Mülheim Spezial - Teil I.
Vorgestern war es soweit. Der vor einigen Wochen - verbindlich - bestellte Volkswagen, Model ID 3 stand längst abholbereit auf dem Hof eines Vertragshändlers in Mülheim an der Ruhr,
Also stellte sich die Frage, wie der PKW von dort nach Eching gelangt.
Wir überlegten nicht so lange. Eine mögliche Fahrt mit dem noch zugelassenen Mazda X 30 konnten wir getrost als viel zu umständlich beiseite legen. Bei einer Strecke von angeblich 555,55 Kilometer ( https://www.luftlinie.org/Bayern/Mülheim-(ruhr) ). Genauer; 596 / 607 Kilometer ( nach " Michelin " berechnet ) beträgt die Fahrzeit mindestens 6 Stunden 17 Minuten bzw. 5 Stunden 46 Minuten. Diese - rein theoretischen - Daten treffen allerdings nur auf Verbrennerfahrzeuge zu, Für Elektro - PKW sieht da ganz anders aus, denn da müssen 20 Minuten Ladezeit raufgesattelt werden. Das würde nach Adam Ries bei 4 Stopps immerhin weitere 1 1/2 Stunden ausmachen je Fahrt ausmachen.
Nun, gut, wir sind Rentner. Wir haben Zeit!
Eine sinnvolle Alternative wäre die Bahn. Unsere Deutsche Bundesbahn,
So buchte meine bessere Hälfte über deren Portal eine Fahrkarte der Klasse 2 für an einem " Sparpreis / Supersparpreis " von knapp 86 Euro / Hinfahrt.
Am Dienstag, den 12. November 2024 begann als die Irrfahrt eines Kunden, der seit zirka 9 Jahren keinen Fernverkehrszug des Massentransporteurs mehr genutzt hat. Ja, es hat sich auch bei diesem Dienstleister mittlerweile vieles getan. Das Verkaufs - und Informationssystem ist erheblich verbessert worden. Auch das Reiseangebot wurde erweitert.
So startete ich denn an jenem denkwürdigen Dienstagmorgen ab 6.07 Uhr mit der S - Bahn von Eching auf Gleis 2 in Richtung unserer schönen Landeshauptstadt.
Aus dem warmen Haus musste ich allerdings eine Viertelstunde vorher. Sicher, ist sicher. Ich nahm das Damenrad meiner besseren Hälfte, das ich am Montag auf seine Verkehrstüchtigkeit überprüft hatte und radelte bei knapp 4 ° Celsius die knapp 2 Kilometer in Richtung Echinger Bahnhof. Dort stellte die betagte Chaise in den Radständer, den - vorbildlich und für viel Steuergelder - die Gemeinde vor einigen Jahren vor dem Gelände erbauen ließ, ab und schritt frohen Mutes in Richtung des gegenüberliegenden Bahnsteigs.
Zu dieser frühen Stunde sind noch nicht viele Menschen unterwegs. Die Anzahl der nach und nach eintrudelnden Bahnfahrer war überschaubar.
Die Bahn kam und dieses pünktlich. Der Zug gut befüllt. Vor allem mit müde aussehenden Mitfahrenden. Die überwiegend, so wie ich auch, nach München wollten. Pendler, halt!
So gelangte ich sicher zum Hauptbahnhof, der sich mir, so um kurz nach halb sieben, als von eilendenden Menschen gefülltes Gebäude zeigte. Ich nutzte die Rolltreppe vom Unterbau in Richtung der Gleise. Dort eilten Massen zu den einzelnen Bahnsteigen.
Ja, auch am 23. von 32 Gleisen herrschte emsiges Treiben. Hinter dem Grand Central Terminal in New York ist der Münchner Hauptbahnhof mit seinen 32 oben gelegenen und 2 unterirdischen Gleisen der zweitgrößte Bahnhof der Welt (!).
