Fiona Ehlers in Dunkeldeutschland
Kann es sein, dass es nach fünf bis sechs Stunden Autofahrt und einer dabei zurück gelegten Strecke von zirka 580 Kilometern in Richtung Norden, dieses, unser Land, ein völlig anderes Gesicht annimmt? Kann es sein, dass die Menschen, knappe 700 Kilometer auf und an dem zwölftlängsten Fluss Europas, nämlich der Elbe in Richtung Mündung, also elbaufwärts, völlig andere Deutsche sind? Und ist es möglich, dass mehr als 27 Jahre nach der angeblichen Wende und mehr als ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung, bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Bundesbürgern immer noch eine Mauer im Gedächtnis, ein Eiserner Vorhang im Herzen und Bretter vorm Kopf existieren?
Diese Gedanken kamen mir - unter anderen -, als ich heute Morgen einen Artikel in meiner Leib - und Magenlektüre, dem " SPIEGEL " las. Nö, ich hatte nicht schlecht geschlafen. Nö, ich war auch nicht miss launig, weil mein SV Werder zwar 2:0 beim Mainzer Karnevalsverein auswärts gewonnen hatte, aber dennoch in der aktuellen Tabelle immer noch hinter dem HSV und anderen Abstiegsaspiranten steht. Und, nö, ich habe mich nicht darüber geärgert, dass die Diskussion rund um die so genannten " Schrottbusse " auf unserem Neumarkt weiterhin in unsachlicher Form ( siehe einige Leserbriefe in der " Sächsische Zeitung ) geführt wird und sich jetzt auch noch " Fremdlinge ", " Auswärtige ", ja, sogar " Wessis " frech einmischen.
All dieses focht mich nicht an, weil ich immer noch an das Gute im Menschen glaube. Und Glaube, bekanntlich nun doch Berge versetzen kann?
Doch als ich den " SPIEGEL " - Artikel der Journalistin mit dem wunderbar südländisch klingenden Vornamen Fiona, aber dem eher bieder, norddeutsch daher kommenden Familiennamen Ehlers, zu Ende gelesen hatte, musste ich einen kräftigen Schluck heißen Kaffee aus dem Bunzlauer Kermaik - Becher nehmen.
Da steht doch unter dem Titel, der Überschrift " Auf die Fakten! " ( s. " SPIEGEL " - Nr.: 6 / 2017, S. 53 ) etwas über " Dunkeldeutschland " und darüber, dass dieses " Dunkeldeutschland " in bestimmten Ortsteilen oder Straßen und den dortigen Häusern, noch etwas dunkler sein soll.
Aha, dunkler als dunkel? Geht dat eigentlich?
Na, schau´n mer mal!
Ja, definiert der Mensch seine - wohl auch - individuelle, visuelle Fähigkeit, Lichtreize wahrzunehmen in einer Abstufung zwischen Helligkeit und Dunkelheit, so könnte es die Feststellung, dass es " dunkler " als dunkel ist, demnach geben.
( https://de.wikipedia.org/wiki/Helligkeit )
Nun, gut, sei´s drum. Ich hätte wohl eher von braun geschrieben, wenn von einer Dresdner " Szene - Kneipe " mit rechten Flair in einer dort beschriebenen Plattenbausiedlung die Rede ist. Da könnte bei dem weder schwarz wählenden, noch braun angehauchten " SPIEGEL " - Leser die Assoziation aufkommen, in Dresden sei es überall dunkel und an manchen Orten - eventuell dort, wo die Resthirnmasse mittels Bier, Schnaps und rechtsradikalem Gewäsch - dauerhaft außer Betrieb gestellt wird, vollkommen finster. So dunkel eben, wie es dunkler nicht sein kann: dunkelbraun, nämlich.
Frau Ehlers berichtet hier von einer Studentin mit dem prägnanten Namen Janina D. ( ich werde hier keinen Nachnamen nennen, obwohl dieser in dem Artikel ausgeschrieben steht, denn ich gehe davon aus, dass Frau Ehlers von Frau D. zuvor dazu die erforderliche Erlaubnis erhalten hat, und ich nicht unerlaubt handeln möchte, weil ich diese nicht vorlegen kann ). Frau Janina D. studiert an der TU Dresden Raumentwicklung und Naturressourcen - Management. Huch, wieder so ein Exotenfach, mit dem ich mich zwar durchaus anfreunden könnte, dass ich aber - angesichts der vorherrschenden Gegebenheiten des Arbeitsmarktes im Jahre 2017 n. Chr., für einen Freifahrtschein zur Taxifahrer - Lizenz einstufe. Janina D. stammt auch, wie Fiona Ehlers aus dem ehemaligen Westdeutschland. Aus der West - BZ. Sie ist - wie ich - in Niedersachsen geboren. Und zwar im Wendejahr 1989. Sie weist deshalb - so sei Adam Ries angerufen - 27 Lenze auf.
