther Viebranz in der Bahnhofsstraße, der dann später von der " Spar " - Einzelhandelskette geschluckt wurde. Dann gab es das Geschäft von Walter Beißner, der daneben eine mobilen Verkaufsstand, der von dessen Bruder Fritz geführt wurde, in der Friedrichstraße. Und dann war in Heeßen noch der Laden von Schramke an der Hauptstraße. Also vier Lebensmittel - Einzelhandelsgeschäfte im Umkreis von vielleicht 2 Kilometern. Damit war die jetzige Samtgemeinde Bad Eilsen besser bestückt als so mancher größere Ort in der heutigen Zeit.

Zudem existierten noch einige Kioske in Bad Eilsen. Einer, eine Art aufgehübschte Bretterbude war in der Bahnhofsstraße. Dort kaufte ich mir immer meine Fußballbilder in einer Tüte, die ich dann in ein Album eingeklebt habe. Ein weiter existierte an der Kreuzung der Bückeburger Straße / Julianenstraße / Graf - Wilhelm - Straße, der einem großen Fliegenpilz aus Holz, Metall und Pappe nachempfunden wurde und bei dem wir uns während des Besuchs des Freibades in Bad Eilsen regelmäßig Eis oder Süßigkeiten und Getränke holten. Und dann gab es noch " Tantchen " Tünnermann, die ihren Kiosk visavis zur Volksschule betrieb. Hier " verprassten " wir unsere - wie auch immer - erhaltenen Mini - Beträge von ein paar Groschen bis zu zwei Mark in Form von Bonbons, Lakritze oder Kirschlutscher für 1 bis 5 Pfennig das Stück.

Alle Geschäfte existieren seit vielen Jahren nicht mehr. Der Wandel der Zeit und die radikalen Veränderungen des Marktes haben ihnen sukzessive den Garaus gemacht. Heute gibt es in der Samtgemeinde Eilsen dafür einen " Edeka " - Markt an der Bahnhofsstraße, gegenüber dem Bahnhofsgebäude, einen " Penny " - Markt an der Dorfstraße und auch eine " Netto " - Filiale an der Eilser Straße. Aus klein mach groß, eben.

Und so stand ich am Samstag, den 14. Januar 2017 an der Kasse Nummer 3 der " Netto " - Filiale an der Tharandter Straße in Dresden und hatte noch ein wenig Zeit, für jene nostalgischen Gedankengänge und die Reminiszenzen an längst vergangene Zeit wieder aufzufrischen. Vor mir legte eine Frau - vielleicht so in meinem Alter, sie mag auch nur um einige Jahre jünger gewesen sein, ihren Einkauf auf das Band. Der Mitarbeiter begrüßte sie freundlich. Dann scannte er den ersten Artikel in das System ein. Was damals mit einem erheblichen Kraftaufwand und durch Herunterdrücken der Metalltasten der riesigen und enorm schweren Registrierkasse manuelle erledigt werden musste, vollzieht sich heutzutage binnen Sekundenbruchteilen. Der Kassierer unterbrach dann sofort den Eingabevorgang, weil er ein überklebtes Etikett, auf dem auf roten Grund eingedrückt, ein Sonderpreis stand, irgendwie abziehen musste, Es dauerte ein wenig, ehe er dieses Arbeitsgang erledigt hatte und das Selbstklebeetikett auf eine gesonderten DIN A4 - Bogen aufgebracht war, ohne es dabei zu beschädigen. Es folgte noch ein Sonderpreis. Der Arbeitsablauf war der gleiche. Dann noch einer und noch ein weiteres Etikett und noch eines und noch eines. Dann ein weiterer Sonderpreis. Der Mitarbeiter entschuldigte sich sehr höflich für die zeitliche Verzögerung bei der Kundin.

Schließlich stand fest, dass ihr gesamter Einkauf, bis auf den ersten Artikel ( der war vielleicht alibimäßig von ihr ausgesucht worden ) nur aus " Sonderpreisen " bestand. Für jenes Dutzend Artikel bezahlte sie sodann - in bar - nur wenige Euro. Sie sah mich ein wenig verschämt an, als sie meine auf das Band gelegte Waren betrachtet. Schon allein der Kaffee ( 1 Kilogramm einer günstigen Melange ) kostete mit nahezu 8 Euro fast so viel, wie ihre gesamten Artikel. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich die Kundin bereits beim dritten Abziehen der Sonderpreisetikettierung durch den " Netto " - Mitarbeiter verifiziert hatte. Sie war arm. Ob nun Hartz IV, Rentenempfängerin oder Bezieherin sonstiger Sozialtransfers ist dabei völlig unerheblich. Es konnte auch sein, dass sie eine eher geringe Erwerbsunfäigkeits - oder eine Erwerbsminderungsrente erhält. Für viele Menschen, in diesem, unserem, ach so reichen Wohlstandsmodell, droht in den nächsten Jahre die Verrentung. Die Flachpfeifen aus den Reihen der Merkel - CDU verhohnepipelten die Zahlung des regulären Altersruhegeldes, wie die Rente im Fachterminus heißt, während einer dieser elendigen Debatten im Plenum des Bundestages und der noch erbärmlicheren, öffentlichen Diskussion in den Medien, als " Lebensleistungsrente ".  Das Projekt der Bundesministerin Andrea Nahles ( SPD ) sah vor, die Differenz von Rentenanspruch zu dem fest gelegten Existenzminimum über die Grundsicherung durch jene Lebensleistungsrente aufstocken zu helfen.

Nahles soll inzwischen von ihrem Projekt, dass sie angeblich in diesem Jahr und somit bis zu der Wahl zum Bundestag, nicht mehr prioritär weiterverfolgen möchte, abgerückt sei. Ein beschämendes Zeugnis der praktizierten Sozialpolitik in der  GroKo in Berlin, wenn dem so wäre. Könnte die arme Frau an der " Nettokasse " bereits jetzt in den Genuss dieser Aufstockung kommen, müsste sie sich wohl kaum mit dem Billigsten vom Billigen des Billigen begnügen und würde dann auch jene billigen Lebensmittel einkaufen können, die nicht noch weiter reduziert worden sind.

Bei den Lebensmitteleinzelhändlern in Bad Eilsen gab es keine preisreduzierten Waren. So, wie kaum Fast Food - Fraß in allen Variationen, unendlich viele Kaffeesorten und noch mehr Konserven zu kaufen waren. Arme hat es indes auch damals gegeben. Und zwar nicht wenige. Die ließen dann eben anschreiben statt Sonderpreise für billige Lebensmittel zu bezahlen.

Na, denn: Es lebe die Nostalgie, es seien gelobt-priesen, die extrem billigen Nahrungsmittel und der " Beat Club " mit Uschi Nerke, von vor 50 Jahren mit dem Playback - Stück des Keith West " Excerpt From a Teenage Opera ":


Och, wat haben wir dat Liedchen geliebt - Mir kommen heute noch die Tränen der Rührung!



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