Das Ende einer Nacht : Am Ende schlecht gemacht.

Auf der Suche nach immer neuem Stoff für alt bekannte Themen, wird so mancher Drehbuchautor auch in den Niederungen der bundesdeutschen oder sogar internationalen Justiz fündig. Quoten geile Intendanten und über bezahlte Programmdirektoren sind ständig bemüht, sich von der Konkurrenz abzuheben. Das gelingt meistens nicht.

Die einfallslosen Kriminalserien, in denen der Mord, das Schießeisen und der SEK-Einsatz zum alltäglichen zählt, werden von keinem Glotzer mehr als besonders spektakulär empfunden. Auch die Weißkittel- Schmonzetten und abgegriffenen Klinik-Soaps biten längst nichts Neues.
Da könnte der Rückgriff auf eine Berufsgruppe hilfreich sein, die sonst eher im Verborgenen ihre Skandale produziert: die Justiz.

Die Ödnis der Gerichtsshows hat der Zwangsgebührenzahler und Brüll-Müll-Werbungsgeschädigte seit einigen Jahren durch wandert. Von den Ursprüngen ( ARD:  " Das Fernsehgericht tagt " ab 1961,  ZDF: " Ehen vor Gericht "  im Jahre 1970 ) über und " Streit un drei " bis zu den Versuchen der Privaten ( SAT 1: " Richterin Barbara Salesch ", " Richter Alexander Hold ", RTL: " Das Jugendgericht ", " Das Strafgericht " ) sind mittlerweile nur noch die SAT 1 - Sendungen übrig geblieben, die durch eine Zwittergestalt "Lenßen und Partner " ergänzt weren. Mit der Realität haben jene Billig - Produkte schon lange nichts mehr gemein.

Irgendwo dazwischen liegen die ungezählten Versuche, die enorme Bandbreite der Justizfälle cineastisch aufzupolieren, in Gestalt des Justizdramas. Einer jener Fersehbeiträge wurde am 26. 03. 2012 ab 20. 15 Uhr vom ZDF gesendet.
 "Das Ende der Nacht" handelt von einem Software-Millionär und SM-Praktiker mit subtiler Doppelbödigkeit. Weil in den ersten Minuten des Films eher eindeutige, auf Gewalt hinweisende Sequnezen eingespielt werden, wird der Zuschauer sofort zum " Judge Dredd " im Kleinformat. Er wünscht diesem Mann erst mal alles Schlechte auf der Welt. Tatsächlich wird der Muliti-Millionär von der sofort einschreitenden Polizei fest genommen. Ob dieses durch einen - im höchsten Einsatz für die angeblich verletzte Ehefrau - die Schlafzimmertür eintretenden Hauptkommissar erfolgen muss, erscheint einem Praktiker eher zweifelhaft. Meist sind es junge oder jüngere, den Nachtdienst schiebende Beamte, die zu solchen Einsätzen erscheinen.

Der cholerisch wütende Multimillionär mit Namen Lamberg wird in U - Haft genommen und dann von einem Rechtsanwaltsbüro aus Berlin vertreten, mit dessen Kanzleiinhaber er - wie selbstverständlich - eng befreundet ist. Gleiches gesellt sich hier schon zu Gleichen. Die Strafsache wird durchgängig auf aller höchstem Niveau abgewickelt. Es geht zwar in jenem Fall nicht um Mord und Totschlag, sondern um eine profane Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Lambert outet sich jedoch als Machtmonster eine Facette der Verletzlichkeit abzuringen. Wenn er verzagt schweigt, wenn er wie ein in die Enge getriebenes Tier hilflos um sich schaut, dann könnte man tatsächlich glauben: Ja, dieser Mann ist Opfer einer Intrige geworden.
Lamberg steht vor Gericht, weil seine Frau (Katharina Lorenz) behauptet, er habe sie vergewaltigt. Am Anfang des Films haben wir gesehen, wie die Polizei nach einem Notruf in die Wohnung des Paares eingedrungen ist. Er steht mit aggressiv aufgerissenen Augen und blutigem Bademantel an der Haustür, sie kauert mit Beulen im Gesicht auf dem Boden des Schlafzimmers. Die Lage scheint eindeutig. Aber die Zeugen, die den Abend mit dem Ehepaar Lamberg verbracht haben, berichten Widersprüchliches. Je länger der Prozess dauert, desto stärker wackelt die Anklage.
Hierin lassen die medien-wirksamen Verfahren gegen den einstigen ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann in der BRD und den noch spektakuläreren Prozess gegen Dominik Strauss Kahn in den Vereinigten Staaten durchaus erkennen.
Obwohl beide Rechtssysteme nur bedingte Gemeinsamkeiten aufweisen.

