Der Arbeiter - und Bauernstaat


 


Am 9. Oktober erinnerten die Medien an die erste, so genannte Montagsdemonstration in Leipzig, bei der zirka 70.000 Teilnehmer mit den skandierten " Wir sind das Volk! ", de facto das Ende des zweiten deutschen Staates einläuteten.

Nach 40 Jahren beerdigte sich das Experiment auf Teilen des Bodens, von dem ab den 1930er Jahren ein verbrecherisches Regime einen weiteren Weltkrieg vom Zaun brach, eine andere Gesellschaftsform zu formen, selbst.

Der nach 1949 gestartete Versuch, auf Grundlage der - eigentlich überholten - Lehre des Marxismus - Leninismus, scheiterte damit kläglich. Der real existierende Sozialismus, wie er sich als abschreckendes Beispiel in dem Nachbarstaat DDR zeigte, hatte allerdings nicht nur negative Seiten.  

So manche Bemühung, sich von dem kapitalistischen Westen, der BRD abgrenzen zu wollen, mutierte alsdann flugs zur Lachnummer.  

Ob es nun die Monster - Mähdrescher aus der ruhmreichen Sowjetunion waren, die sich als zu schwer erwiesen und deswegen auf den Böden zwischen Schwerin und Weimar oder Prenzlau bis Salzwedel regelmäßig liegen blieben. Oder die von dem großen Bruder UdSSR übernommene Offenstallhaltung bei Rindern und Kühen, die dazu führte, dass die Tiere während der harten Winter erfroren, waren nur einige Beispiele der sich insgesamt als ineffektiv zeigenden Planwirtschaft,

 Neben Versorgungsengpässen in vielen Bereichen der DDR - Wirtschaft, war es um die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung zu diesem Wirtschafts - und Gesellschaftssystem nicht sehr weit bestellt. So kursierten spöttelnde Sprüche, wie " Gluck, gluck! Mampf, mapf! Auch das ist Klassenkampf! ", " Mit der Sowjetunion siegen, will gelernt sein " oder der Edel - Propagandist des DDR - Staatsfernsehens Karl - Eduard von Schnitzler wurde mit " Karl - Eduard von Schni " verhohnepiepelt, weil der Zuschauer kurz nach dem Beginn seiner Sendung " Der schwarze Kanal " und noch während seiner Begrüßung das Röhren -  Fernsehgerät abschaltete, so dass dessen Name nur noch unvollständig zu hören war. 

Solche oder ähnliche, von dem Bespitzelungsapparat hinzunehmende Versuche, der staatlich verordneten Gleichmacherei, die in untauglichen Rechtfertigungsfloskeln, wie " Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit ", ihren Niederschlag fanden, entgegenzuwirken, konnte allerdings nur ein DDR - Bürger als solche erkennen. Für den Westdeutschen, der eher ahnungslos dem Treiben der Machthabenden zusehen musste und über die anti - kommunistischen Kampfblätter des Springer - Konzerns hierbei nur das Negative aus dem " Bruderstaat " zu lesen bekam, verursachte dieses, dem systemimmanenten und mit der Muttermilch aufgenommen Hang der arroganten Überheblichkeit und Überlegenheit gegenüber dem " Ostzonenbürger " weiter zu befördern. Solange, bis endlich die beiden geteilten Staaten wieder zusammen kamen.

Davor aber ereignete sich so viel Unangenehmes, Kurioses und Lustiges vor, zwischen und hinter der zu einem Hochsicherheitstrakt ausgebauten innerdeutschen Grenze. An den wenigen bestens bewachten Übergängen, der den " anti - faschistischen Schutzwall " durchlässig werden ließ, 

Begriffe, wie " Flucht ", " Flüchtling ", " Fluchthelfer " hatten ab dem 13. August 1961 bei den Deutschen im Westen durchaus einen positiven Anstrich. Mehr als 6 Dekaden später ist das längst nicht mehr der Fall. In Ost - und Westberlin wurden dazu noch Tunnle gegraben, um " Ostzonen " - Flüchtlinge die - nie grenzenlose - Freiheit durch die Flucht in die BRD zu ermöglichen.

