Ein Brief aus der alten Heimat



Gestern war wieder ein spät sommerlicher Tag. Bei angenehmen Außentemperaturen um die 20 ° C setzten wir die Gartenarbeit fort. Am Montag der kommenden Woche möchte der beauftragte Fachbetrieb aus der Hallertau dann mit den umfassenden Gartenumbauarbeiten beginnen. Deshalb nutzen wir das gute Wetter, um die vorbereitenden Arbeiten zu erledigen.

Als der Zusteller der Post klingelte, dachte ich zunähst an die Paketsendung mit der gekauften Sägekette. Die zuerst bestellte hatte ich ja beim Fällen der Thujahecke ordentlich verbogen. Es war aber nicht dieses Pakte, sondern der Dampfentsafter, den wir uns zulegt haben. Dazu lag ein Brief aus meiner alten heimat, aus Bad Eilsen, auf dem Paket. Ich quittierte den Erhalt des Pakets und brachte es nach oben in die Küche.

Nun, ja, was für eine Überraschung lag da auf dem Karton. Ein Brief aus Bad Eilsen. Beim genauen Hinsehen konnte ich den Absender erkennen. Es war die ev.-luth. Kirchengemeinde in Bad Eilsen. Nanu, was wollen die denn von mir? Ich bin doch seit mehr als 45 Jahren kein Mitglied mehr? Ich legte den Brief zunächst eine Etage höher auf meinen dort stehenden Schreibtisch. Bei der Rückkehr in den Garten überlegte ich immer noch, was es mit diesem Brief wohl auf sich haben könnte?

Dann packte mich doch die Neugier und ich öffnete das Scheiben aus der ehemaligen Heimat. Zu meiner Überraschung war es eine Einladung. Unter der fett gedruckten Anrede " Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Jubilare! " wurde  eine " herzliche " Einladung zu einer geplanten Feier anlässlich des bald bevor stehenden 50. Jahrestages an dem 32 Konfirmandinnen und Konfirmanden des Jahrgangs 1954 in die christliche Gemeinschaft und in die evangelisch - lutherischen Kirchengemeinde Bad Eilsen aufgenommen wurden.

Ich sah mir die Namen der 17 Damen und 15 Herren etwas genauer an. Neben denen meiner beiden mit konfirmierten Geschwister, konnte ich ad hoc bei einigen von ihnen gewisse Erinnerung mit jenen Schüler / Konfirmanden von einst verbinden.

Uwe G. wohnte einst bei seinen Eltern in einem damals schicken Haus am Anfang der Feldstraße. Wir spielten als Kinder sehr oft mit ihm.

Wolfgang M. lebte zusammen mit mehreren Geschwistern auf einem Bauernhof in Heeßen. Wir spielten oft zusammen Fußball.

Wolfgang St. kam in meinen Blog einige Male vor. Wir waren eine kurze Zeit Musikfreunde.

Bei den Namen der Konfirmandinnen fiel mir ein, dass ich mit Marion T. zu Beginn der 1970er Jahre den gleichen Ausbildungsbetrieb besuchte. Christiane S. war eine Schülerin aus dem gegenüber liegenden Nachbargrundstück der Eltern. Marianne M. ist die jüngere Schwester eines Klassenkollegen aus der Volksschule in Heeßen, mit dem mich einstmals der Sport und die Beatmusik verband.

Bei weiteren Namen konnte ich mich ebenfalls an einige Gemeinsamkeiten oder Ereignisse erinnern. Bei nicht wenigen Mitkonfirmanden indes ist im Verlaufe der nahezu 50 Jahren die Erinnerung an diese völlig verblasst. Die Namen sagen mir zwar, dass diese Jugendlichen mich einst ein Stück des Lebensweges begleitet haben, mehr allerdings nicht.