Nicht alt, womit sie - theoretisch gedacht - auch meine Tochter sein könnte, die bald 26 Jahre auf ihrem, von der Hobby - Reiterei gerade geformten Rücken vorweist.
Bei der " SPIEGEL " - Redakteurin wird es schon ein wenig kritischer, um ein Vater - Tochter - Verhältnis zu konstruieren. Doch - nichts ist unmöglich - es könnte gleichfalls möglich sein. Frau Ehlers ist nämlich in den - für mich - richtungsweisenden 1970ern, vermutlich 1978, geboren. Gut, ja, gut, ich sach´ma´, ich glaube, dass die Eltern von Fiona Ehlers so in meinem Jahrgang sein könnten. Sie ist in der schönen schleswig - holsteinischen Stadt Pinneberg aufgewachsen. In einem Bundesland also, das sich flach, wie ein Bügelbrett zeigt, das über zwei Küsten ( vormalige Eigenwerbung: Meer umschlungen ) verfügt, über viele kleine, schnuckelige Orte und Städtchen sowie saftig grüne Weiden, unzählige Äcker und eine enorm große Anzahl von Kühen, die - so meine Bewertung - schöner sind als die dortigen Frauen.
Fiona hielt es dort nicht lange aus, denn im Netz steht zu lesen:
" Fiona Ehlers, 39, wuchs in Pinneberg auf und floh mit 19 nach Italien. Literatur- und Kunstgeschichtsstudium in Perugia, Bamberg, Berkeley und Hamburg. Henri-Nannen-Schule unter Ingrid Kolb. Seit 2000 Redakteurin beim SPIEGEL, seit vier Jahren in Berlin für das Ressort Gesellschaft. Ihre Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet, unterm anderem mit dem EMMA-Preis 2006 und dem Liberty Award 2008 für ihre Krisen- und Kriegsberichterstattung. "
Zitatende - aus:
http://www.reporter-forum.de/index.php?id=22&tx_rfartikel_pi1%5BshowUid%5D=253&cHash=606cd1f20e7015e47542258e1e00c2fd
Jo, mei,floh?
Nun, immerhin hat die Geflohene eine ordentliche Vita vorzuweisen. Studium in Perugia ( na,ja, nicht gerade die erste Adresse ), Bamberg ( dito ), Berkeley ( holla, die Waldfee, dat is´wat ) und Hamburch ( ja, liegt irgendwo dazwischen ) und dann auf der privaten " Henri - Nannen - Schule " ( https://de.wikipedia.org/wiki/Henri-Nannen-Schule )
in der Hansestadt eine Journalistik - Ausbildung erfolgreich absolviert ( dat is unbestritten Champions League, dat is net 2. Liga ). Und damit waren die Weichen für eine Berufsausübung bei dem Hamburger Nachrichtenmagazin gestellt. Hier schreibt sie seit 2000.
Tja, als " SPIEGEL " - Leser seit 1974 habe ich nicht nur beim " stern " - Begründer Nannen ab und an hinein geschnüffelt und dessen Artikel lesen dürfen ( da war die jute Fiona noch Quark im Schaufenster ), sondern - ganz modisch links gepolt - auch bei dessen Busenfreund und Kollegen Rudolf " Rudi " Augstein die links - liberalen " Daniel Doppel " bis " Jens Daniel " - Kolumnen noch in guter Erinnerung. Es waren oft bissige Kommentare, die der " SPIEGEL " - Gründer dort abdrucken ließ. Augstein war glühender Verfechter der deutschen Wiedervereinigung; sein langjähriger Chefredakteur Erich Böhme hingegen nicht. Und so ging auch nach 1989 ein Riss durch die " SPIEGEL " - Redaktion als die Mauer ( zunächst nur in Berlin ) fiel.