Ich folgte der Masse und stieg in den ICE 728 nach Essen ( Duisburg ) über Nürnberg - Würzburg - Aschaffenburg - Frankfurt - Köln - Düsseldorf - Duisburg - Essen ein und konnte sogar einen Platz ohne vorherige Reservierung sichern. Ein Wunder? Nö, denn der eingesetzte Zug zählt zu der neusten Generation, nämlich zu der Klasse der ICE 4. Mit den 12 Wagenreihen und vier Triebköpfen eine Länge von beinahe 400 Metern und verfügt 830 Sitzplätze.
Doch der gut frequentierte Zug erschien mir ein wenig eng geraten zu sein. Bis alle Damen und Herren vor mir ihre Gepäckstücke unfallfrei verstaut hatten dauerte es wenig. Ich erkannte dann aber einen freien Doppelsitzer, den kurz davor ein Mitreisender wieder aufgegeben hatte. Auf eine Nachfrage bestätigte dieser, dass die gegenüberliegenden Sitze frei seien. Kurz darauf sprach mich allerdings ein weiterer Mitreisender an und erklärte mir, dass beide Plätze ab Nürnberg besetzt seien. Bis Nürnberg? " Na, dass dauert ja noch eine Zeit! ", war meine Antwort.
" Nur, dass Sie Bescheid wissen. ", antwortete der mir. " Ja, aber klar doch. ", entgegnete ich ihm. Ja, ja, ich setze mich nicht auf reservierte Plätze, bleib ruhig, dachte ich dabei. Wenn ab Nürnberg die Plätze gebucht sind, sind sie von München bis zu diesem Haltepunkt frei! Wichtigtuer!
Der ICE " Duisburg " verließ pünktlich den zweitgrößten Bahnhof dieser Welt und schoss nach einigen Minuten mit zirka 165 Sachen auf den Gleisen in Richtung Nürnberg. Dort stoppte der ICE pünktlich um 7. 17 Uhr. Und, tatsächlich, es erschien ein Paar und begehrte die beiden Sitze. Okay, ich war vorgewarnt und verließ den Platz. Nicht aber, um dabei eine weitere, kleine Spitze loszuwerden.
Nun, gut, belegt ist belegt. Und so unterhielt ich mich weiter mit meinem Nachbarn, der jetzt neben mir saß. Es war ein gebürtiger Oberpfälzer aus Weide; ein verkappter Weltenbummler, der einen Flug von Frankfurt nach Tokio gebucht hatte. Und rechtzeitig ein Zug vorher eingeplant hatte. Dass war - wie sich später herausstellte, eine gute Wahl, denn bereits nach dem nächsten Halt in Würzburg folgte eine Durchsage, dass der ICE ab Frankfurt Flughafen einen Umweg über Koblenz nach Köln nehmen wird, weil auf der Strecke zwischen Frankfurt und Köln wegen eines " Notarzteinsatzes " blockiert sei.
Okay, wir schreiben November, das Jahr geht dem Ende zu, das Wetter ist trist - Zeit Abschied vom Leben zu nehmen?
In Frankfurt am Main war es dann soweit. Die Durchsage lautete sinngemäß: " Wegen eines Notarzteinsatzes auf der Strecke Frankfurt - Köln leiten wir Sie über Mainz - Wiesbaden - Koblenz - Bonn um. Dadurch verspätet sich die Ankunft um zirka 90 Minuten. Die weiteren Anschlüsse geben wir Ihnen dann bekannt. Wir bitten wegen der Unannehmlichkeiten um Entschuldigung ...".
Boah, damit wird es dann wohl nichts mehr mit einer Ankunft um 12:08 Uhr in Mülheim? Ich informierte meine bessere Hälfte per WhatsApp. Und sie rief das Autohaus an.
