Fliederzeit



Der April neigt sich dem Ende zu. Der Mai wird kommen, die Bäume schlagen aus. Allerdings sofern es genug regnet. Und Regen war in den letzten Wochen eher selten. Das war für unseren Fliederbaum nicht so gut. Er entwickelte nur langsam seine dazu sehr kurzlebige Blütenpracht. Doch jetzt, nachdem es einige ordentliche Regenschauer gegeben hat, haben sich die Blüten prima entwickelt. Durch das inzwischen dichte Laubkleid stechen sie nicht nur deutlich hervor, nein, es duftet auch sehr angenehm.

Beim Fotografieren erinnerte ich mich an jenen alten und weit ausladenden Fliederbaum, der im hinteren Gartenteil der Parterrewohnung zum Hausgrundstück Weizenkampstraße 81 in der Bremer Neustadt stand und während meiner nur kurzen Mietzeit dort immerhin zwei Mal im April prächtig blühte. Der ständige Regen brachte das schon betagte Gehölz bereits ab Mitte April zum Blühen. Sobald ich die Fenster zum Garten, der nur wenige Meter an einer viel befahrenen Auffahrt von der Neuenlander Straße, der Bundesstraße ( B ) 6, auf die aus Richtung Oldenburg / Delmenhorst kommende B 75 grenzte, öffnete zog der eindringliche Duft der sich rasch entwickelnden Blüten in die beiden Räume. Der Geruch des Flieders vermischte sich mit dem des Regens und der Dieselfahnen, die seitwärts von dem Straßenverlauf aus kommend, zu dem Hausgrundstück herüber waberte. Noch überwog der Fliederduft. Das änderte sich schlagartig, wenn ab 6.00 Uhr der Berufsverkehr eintrat und die Hunderte LKW, die beidseitig von der B6 auf die B 75 weiterfuhren.

Ich schloss dann die Fenster wieder. Der Fliederduft in den Räumen wurde bald von dem des aufgebrühten Kaffees überlagert. Ich setzte mich danach an den " IKEA " - Küchentisch, den ich von der Filiale in Stuhr bei Bremen zusammen mit anderen Möbelstücken geliefert bekam. Da ich als Sesselfurzer über ein eher überschaubares technischen Verständnis verfügte, erbarmte sich mein Schwager auf sanften Druck meiner Schwester, um die " IKEA " - Möbel zusammenzuschrauben. Der Schmidt'sche Kalauer des " Lebst Du schon oder schraubst Du noch? " traf hier vollends zu.

Nach wenigen Stunden hatte er, ein gelernter Schlosser, der technische Zeichnungen aus dem Effeff lesen konnte, sämtliche Möbel zusammengesetzt. Ich bedankte mich artig bei meinem Arbeitsbesuch. Geld hatte ich kaum, denn die Wohnungserstausstattung hatte mich beinahe 3.500 Euro gekostet. Das während des Studiums angelegte Guthaben auf einem Postsparbuch war arg geschrumpft. Meine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt beliefen sic auf beinahe Null. Die Zulassungskosten und die gemeinsame Gelder für das kleine Büro in der Brunnenstraße im Bremer Steintor musste ich über einen " Sparkassen " - Darlehen und eigenen eingeräumten Dispo - Kredit bestreiten.

Kein oder zu wenig Geld, eine geringe Berufsperspektive, aber dafür immerhin nach beinahe 12 Jahren die erste eigene Wohnung mit einem duftenden Fliederbaum im Garten. Ein kleiner Lichtblick in jene tristen Endachtziger. 

Der Flieder verblühte im Mai. Es wurde wärmer. Der Sommer stand vor der Tür. Ich fuhr ein Jahr später nach Norwegen. Der Flieder war zum zweiten Mal verblüht. Ich zog danach aus der Mietwohnung aus. Sie war zu klein für zwei, später drei Personen, denn ich hatte meine spätere Frau kennengelernt. Das Elend nahm seinen Lauf. 

Der Fliederbaum in der Weizenkampstraße 81 blühte und duftete immer noch. Nur nicht mehr für mich! 

C´est la vie! Das Leben ist eine einzige Berg - und Talfahrt. Es wäre ja sonst so langweilig?      


  


FLEETWOOD MAC  -  The Green Manalishi ( With The Two Prong Crown  ) - Then Play On  -  1969:




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