Böhme hatte mit seiner geäußerten Skepsis letztendlich recht. Der " SPIEGEL " ist nicht unbedingt beliebt in " Dunkeldeutschland ", wie die als einstige DDR bezeichneten Gebiete, die von Alt - und Neofaschisten als SBZ benannten Neuen Bundesländer, das Beitrittsgebiet oder auch Ost - oder Mitteldeutschland auch genannt werden darf. " Dunkeldeutschland " ist eine Schmähung, die nach der Maueröffnung unter den nicht informierten Mühsam und Beladenen, die entweder qua Profitdenken sowie Markteroberung von den Firmen und Konzernen der ehemaligen BRD oder wegen größtenteils wegen erwiesener Unfähigkeit aus den West - Behörden dorthin geschickt wurden, gebräuchlich war. Die Behörden - Fuzzis, einschließlich der Justiz, erhielten dafür jahrelang doppelte Bezüge ( vulgo: Buschzulage ). Und auch sonst ging es ihnen nicht gerade schlecht.
Unsere Schwestern und Brüder aus der abgewickelten DDR indes hatten ganz andere Sorgen. Einige Millionen wurden nach der Wende, der dann erfolgte Treuhand - Abwicklung sowie wegen erwiesener Aktivitäten für die Staatssicherheit arbeitslos. Wer zu alt war, blieb es bis zur Rente oder musste sich mit einem Pampel - Job begnügen, der ein Hungerlohn und später eine micktige Rente nach sich zog oder noch ziehen wird. Wer über eine gebrochene Erwerbsbiographie verfügt erhält keine " Lebensleistungsrente ", der bekommt " HARTZ IV " oder ergänzende Grundsicherung. Für mich ist dieses auch ein Grund, warum sich viele eisgraue Männern bei Bachmann´s Kloppertruppe oder auch selbst radikalisieren.
Frau Ehlers weiß von alledem nichts. Muss sie auch nicht, denn sie ist auf der Sonnenseite des Lebens angekommen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie wohnt nach eigenen Angaben in Rom und diese Stadt liegt bekanntlich in Italien.
https://www.facebook.com/fiona.ehlers
Tja, nun war sie aber in Dresden. Diese Stadt liegt bekanntlich nicht im Süden. Sie ist nicht so groß, wie Mailand oder Madrid oder Rom ( Hauptsache Süden? ) und hat ganz andere Probleme. Der ewige Verkehrsinfarkt in der Ewigen Stadt, dat wäre doch mal ein Thema. Die Korruption dort, könnte auch eine wunderbare sozail - kritische Story abgeben oder auch die Umweltverschmutzung, die Milliarden Euro Schulden, die auf der italienischen Hauptstadt lasten eventuell auch. Doch Fiona begibt sich nach Dresden. In die profane Provinz der dunkeldeutschen Gebiete, um hier über den Versuch zu schreiben, den eine junge Frau aus Niedersachsen in Dresdens Kneipen unternommen hat, in dem sie Vorurteile gegenüber Ausländern durch Fakten, die auf Bierdeckeln formuliert sind, entkräften möchte.
Siehe da, sie weckt das Interesse der rudelbildenden, Schnaps konsumierenden Schunkel - Süchtigen während des Dauer - Delirium - Aufbaus in den Kneipen des Freistaats. Aja, eine Pinte gleicht der anderen, weil Sachsen üblicherweise hier unter sich sind. Aber, weiter im Text von Frau Ehlers.
Die Sudentin Janina D. kämpfte nach eigenen Angaben bis zum Sommer 2016 gegen die Pegidioten von Bachmann und Konsorten, die bekanntermaßen ihre braune Messe immer Montagsabends abhalten. Janina war auf der Gegenseite, im " Schwarzen Block " und musste sich Beleidigungen, wie " faules Pack " gefallen lassen. Immerhin kann ich diese Gemütslage nachvollziehen, denn während meiner Studienzeit kam das Adjektiv " langhaariges " noch hinzu. Oder es wurde die Schimpfkanonade mit " Dreckspack " " Schweinepack " und " Kommunistenpack " variiert. Da hat sich unser aller Ex - Wirtschaftsminister und amtierende Bundesaußenminister Sigmar " Siggi " Gabriel in Heidenau doch nun wirklich zivilisiert ausgedrückt?
Aber, weiter im Artikel.
Janina sah irgendwann ein, dass die ewigen Anti Pegida - Demos eigentlich - außer verlorener Zeit, die ja eigentlich dem Studium zu widmen ist - nichts einbringen. Sie ersann eine Abart der politischen Weiterbildung Ost, als sie zusammen mit Kommilitonen Bierdeckel mit sechs verschiedenen Motiven kreierte und hiervon 120.000 Stück drucken ließ. Die Kohle kam vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und vom Gaststättenverband ( wohl dem Dehoga - Landesverband Sachsen ). Insgesamt kostete die Aktion 13.000 Euro.