Danach begann ab Mainz eine wahre Bummelfahrt mit Zwischenstopps an der Rheintalstrecke zwischen Koblenz und Köln. Warum es es dort so schön? Ja, tatsächlich der Ausblick aus dem dahin schleichenden ICE, der bis zu 300 Sachen fahren darf, war schon imposant. Vater Rhein zeigte sich zwar genauso trübe wie es die stark verschmutzten Scheiben des dahin zuckeln ICE " Duisburg " waren, aber ich genoss die Schneckenfahrt in vollen Zügen. Ich war lange, sehr lange nicht mehr hier. Wohl um die 30 Jahre ist es her, dass ich mich mit einem Mandanten zum Amtsgericht Koblenz begab, dass dort einen Termin um 14.00 Uhr anberaumt hatte. Wir erreichten von Bremen aus nach knapp 5 Stunden die Stadt am Rhein gegen 13.30 Uhr - ohne Verspätung.
Nun, ja, das ist lange her. Es gab einst keine bezahlbaren Handys, nur den ICE 1, aber bereits CDs und immer noch VHS - Videokassetten. Denn eine solche kaufte ich für meine Tochter. " Peterchen´s Mondfahrt " - ein Märchenfilm. Dieses kam mir wieder in Erinnerung, als der ICE auf dem Koblenzer Hauptbahnhof stand und warten musste. Die Verspätung war immer noch gleich.
Dann zuckelte der ICE die Linke Rheinstrecke entlang und musste einen weiteren Zwangstopp in Bingen einlegen. Die ohnehin seit Jahrzehnten überlastete Strecke war wie ein Nadelöhr, durch dass sich nun weitere Züge von oder über Frankfurt durchquälen mussten. Dann hielt der Zug in Boppard. Die völlig genervte Zugbegleiterin entschuldigte sich nochmals für die auf 2 1/2 Stunden aufgelaufene Verspätung und empfahl den Reisenden in Boppard auszusteigen und in den Zug nach Hamburg - Altona umzusteigen. Sie könne nicht sicherstellen, ob " wir " überhaupt noch in Köln ankämen. Die weiteren Haltepunkte Düsseldorf, Duisburg und Essen waren längst gestrichen.
Dieses Angebot nahm ich zusammen mit weiteren Fahrgästen an. Da standen wir nun in Boppard am Rhein und warteten bei zirka 5 bis 7 Grad auf dem eher spartanisch ausgestatteten Bahnhof. Dann kam er endlich nach etwa einer Stunde, der ICE der Deutsche Bahn. Es wäre ein so genannter Sprinter gewesen. Doch er zuckelte die Linke Rheinstrecke genauso entlang, wie unser ICE 4 " Duisburg ". Immerhin bekam ich einen Sitzplatz. Und durfte wieder auf Vater Rhein hinab schauen. Der führte ordentlich Wasser mit sich.
Nach 16.00 Uhr kam der " Sprinter " in Köln an. Er fuhr dann weiter über Düsseldorf bis Duisburg. Dort stieg ich schon leicht geschwächt von einer Gesamtfahrtzeit mit fast 10 Stunden an. Ich stieg in den pünktlichen Regionalexpress RE 6 nach Minden / Westfalen ein und traf nach nur 7 Minuten ( ! ) in Mülheim an der Ruhr an.
Okay, ein Regionalzug ist kein ICE und besitzt nicht die Ausstattung, aber dafür auch Toiletten. Die Blase drückte in den ICEs wollte ich es nicht versuchen. Bei all den ungeplanten Zwischenstopps. Und bei der Menschenmasse, die dort bereits eingestiegen war, So verkniff ich mir den Gang zum WC und wartete bis der Mülheimer Bahnhof erreicht war und suchte die dortige Toilette auf.
Und auch dieser Gang verlief nicht ganz pannenfrei. Den von dem dortigen Drehkreuz - Automaten verlangte Eintrittspreis von 50 Eurocent konnte ich nicht zahlen, weil meine eingeworfene Münze dauernd durchfiel. Doch dieses Mal kam Hilfe in Gestalt einer dort wartenden Obdachlosen. Sie hebelte die Sperre aus und ließ mich hindurch schlüpfen.
Manchmal lassen sich Probleme auch auf unkonventionelle Weise lösen!
LAVA - Wold You Better Be Run - Tears Are Goin´Home - 1973:
Kommentare