Als ich dann die Liste komplett gelesen hatte, durfte ich feststellen, dass 5 der Ex - Konfirmanden bereits verstorben sind. Von den verblieben 27 Personen sind 8 in der Samtgemeinde Eilsen geblieben; 15 im Landkreis Schaumburg und 17 in Niedersachsen. Lediglich 3 wohnen in einem andren Bundesland. Bei 8 Personen konnte keine Anschrift ermittelt werden.

Auf der Einladung, die von dem jetzigen Pastor der Kirchengemeinde unterzeichnet war, stand dann noch:

" Nach einem festlichen Abendmahlgottesdienst werden wir..... zusammen sein und die Zeit für das Wiedersehen, Begehungen und Gespräche über die guten alten Zeiten haben.... "

Na,ja, " gute alte Zeiten "? Ich habe daran andere Erinnerungen. Der einstige - inzwischen verstorbene - Pastor Hinz ist mir während der zwei Jahre des Vor - und Konfirmandenunterricht nicht unbedingt von seiner guten Seite im Gedächtnis verblieben. Der Unterricht fand ein Mal pro Woche statt und umfasste 2 " Schulstunden ", also 1 1/2 Stunden. Darin quälte uns Hinz mit dem Abfragen der zuvor aufgegeben Gebote, Lieder und Psalmen. Und...wehe ein Konfirmand hatte diese nicht auswendig gelernt. Dann hagelte es Strafen. Es mussten dann Gebote, Lieder und Bibeltexte x - mal abgeschrieben werden. Ab und an rutschte dem werten Kirchenherrn auch die Hand aus. Oder ein Lernunwilliger musste den Rest des Unterrichts hinter den Stühlen stehen bleiben.


Sonntags morgens war die Teilnahme an dem Gottesdienst ab 9.30 Uhr bis 10.30 Uhr Pflicht. Hinz hatte ein exzellentes Personengedächtnis und wusste ganz genau, wer von den Pappenheimern den Gottesdienst " schwänzte ". Der Konfirmand bekam am folgenden Unterrichtstag einen ordentlich Einlauf. Es sei denn, die Eltern hatten ihm eine Entschuldigung geschrieben. Gleiches galt selbstverständlich auch für den Konfirmandenunterricht.

Ja, die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft war alles andere als ein christlicher Gnadenakt. Getreu der alt hergebrachten Behauptung, dass der Herr vor dem Erfolg den Schweiß der Arbeit gestellt hat, mussten wir unsere Lernfähigkeit unter Beweis stellen. Das stoische Auswendiglernen irgendwelcher christlicher Lehrinhalte war der preis, den jeder Konfirmand für die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft zu zahlen hatte. Heutzutage wird dieses wohl " Bulimie - Lernen " genannt. Wie dem auch war, es hat mich eher dazu hingeführt, diesem Verein einige Jahre später den Rücken zu kehren.

Ich glaube seit meinem Austritt im Sommer 1974 nicht mehr an die Richtigkeit der christlichen Lehre und an das, was in den Kirchen darüber verbreitet wird. Deshalb war mein Entschluss schon kurz nach der erhaltenen Einladung zur " Jubelkonfirmation " am 3. November 1969 schnell gefasst: Ich werde nicht kommen!

Das Leben ist seit dem weiter gegangen und die Gesellschaft zeigt sich heute völlig anders als es 1969 der Fall war. Zwar hat sich die evangelisch - lutherische Kirche seit dieser Zeit auch sehr gewandelt, doch es sind jene amtskirchlichen Strukturen geblieben, die mich unter anderem auch zum Austritt aus diesen Verein bewogen haben. Und deshalb verspüre ich kein gesteigertes Interesse an einen Gottesdienst teilzunehmen,  mit dem an jene Zeit von vor 50 Jahren erinnert werden soll, die ich gerade nicht als " gute alte " sehe.

Ich werde den Brief aus der Heimat in eine Mappe mit persönlichen Dokumenten ablegen. Mehr nicht!



" Sula Bassana " - " Surealistic Journey " - " Dark Days " 2012:




 

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