Junge, das riecht nach Steuerverschwendung und brachte atürlich die AfD - Brüllaffen in Sachsen auf den Plan, die gleich eine " Umerziehugskampagne " a´la DDR - Muster witterten. Doch, es gab auch viel Lob ob der kreativen Aktion mit der Stammtischparolen in Dresdner Kneipen widerlegt werden sollten.
Durchaus positive Resonanz bekam Janina in den vermeintlich rechten Kneipen, wo HARTZer ihr ALG II verbrauchen und angeblich braune SGD - Klopper sich einst geprügelt haben. Dagegen biss die Studentin in der links orientierten Kneipen - Szene jenseits der Elbe, nämlich in der Dresdner Neustadt auf Granit. Ein Mitarneiter hinter dem Tresen leist die Texte auf den Bierdeckeln und stellt eindeutig fest: " Kapitalistische Scheißquellen ". Nichts ist´s mit diesen Bierdeckeln hier. Auch bei einer anderen Lokalität hat Janina kein Glück. Die Mitarbeiterin dort hat Bedenken, dass ihr Chef die Bierdeckel nicht auslegen möchte, weil er ( wohl auf Umsatz und ) Neutralität fixiert sei.
Somit merken wir uns: Die linke Seite der Elbe, die böse, " linke " Neustadt ist für politische Aufklärung nicht empfänglich; wohl aber das Spießbürgertum in den Kaschemmen, in denen das Proletariat die Stammtischparolen drischt und den Pegidioten - AfDlern wohl gesonnen zu sein scheint.
Und so begibt sich Janina in die Kneipe mit dem Namen " Leo´s Bierstuben ", wo sie auf einen Querschnitt des gesellschaftlichen Bodensatzes zu treffen scheint. Jene Menschen, die vom Leben gezeichnet und gebrochen scheinen und hiervon erzählen. Bei " Feldschlösschen " Bier ( nicht vergleichbar mit der Kopfschmerzen verursachenden " Jauche " von " Gilde " ( Hannover ), " Herforder ( Herford ) oder " Lübzer " ) dudelt Roland Kaiser seine Endlosschleifen - Lieder. Dennoch hören die Anwesenden ihr zu. Und später, nachdem die Studentin einen " Pfeffi " getrunken hat, der - so die Bewertung der " SPIEGEL " - Mitarbeiterin - nicht nur wie Geschirrspülmittel aussehe, wird über die vorgelegten Bierdeckel und ihre Aufdrucke gesprochen. Immerhin etwas, wie Frau Ehlers dann doch feststellen darf.
Merke also: Nicht überall, wo Fremdenhasser drauf steht, ist ein Rassist drin!
Und dann wird geplaudert. Janina berichtet von ihrem Besuch bei afghanischen Nomaden am Hindukusch und erfährt, dass die Tochter des Kneipiers in Paris studiere, obwohl dieser sich als fremdenfeindlich sieht.
Und damit steht auch für die " SPIEGEL " - Journalistin fest, dass es in Dunkeldeutschland vielleicht doch nicht so dunkel ist, wie es in den vielen - viel zu vielen - Vorurteilen beschrieben wird. Deshalb wäre es angebracht, wenn die immer noch vorhandenen Ressentiments der Deutschen auf beiden Teilen der einstigen Grenze mehr im Gespräch miteinander als in Artikeln übereinander beseitigt werden würden.
Der angeblich so dunkle Teil Deutschlands ist in Wahrheit nicht anders als ein Kaff in der bayrischen Pampa, in dem Einheimische über Zugezogene die Nase rümpfen, in der niedersächsischen Einöde des Weserberglands, in der Einheimische trotz hoher Arbeitslosigkeit keinen LKW - Ratsplatz mit Gastronomie und mehr angesiedelt haben wollen, weil angeblich " Gesocks " aus Osteuropa die Gegend unsicher mache oder in den Niederungen des " SPIEGEL " - Journalismus, der auch davon lebt, dass Meinungen über und zu bestimmten gesellschaftlich - politischen Themen nicht von allen Lesern und auch Betroffenen geteilt werden:
http://meyview.com/tag/dynamo-dresden/
" Tull " und ´ne kastrierte Version von " Thick As A Brick ":
Hmmmh, immer noch aktuell?
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