Ein Schrank aus China
Gestern Abend war es endlich soweit: Der über das Internet bestellte Wohnzimmerschrank aus dem fernen China stand dort, wo ihn meine bessere Hälfte gerne sehen möchte. Es hat lange, nein, sehr lange gedauert, bis es soweit war.
Im Dezember 2020 hatten wir über einen Online - Händler diesen Schrank bestellt:
In seinen Kauf - und Lieferbedingungen ist zu lesen, dass jenes Möbel als Unikat , weil aus Altholzteilen bestehend und zudem handgefertigt, anzusehen sei. Nun, bei solchen Angaben sowie angesichts des hierbei angegebenen Preises, sollte selbst ein Schnäppchenjäger Vorsicht walten lassen. Bekanntlich ist das World Wide Web nicht immer ehrlich. Will heißen: Aufgrund der massenhaften Anbieter von Waren und Dienstleistungen ist durchaus damit zu rechnen, dass sich hier eine Vielzahl " fauler Eier " darunter befinden.
Ich überwies den Kaufpreis von zirka 1.100 Euro vorab und wir warteten. Wir warteten und warteten und..... . Es wurde Dezember 2021. Von unserem bestellten Schrank war nichts zu sehen. Okay, er musste in China gebaut werden. In einem Land, das zirka 7.500 Kilometer Luftlinie und mehr als 9.600 Kilometer Fahrtstrecke von uns entfernt liegt. Zudem spielte Tante " Corona " dabei eine enorm wichtige Rolle. Dann kam auch noch die Havarie der " Ever Given " im Suezkanal hinzu, Ein Schiffsunglück, welches die ohnehin schon völlig aus dem Ruder gelaufenen See - und Landtransportzeiten teilweise um Monate verzögerte.
Doch nach mehr als einem Jahr sollte sich der vorfinanzierte Auftrag dennoch erfüllen lassen können? Ich hakte vor etwa 14 Tagen schriftlich nach und setzte ein Schreiben auf. Wir Juristen nennen dieses " verzugsbegründendes Schreiben ". Mit präzisen Formulierungen verlangte ich nun die Vertragserfüllung und setzte dafür eine - erneut großzügige - Frist bis 31. 05. 2022, verbunden mit einer Ablehnungsandrohung und einer weiteren Frist von 14 Tagen zu Kaufpreiserstattung.
Fairerweiser muss ich dazu noch ausführen, dass sich der Verkäufer aus dem Örtchen K., das zwischen Rhein und Mosel, in Rheinland - Pfalz liegt, zu Beginn des neuen Jahres via Mail uns über den Versand des Schrankes im fernen China informiert hatte. Allerdings waren wir nach mehr als einem Jahr überaus skeptisch, was den Wahrheitsgehalt jener Mitteilung anging. Als dann nach weiteren 12 Wochen sich immer noch nichts tat, begann meine bessere Hälfte mit negativen Gedankenspielen mich ein wenig unter Druck zu setzen. Was wäre, wenn? Geld futsch! Schrank, ein ewiger Wunsch!
Als dann vor einigen Tagen die erlösende Nachricht kam, dass das Schmuckstück jetzt endlich da sei und am Samstagabend geliefert werden solle, konnte sie ihr Glück kaum fassen.
Der Geschäftsinhaber persönlich lieferte aus. Damit wurde uns auch schnell klar, dass es sich um eine Einmann - Firma, eine Ein - Personengesellschaft handelt, die sich hinter der fesch aufgemachten Internetseite verbarg. Ein Ein - Mann - Himmelfahrtskommando in " Corona " - Zeiten. Eine Kamikaze - Selbständigkeit, also. Ich stellte dem freundlichen Geschäftsmann einige kurze Fragen nach seinem Abfahrtsort, der mir mittlerweile wieder entfallen war. K. liegt im Hunsrück und zählt zu einer Gemeinde, die sich dem Rhein - Hunsrück - Kreis angeschlossen hat. Daher auch das Kfz - Kennzeichen " GOA ". Der Anhänger mit Plane wies allerdings auf eine Firmenanschrift in Bad Kreuznach hin; ebenso das Anhänger - Kennzeichen, das auf " KH " lautete. Womit dieser auch in bad Kreuznach angemeldet war.
Meine bessere Hälfte steckte dem Einmann - Unternehmer einen 10 Euro - Schein zu, nachdem er den Schrank zusammen mit unserem Nachbarn in das Wohnzimmer gewuppt hatte. Bei seiner Abfahrt überlegte ich mir noch, wie ein solcher Betrieb in " Corona " - Zeiten überleben konnte. Eigentlich nur so, wie es Herr M. uns aufgezeigt hat. Er mutierte zum Selfmade - Man. Er steht dabei in Personalunion als Verkäufer, Händler, Auslieferungsfahrer und zudem noch Steuerpflichtiger. Denn auf den verkauften Chinaschrank sind Einfuhrumsatzsteuer und die hiesige Mehrwertsteuer angefallen. Beide Positionen werden in der Umsatzsteuervoranmeldung - bzw. Umsatzsteuererklärung, die möglicherweise monatlich abgeben werden muss, miteinander verrechnet.
Wenn ich dieses berücksichtige, verbleibt dem Händler, dem Verkäufer, ein Nettobetrag von etwa 940 Euro. Hiervon ist der Einkaufspreis des aus China stammenden und dort gefertigten Schrankes abzuziehen. So könnte allenfalls ein Bruttogewinn von 450 Euro übrig bleiben.
Doch für uns als Kunden war der Kauf des Schrankes aus China ein echter Schnapper!
NEUTRONS - Come Into My Cave - Tales From The Blue Cocoon - 1975:
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