Der Richter aus der Provinz
Vor vielen Jahren schaute ich mir die Verfilmung des von Friedreich Dürrenmatt im Jahr 1985 geschriebenen Buches " Justiz " an. Die Rahmenhandlung spielt sich auf der Ebene von zwischenmenschlich, moralischen Abgründen und beruflichen Zwängen ab. Hier ein junger, beruflich unerfahrener und somit zeitweilig naiver Rechtsanwalt, dort das undurchdringliche Gestrüpp von Beziehungsgefügen in der Dritten Gewalt.
Zugegebenermaßen: Ich hatte von dem Buch während meines Jura - Studiums gehört; es aber dennoch nie gelesen. Deshalb war ich von dem Film, der gut 2 Dekaden später irgendwann im Spätabendprogramm wiederholt wurde, ein wenig beeindruckt.
Beeindruckt
vor allem, weil dieser jene Erfahrungen wieder gab, die ich selbst während meiner Ausbildung und beruflichen Tätigkeit mit der Jurisprudenz gemacht hatte.
Aber auch so mancher Laie könnte ein ähnliches Lied davon singen. Dieses würde dann heißen: " Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei Paar Schuhe. " Es bin sogar geneigt, zu sagen, dass Recht haben, Recht bekommen und Recht durchsetzen, dreierlei Paar Schuhe sein dürften.
Aus der breiten Skala der Misstöne dieses durch den Staat gesetzten Dreiklangs lassen sich während meines Engagements in dem Reich der Dame Justitia eine Vielzahl von besonders schrillen Tönen benennen.
Wie jene, die ein Richter am Amtsgericht Syke beinahe mit jedem Sitzungstag produzierte.
Das Amtsgericht Syke ist ein eher unbedeutendes Element innerhalb des niedersächsischen Justizapparats. Das Gericht ist dem Landgerichtsbezirk Verden eingegliedert und dieser wiederum zählt zu dem Oberlandesgericht Celle. Das Amtsgericht Syke hat sich gewöhnlich mit eher kleineren, vielleicht auch alltäglichen Fällen zu befassen.
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/weyhe-ort54198/weyhe-post-zusteller-bunkert-pakete-wird-amtsgericht-syke-verurteilt-8520483.html
Aber auch so mancher Laie könnte ein ähnliches Lied davon singen. Dieses würde dann heißen: " Recht haben und Recht bekommen, sind zweierlei Paar Schuhe. " Es bin sogar geneigt, zu sagen, dass Recht haben, Recht bekommen und Recht durchsetzen, dreierlei Paar Schuhe sein dürften.
Aus der breiten Skala der Misstöne dieses durch den Staat gesetzten Dreiklangs lassen sich während meines Engagements in dem Reich der Dame Justitia eine Vielzahl von besonders schrillen Tönen benennen.
Wie jene, die ein Richter am Amtsgericht Syke beinahe mit jedem Sitzungstag produzierte.
Das Amtsgericht Syke ist ein eher unbedeutendes Element innerhalb des niedersächsischen Justizapparats. Das Gericht ist dem Landgerichtsbezirk Verden eingegliedert und dieser wiederum zählt zu dem Oberlandesgericht Celle. Das Amtsgericht Syke hat sich gewöhnlich mit eher kleineren, vielleicht auch alltäglichen Fällen zu befassen.
https://www.kreiszeitung.de/lokales/diepholz/weyhe-ort54198/weyhe-post-zusteller-bunkert-pakete-wird-amtsgericht-syke-verurteilt-8520483.html
Neben Zivildezernaten oder Famileinrechtssachen, sind hier auch Strafrichter tätig. Eine Untergruppe dieses Rechtsgebiets stellen Verkehrssachen dar. Vor vielen Jahren gehörten diese in den Zuständigkeitsbereich einer Richterin, die wegen ihre öfters unkonventionellen Rechtsauslegung bald den Beinamen " Mutter Gnädig " erhielt. Richterin F., die längst ihre Pension genießen darf, bekam deshalb selbst Ärger mit den Damen und Herren Kollegen und wurde von der Staatsanwaltschaft Verden wegen des Verdachts der Rechtsbeugung angeklagt. Der Fall schlug nicht nur in dem regionalen Umfeld, sonder sogar bundesweit hohe Wellen.
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8891605.html
Irgendwann zu Beginn meiner anwaltlichen Tätigkeit, die ich zusammen mit einem Studienkollegen in Bremen aufnahm, erhielten wir ein Mandat von einem Modell aus Bremen, deren Bruder bereits zuvor von meinem damaligen Sozius in mehreren Strafsachen vertreten worden war. Die Frau war bei dem Amtsgericht Syke wegen Vortäuschens einer Straftat angeklagt und wandte sich nunmehr an meinen Kollegen R.
Der kam nach der Hauptverhandlung, die in den frühen Morgenstunden anberaumt war, völlig aufgelöst zurück. Er schilderte mir, dass der damals zuständige Richter H. zunächst einen eher einen sympathischen Eindruck auf ihn gemacht habe, weil er leger mit Jeans gekleidet in den Sitzungssaal einschneite. Doch kaum hatte er sich dort die Richterobe und den weißen Binder umgelegt, wurde Paulus zum Saulus.
Bald hörten wir von einigen Kollegen, dass diese ähnliche Erfahrungen mit Herrn H. gemacht hatten. Richter H. bekam schon bald in den Anwaltskreisen einen negativen Ruf. Nicht wenige Verteidiger legten sich in seinen Verhandlungen mit ihm an. Seine Urteile wurden regelmäßig von der nächsten Rechtsmittelinstanz kassiert. Richter H. musst sich somit auch in dem Kollegenumfeld mit einem miserablen Image begnügen.
