Volksvertreter oder Volksverräter?


Heute Morgen las ich ein Essay der in Berlin lebenden, jedoch aus Österreich stammenden Schriftstellerin Eva Menasse. Sie beschreibt unter dem Titel " Zauberlehrlinge ", wie und warum der rechtsnationale Populismus immer mehr an Bedeutung gewinnt und weshalb die übrigen Bürger jener Länder, in dem diese Bewegungen sich ausgebreitet haben, sogar eine Mitschuld an deren Ausweitung haben ( " SPIEGEL " 2 / 2017, S. 124 ff ).

Frau Menasse ist eine politische Schriftstellerin. Sie hat damit längst erfahren, dass es gegen die Anhänger nationaler und populistischer Bewegungen kaum ein Patentrezept geben kann, mit dem dieser in ihre Schranken verwiesen werden können. Solange Menschen anfällig für ideologische Hetze sind, kann deren Verbreitung durch Propaganda in den verschiedenen Medien nur dadurch unterbunden und bekämpft werden, indem sich die Mehrheit darauf besinnt, solcher Indoktrination durch Aufklärung entgegen zu treten.
Dieses schwierige Unterfangen wird indes nur zum Erfolg führen, wenn den rechten Phrasiologen mit ihren eigenen Waffen, nämlich der Verbreitung von Lügen, durch sachliche Argumentation buchstäblich das Wasser abgegraben wird.

Hierzu zählt auch, deren Terminologie als Propaganda und Hetze zu entlarven. Das " Unwort des Jahres " 2016 heißt " Volksverräter ". Es wird regelmäßig in den Kreisen des nationalistischen und fremdenfeindlichen " Pegida " - Bündnissen verwendet. Der selbst ernannte Leiter oder besser Führer des Vereins, der sich " Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes " bezeichnet, hat jedoch inzwischen längst an Einfluss und Bedeutung verloren. Das Vokabular der " Pegida " - Sympathisanten wird indes regelmäßig weiter verwendet, wenn es darum geht, politisch Andersdenkende und dabei insbesondere " Pegida " - Kritiker zu diffamieren. Vor allem Politiker werden mit jenem Hass - und Hetz - Sprech regelmäßig in den Foren, auf Facebook oder mittels Twitter - Kommentaren verunglimpft.

Nun hat die Jury zur Findung des " Unwort des Jahres " den Begriff " Volksverräter " als solches ernannt. " Volksverräter " stammt aus dem Sprachgebrauch der reaktionären Parteien und ihrer Anhängerschaft während des I. Weltkrieges und zur Zeit der Weimarer Republik, ehe die Faschisten den Begriff für ihre Zwecke weiter nutzten und einen Straftatbestand daraus konstruierten.

Mehr als 100 Jahre später wird das Wort aus der Mottenkiste heraus geholt, entstaubt und gegen missliebige Politiker aller demokratisch legitimierter Parteien verwandt. Dieser Begriff ist als der Versuch anzusehen, mit einer billigen Polemik gegen sämtliche bürgerlichen Parteien zu Felde zu ziehen, um deren programmatische Umsetzung des Wählerauftrags grundsätzlich in Frage zu stellen. Wer nämlich als gewählter Volksverteter in einer parlamentarischen Demokratie durch sein Handeln vermeintlich gegen die Interessen des Volkes tätig wird und diesem angeblich dadurch Schaden zufügt oder zufügen möchte, der verrät das Volks in der Tat, weil es den Politiker oder die jeweilige Partei ja nur deshalb gewählt hat, um die eigenen Interessen sowie deren Umsetzung garantiert zu bekommen.

Handelt die Politik also gegen die Volksinteressen, produziert sie den Verrat an diesem. So einfach wäre das nach der propagandistischen Rhetorik der AfD und Konsorten. Doch, da ist ein gewaltiger Haken an der Sache. Jene Politiker wurden über die gewählte Partei in das Parlament gesandt oder erwarben ein Direktmandat. Sie sind also mandatiert worden, die Wähler dort zu vertreten. Ob dieses immer so geschieht, kann / mag angezweifelt werden.
Fakt ist jedenfalls: Ein Volksvertreter verrät nicht schon deshalb sein Volk, weil eine Handvoll Hanseln, dessen Politik oder sein Abstimmungsverhalten missbilligt, weil dieser nicht so agiert, wie es eine oppositionelle Minorität von ihm verlangt.

Merke also: Mehrheit bleibt Mehrheit, solange die Minderheit diese nicht verändert. Und dagegen - so sieht es eben auch die Schriftstellerin Eva Manesse - sollten sich im Falle von AfD und andere Lügen - Parteien, eben die gewählten Demokraten zur Wehr setzen.

Gut´s Nächtle mit " Osibisa " und " Why " ( 1974 ):


  


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