Verjährt!
Der 26. September 2021 war ein besonderer Tag. Ein Sonntag zwar auch, aber vor allem war es der Tag zur Wahl des 20. Bundestags. Das Endergebnis war eher überraschend. Die Schwarzen verloren drastisch; die Braunen wurden auch nicht mehr. Das konnte das eher links von der Mitte schlagende Herz eines Wählers durchaus etwas höher schlagen.
Der 26. September 2021 war aber auch der Tag unserer Abreise von der Halbinsel Darß. Die erfolgte nach dreiwöchigen Urlaub so gegen kurz nach halb acht in der früh. Wir hatten den von der Tochter geliehen VW Bus ordentlich gepackt und fuhren auf die uns längst bekannte Route von Prerow in Richtung Autobahn 19. Nun, Sonntags ist im Herbst eines Jahres nicht jener Rückreiseverkehr, der etwa noch vor ein bis zwei Monaten herrschte, wo es bereits an der Kreuzung Wiecker Weg zur L 21 zu Staus kommen kann, weil Sonntag auch Abreisetag ist.
An diesem Sonntag aber war es nicht so. Die Mehrheit der Nachsaisongäste war eh schon abgereist. Doch auch am Morgen gibt es Sonntagsfahrer. Jene Art von motorisierten Schlafmützen, die ihre Mitstreiter durch eine über angepasste, ja oft ängstliche Fahrweise nerven können. Wir zuckelten deshalb ab Prerow die gesamte L 21 durch Ahrenshoop, Wustrow und Dierhagen bis zu der Kreuzung mit der B 105, dann durch Rövershagen in Richtung Autobahn A 19.
Sichtlich genervt von dem vor uns zuckelnden Sonntagsfahrer setzte ich just hinter Bentwisch zum Überholen an und wollte den lästigen Schleicher hinter uns bringen, als es genau an der stationären Geschwindigkeitskontrolle zwei Mal blitzte.
Völlig genervt und fluchend fuhr ich weiter.
Das Ergebnis erhielt dann unsere Tochter eine Wochen später als so genannten Anhörungsbogen zu einem Bußgeldverfahren mit der Post.
" Sehr geehrte Frau.... Ihnen wird vorgeworfen folgende Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben: .... ". Angeblich soll sie statt der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 70 Km / h, gemessene 92 Km / h gefahren sein.
Ich antwortete hierauf im juristisch geschliffenen Deutsch und schickte den Vordruck irgendwann im Oktober des letzten Jahres zurück. Es vergingen einige Wochen, dann erhielt der Schwiegersohn ein - bis auf den Namen - identisches Schreiben. Ihm wurde nun zur Last gelegt, als Fahrer ( nicht als Halterin ) jene Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben. An jenem frühen Wahlsonntagmorgen. Aha!
Unsere Tochter bat mich erneut, darauf zu antworten. Dieses Mal wollte ich nicht das vom Gesetz her vorgesehen Aussage - bzw. Zeugnisverweigerungsrecht heran ziehen. Weil ich ja das Bussgeld hätte zahlen müssen, schrieb ich nun, dass sich unser Schwiegersohn nur daran erinnern könne, den VW Bus an die Schwiegereltern, also uns, verliehen zu haben. Wer allerdings von ihnen gefahren sei, könne er nicht sagen, denn die ihm eingeräumte Möglichkeit, sich die Frontfotos über das entsprechende Portal auf der Seite der Bußgeldstelle ansehen zu können, sei ihm wegen eines Programmfehlers nicht möglich gewesen.
Wumms! Das saß!
Inzwischen waren bereits mehr als 2 1/2 Monate vergangen. Weihnachten stand vor der Tür. Und ich hoffte insgeheim an ein nach weihnachtliches Geschenk in Form der so genannten Verfolgungsverjährung. Die wäre am 26. 12. 2021 eingetreten, wenn nicht das weitere Anhörungsschreiben am 29. 11. 2021 an unseren Schwiegersohn versandt worden war. So beginnt die Verjährung von 3 Monaten mit diesem Tag erneut zu laufen und endete am 29. Februar 2022 um 24.00 Uhr.
Nun hätte die Sachbearbeiterin in der Bußgeldstelle des Landkreises Rostock weitere Ermittlung zu der Person des Fahrers anstellen können. Sie hätte eine Anfrage an unsere hiesige Gemeinde starten können, um zu erfragen, in welchem Personenstand die benannten Eltern sich befinden. Sie hätte dann erfahren, dass wir verheiratet sind und unter der benannten Anschrift als gemeldet geführt werden. Dann hätte sie meine bessere Hälfte anschreiben können, um sie zu informieren, dass ein Bußgeldverfahren gegen sie eingeleitet worden sei.
Dieses alles ist nicht nur zeitaufwändig, sondern kostet zudem auch Geld. Geld, dass der Landkreis leichter aus solchen Fällen generieren kann, die eindeutig sind oder deren Bußgelder weit aus höher lagen als bei meiner Verkehrsübertretung.
Die Bußgeldstellen der Gemeinden und Kreise sind heutzutage personell chronisch unterbesetzt. Mitarbeiterinnen kosten Geld, Geld, dass dann wieder durch eben die Unzahl von Bußgeldverfahren wieder herein geholt werden muss. Deshalb werden solche Stellen regelmäßig durch Teilzeitkräfte besetzt. Diese stehen wegen der Vielzahl an Verfahren unter permanenten Zeitdruck. Weshalb sie nach dem ökonomisierten Opportunitätsprinzip verfahren. Will heißen: Lieber eine eher als geringfügig einzustufenden Tat nicht weiter verfolgen als einen gravierenderen Verstoß verjähren zu lassen, weil die Bearbeitungszeit dann fehlt.
Und so verjährte meine Missetat vom 26. 09. 2021 unwiederbringlich am 26. März 2022 um 24.00 Uhr.
Bei unseren demnächst anstehende Urlaub in Prerow auf dem Darß werde ich vor der stationären Blitzeranlage bei Bentwisch mit Sicherheit nicht mehr überholen, sondern ordnungsgemäß und artig höchstens 70 Km / h fahren.
LITMUS - Under The Sign Pt 1 & 2 - Planetfall - 2009:
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