Schlichtweg gesagt: Richter am Amtsgericht H. war ein echter Problemfall. Folglich hagelte es bald Befangenheitsanträge durch die auswärtigen, insbesondere Bremer Kollegen. Nebenbei reichten einige von ihnen Beschwerde bei der Dienstaufsicht ein. H. wurde längst zur Unperson erkoren.
https://lobster53.blogspot.com/2015/11/erzahln-sekeine-sahne-herr-verteidiger.html
Nicht nur, dass Richter H. regelmäßig zu eher ungewöhnlich frühen Zeiten seine Sitzungen ansetzte, ohne dabei Rücksicht auf von weiter her kommenden Beteiligten zu nehmen, nein, er war dabei dann und wann betriebsblind:
https://books.google.de/books?id=jxkZV6yycCEC&pg=PA29&lpg=PA29&dq=Richter+Held+Amtsgericht+Syke&source=bl&ots=d4Y5jflocl&sig=ACfU3U1POorUKPoFNP8MNcRTXIx85fdWgQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjWzOywjt3kAhVKPFAKHTybACcQ6AEwD3oECBIQAQ#v=onepage&q=Richter%20Held%20Amtsgericht%20Syke&f=false
Mit H. bekam ich es nur wenige Male zu tun. Ich vertrat in den 1990er Jahren, als ich eine Kanzlei in Bremen - Hastedt betrieb, jeweils einen Mandanten,der wegen diverser Verkehrsdelikte bereits einige Punkte in Flensburg gesammelt hatte. Bereits vor dem Sitzungstermin bereitete ich diese darauf vor, dass es in der Sache bei H. keinen Blumentopf zu gewinnen gab. Bereits aus der Bußgeldakte war dieses ersichtlich. Um die weitere Gebühr nicht flöten gehen zu lassen, schleppte ich mich dennoch zu den jeweils sehr frühen Terminen nach Syke. Da ich keine große Lust verspürte, mich mit Richter H. auf einen verbalen Schlagabtausch einzulassen, nahm ich die Einsprüche gegen die Bußgeldbescheide einfach zurück.
In einem anderen Verfahren beantragte ich zunächst nur Akteneinsicht. Da ich aus der Bußgeldsache nicht ganz schlau wurde, zeigte ich die Akte dem Kollegen R. Der empfahl mir, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückzunehmen. Dann gab er mir noch einen entscheidenden Tipp. Auf der Rückseite des letzten Aktenblatts war mit krakeliger Handschrift ein so genannter richterlicher Vermerk zu lesen. Darin wurde ein Termin zur Durchführung der Hauptverhandlung benannt, den müsste ich mir auf jeden Fall notieren. Da der Mandant sich bei mir nicht mehr meldete, geschweige denn, einen Kostenvorschuss zahlte, schicke ich die Akte zurück. Einige zeit später erhielt ich in dieser Bußgeldsache ein Urteil zugesandt. Darin war zu lesen, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf Kosten des Betroffenen ( Mandanten ) verworfen wurde, weil weder der Betroffene noch der ordnungsgemäß geladene Verteidiger zum Termin erschienen war. Schmunzelnd legte ich das Urteil in die Akte und schickte eine Kopie dem Mandanten. Von dem Grundsatz: " Ohne Moos nichts los! " hatte Richter H. wohl noch nie etwas gehört?
Einige Jahre später vertrat ich eine Lehrerin in einer Bußgeldsache vor dem Amtsgericht Syke. Wieder war Richter H. zuständig. Noch vor der Verhandlung schilderte die Mandantin mir, dass sie eines Tages von der Polizei noch in den frühen Morgenstunden festgenommen und zum Amtsgericht gebracht wurde, weil sie zuvor einem Verhandlungstermin als geladene Zeugin unentschuldigt ferngeblieben war. Richter H. ließ sie deshalb vorführen. Er schöpfte dabei die volle Bandbreite der Strafprozessordnung aus, die vorsieht, dass zur Durchführung einer Hauptverhandlung ein ordnungsgemäß geladener Zeuge zwangsweise vorgeführt werden kann ( § 51 Absatz 1 Strafprozessordnung ).
Richter H. sah die zwangsweise Vorführung der Zeugin für erforderlich.
Vielleicht wollte Richter H. auch nur seine Befugnisse, seine Macht, ausspielen?
Einige Zeit danach vertrat ich einen Mandanten in einer Räumungssache vor dem Amtsgericht Syke. Nach dem Ende der Verhandlung begegnete mir ein einstiger Studienkollege. Er war inzwischen in einer alt eingesessenen Kanzlei als Sozius eingestiegen und hatte es sogar zum Notar gebracht. Auf den Richter H. angesprochen lachte der Kollege nur laut und formulierte dabei sinngemäß, dass dieser nur Schwachsinn verzapfen würde und er ihn deshalb in jedem Fall " pinseln " ließe. Ich grinste ihn an. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Richter H. verzapft indes keinen Schwachsinn mehr. Bei dem Besuch auf der Internetpräsenz des Amtsgerichts Syke bemerkte ich, dass H. dort nicht mehr aufgeführt wird. Der Richter aus der Provinz verzapft keinen Schwachsinn mehr. Justitia sei Dank!
" Colour Haze " - " Transformation " - " She Said " 2012:
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