Später wurden allerlei Fluchtvarianten ausprobiert, um in den goldenen Westen zu gelangen. Mit Schlauchbooten oder schwimmend gelangten einige wenige DDR - Bürger über die Grenze. Es wurden Ballons konstruiert, Rammfahrzeuge gebastelt oder auch Leitern gebastelt, um in das gelobte Westdeutschland zu gelangen.

Während die " Adolf " Springer - Medien solche Ereignisse zu nationalen Erfolgen hoch stilisierten, verschwiegen das staatlich kontrollierte Fernsehen oder das Partei - Propagandaorgan " Neues Deutschland " solche Aktionen geflissentlich, denn " Republikflucht " war eine Straftat und Kriminelle gab es nach offizieller Lesart der SED in dem sozialistischen Teil Deutschlands nicht.

Fluchtversuche mussten in jedem Fall unterbunden werden. Notfalls unter Einsatz einer Schusswaffe. 

So gebrieft versahen denn auch die vielen, viel zu vielen Soldaten an der innerdeutschen Grenze ihren Dienst an dem einstigen Monstrum, dass sich über 1.378 Km ( davon 161 um sowie in Berlin ) erstreckte. Allein die Kosten für das dort eingesetzte und verbaute Material soll sich auf zirka 120 Millionen Mark ( Ost ) belaufen haben. Hinzu kamen die Gelder für die 52.000 eingesetzten Soldaten. 

Und die waren handverlesen, der Partei zugehörig und / oder Stasi - Mitarbeiter. 

Nicht nur um das Gebilde zu unterhalten, musste die  Staats - und SED - Führung Devisen in die klammen Kassen hinein spülen lassen. So wurden auf den holprigen Transitstrecken von und nach Berlin oder zu Zeiten der Leipziger Messe regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt und zu flott fahrende Westler in ihren dicken Autos abkassiert. Für die Transitnutzung musste die BRD - Regierung jährlich Zahlungen bis 850 Millionen DM an die DDR leisten. Für einen Westler fielen weiterhin 25 DM je Tag als Zwangsumtausch ( 1:1 ) an.

Dass diese Alimentierung das Siechtum des zweiten deutschen Staates nur verlängerte dürfte vielen erst im Nachgang zu den Ereignissen von 1989 klar geworden sein.

Aber es gab auch Ereignisse, deren absurder Charakter mir heute noch ein breites Grinsen abtrotzt.

Da erzählte mir irgendwann während einer Klong - Fahrt im fernen Bangkok und dem Besuch des Goldenen Tempels ein Mitreisender aus Essen eine Geschichte, die uns die Lachtränen in die Augen trieben. 

Der Essener musste als Servicetechniker regelmäßig die Transitstrecke über Helmstedt - Marienborn nach Berlin ( West ). Hierbei wurde er wegen der häufigen Ein - und Ausreisen nach West - Berlin besonders intensiv von den DDR - Grenzern kontrolliert.

Allein dieser Umstand nervte den Mann ständig. Bei einer solchen Transitfahrt und Grenzkontrolle stellte er dem Uniformierten denn die Frage: " Ich wurde doch da vorne schon von dem Beamten kontrolliert. Warum jetzt noch mal? ". Der Grenzer, ein Stasi - Mann empörte sich sogleich und gab ihm barsch zur Antwort: " Wir haben hier keine Beamten. Wir sind ein Arbeiter - und Bauernstaat! "

Der Essener konterte den Uniformierten sogleich mit der Feststellung: " Na, gut, dann eben der Bauer da hinten! ".

So war er halt auch, der untergegangene Arbeiter - und Bauernstaat.



ONE WAY TICKET  -  Time Is Right  -  1968:




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