Die Stare sind die Stars


Am gestrigen Mittwochvormittag war wieder unser einstündiger Lauf rund um den Hollener See vorgesehen. Es hatte - wie seit vielen Tagen üblich - geregnet. Die hohe Luftfeuchtigkeit ist für Hobby - Jogger zwar nicht gerade ideal, aber auch dieses gehört in die Rubrik " Gewohnheiten ". So starteten wir von der Haustür los. 

Nach einigen Meter führt uns die Route auf die " Maisteigstraße ". Nach zirka 2 Minuten gelangten wir in die Schleißheimer Straße und danach auf den Klosterweg, der ja später als unbefestigter Wirtschaftsweg zum Eingang des Seegeländes führt. 

Was zunächst als einer der zweitägigen Routine - Läufe begann, wurde spätestens nach etwa 10 Minuten zu einem begleitenden Schauspiel hoher Flugkunst.

in Höhe des ersten Überleitungsmasten, der wie ein Koloss am See steht und visuell eine Art Wächterfunktion einnimmt, stiegen sie wieder auf: eine Schar Stare. Sie veranstalteten dabei das bekannte Spektakel. Laut und penetrant zeternd flogen sie in Richtung des Seeufers, von dort aus wieder zurück und sodann in Richtung des Hains, der aus Mischholz besteht. Hier ließen sie sich in den Baumwipfeln nieder.

Als wir ihnen näher kamen stiegen sie erneut auf und entschwanden zum Mallersdorfer Holz. 

Der Star zählt bekanntlich zur Gattung, exakter Unterordnung, der Singvögel.  Lateinisch als sturnus vulgaris bezeichnet, stellen Stare die weltweit größte Gesamtpopulation an Vögeln dar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Star_(Art)

So weit, so gut!

Ehrlich gesagt: Ich mag sie nicht besonders. Dieses nicht, weil sie eigentlich nicht so wunderbar zwitschern oder singen, wie beispielsweise die Drossel abends auf dem ausrangierten Fahnenmast des benachbarten Grundstücks oder die Meisen in dem Zierbäumen, sondern weil sie in diesen Wochen in sämtliche Kirschbäume einfallen, die es im näheren Umfeld gibt.

Binnen eines sehr kurzen Zeitraums sind die von ihnen befallen Obstgehölze kahl gefressen. Die Hinterlassenschaften liegen dann Zentimeter hoch auf dem Gehsteigen oder dem Rasen sowie in den Beeten. Stare fressen nun mal so ziemlich alles, was ihnen unter dem Schnabel kommt, kleine Insekten oder andere " Wirbellose " gehören zum Speiseplan der Schwarmvögel. Demnach sind sie als nützliche Tiere einzustufen.

Doch, das sehen nicht alle Menschen so. 

Als ich vor vielen Jahren während der Sommerferien auf einer Obstplantage mein Geld für einen tragbaren Kassettenrecorder verdienen durfte, erkannte ich in der Nähe der riesigen Erdbeerfelder auch unzählige Reihen mit Obstbäumen. Darunter auch Kirschbäume. Ich wunderte mich schon damals, dass die leicht mannshohen Gehölze mit feinmaschigen Plaste - Netzen überspannt waren. Für mich entschloss sich die Notwenigkeit damals nicht.

Das änderte sich jedoch einige Jahre später.

Während eines Urlaubsaufenthalts an der Mosel fuhren wir regelmäßig an den vielen Weinbergen vorbei. In den großen Feldern an den Hängen des Moseltals standen die Weinstöcke dicht an dicht. Sie waren voller Trauben. Ein Leckerbissen, eine Versuchung für jenes Starenschwärme, die wie dunkle Wolken sich links und rechts entlang des Flusses bewegten. Sie fielen Sekunden später wie auf Kommando in eines der Weinareale ein und bedienten sich dort so lange an der reifen Köstlichkeit, bis ein plötzlicher lauter Knall ihre Orgie jäh unterbrach. Es war eine automatische Selbstschussanlage, die jene Starenschwärme aufschreckte und zum Weiterfliegen veranlasste.

 

https://www.purivox.com/starenabwehr/

Inzwischen wurden die Abwehrtechniken gegen jene durchaus gefräßigen, gefiederten Freunde, erheblich verbessert und verfeinert. Einst, nämlich vor vielen Jahrhunderten, hatte der so genannte Wingertschütz die Aufgabe, die riesigen Vogelschwärme abzuwehren. Dieser Weinberghüter hatte nicht nur die Aufgabe mittels Lederpeitsche, Rätsche und später Schreckschusspistole, die Vögel aus den Anbaugebieten zu vertreiben, sondern er bewachte auch die dortigen Anpflanzungen. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Weinberghüter

Heutzutage ist die moderne Technik bei Anwohnern und auch Gästen nicht gerade beliebt. Die ewige Knallerei nervt nicht wenige Einheimische und Touristen gleichermaßen.

https://derentspannen.de/wingertshaeuschen-wingertschuetz-und-kanonen/

 https://www.wormser-zeitung.de/lokales/worms/stadtteile-worms/pfeddersheim/nerviges-geballer-in-pfeddersheimer-weinbergen_19019322


Vielleicht liegt es aber auch an dem rein wirtschaftlichen denken, dass hinter dieser Knallerei steckt. Wenn jene Stare zu Hunderten, manchmal auch Tausenden, in einen Weinberg einfallen, können sie beträchtlichen Schaden anrichten. Binnen weniger Minuten sind die aufgesuchten Rebstöcke beinahe kahl gefressen. Ein herber Verlust für jene Betreiber der Anbaugebiete. Auf dem extrem umkämpften Markt könnte eventuell jede Flasche des edlen Saftes zählen.

Beim Weiterlaufen erinnerte ich mich an das für mich unverständliche Treiben in den Mosel -Weinbergen bei Bernkastel - Kues. Ich konnte damals nicht zu recht begreifen, warum dort wegen der Stare geschossen wurde. Vielleicht auch deshalb nicht, weil mir jene imposanten Bilder von den großen Schwärmen, die wie dunkle Wolken hin und her zogen, noch immer in Erinnerung geblieben sind.

https://www.lbv.de/ratgeber/naturwissen/naturschauspiel-starenschwaerme/

Als ich dann gestern Nachmittag - umweltbewußt handelnd - die Säcke mit Altpapier, die Pappen und das Altglas im E - Auto abfuhr, kam ich auf der benachbarten Straße, der Prof. - Kurt - Huber - Straße vorbei. An einem Eckgrundstück steht ein großer Kirschbaum. Die Früchte werden nicht geerntet. Die Bewohner oder Eigentümer haben offensichtlich kein Interesse daran, eigene Kirschen zu essen. Das erledigten dafür jene Stare, die wir am Hollener See sahen. Sie hatten ganze Arbeit geleistet - auf dem Gehsteig lagen Zentimeter hoch die Kirschkerne. Es sah dort aus, als habe jemand einen großen Kirschkern -Teppich ausgelegt.

Immerhin hat es den gefiederten Besucher aus dem entfernten Süden Europas jene von Natur gegeben Köstlichkeit nicht verschmäht. Der zum Vogel des Jahres 2018 gewählte Gast hatte ganze Arbeit geleistet. Ich musste ein wenig grinsen.  Der Star unter den Vögeln war eben schlau.



DEEP PURPLE  -  Bird Has Flown  -  1969:




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