Das Finale dieses Films ist indes weniger dramatisch: Der Untersuchungshaftbefehl wird aufgehoben, der Multi-Millionär freigesprochen. Zweifel an seiner Unschuld blieben indes immer noch; selbst bei der unterkühlt und abgebrühten Verteidigerin. Eva Hartmann (Ina Weisse), die zwar auf die Unschuld ihres Mandanten pochen muss, weil sie von der Kanzlei so gepolt wurde und sie es auch einfach als ihre anwaltliche Pflicht sieht.Hartmann nimmt mit  kühler Präzision die Beweiskette der Anklage auseinander.
Das gelingt nicht jedem Pflichtverteidiger, zumal die dort zu erwartenden Gebühren, nicht eben die Motivation für eine engagierte Verteidigung fördert. Jedoch ist der wohlhabende Angeklagte alle Male willens und in der Lage, ihr vereinbartes Honorar zu zahlen.

Die Vorsitzende Richterin Katharina Weiss (Barbara Auer), die dafür bekannt ist, dass sie Männer besonders hart bestraft, zeigt sich in dem völlig überzogenen Duell zwischen beiden Frauen, dann doch als geschlagen. In dubio pro reo? Vielleicht. Vielleicht war es aber auch die solchen Verfahren intendierte Ungewissheit, durch den BGH eine schmerzende Abfuhr erteilt zu bekommen, in dem das Urteil kassiert und die Strafsache an eine andere Kammer eines anderen Landgerichts zurück verwiesen wird. Aua, denn das könnte bei der Beurteilung durch den Landgerichtspräsidenten als unmittelbarer Dienstvorgesetzer negativen Eindruck erwecken. So lässt sich die Vorsitzende in diesem Fall nicht von ihrer üblich harten Gangart gegen Männer mit Geld und Macht leiten, auch wenn sie das geliebte Recht, die Juristin sieht es von jenen bedroht, die glauben, es einfach mittels teurer Anwälte kaufen zu können, hier anders auslegen muss.

Die beiden Hauptbeteiligten des mutmaßlichen Verbrechens hatten bereits ein Mal versagt: Ob Strafverteidigerin Hartmann oder Richterin Weiss - beide sind bei aller beruflichen Erfüllung auch Opfer ihres Strebens nach Recht. So hat die Anwältin einst einen Vergewaltiger rausgeboxt, der in Wirklichkeit schuldig war und auf freiem Fuß eine weitere Tat beging, während die Richterin einen Unschuldigen in den Knast brachte, der dort fünf Jahre schmoren musste, bevor das Fehlurteil revidiert wurde.
Traum und Traumata des Rechtsstaats: die beiden Juristinnen tragen beides in sich - und versuchen beides gegeneinander auszuspielen. So wird dieser Fall um maskulinen Machtmissbrauch als Duell starker Frauen in Szene gesetzt, in dem Männer nichts zu melden haben. Immerhin, das riecht in diesem Versuch, ein zermürbendes Justizdrama zu zeigen, ein wenig nach Gerechtigkeit.

Der sonst immer gewählte Ausruf „Einspruch, Euer Ehren!“, den es im deutschen Strafrecht überhaupt nicht gibt, der.nur durch amerikanischen Gerichtsfilme geistert und in den deutschen Sprachgebrauch eingeflossen ist, kommt in dem Film nicht vor. Er wird heute aber gerne in schlechten bis  mittelmäßigen deutschen Filmen gebraucht. Gleiches gilt für den juristischen Begriff des Durchsuchungsbefehls, der bereits inflationär durch sämtliche Krimi-Serien georgelt wird, aber in der juristisch korrekten Begrifflichkeit " Durchsuchungsbeschluss " heisst. Weil es so gut klingt und einen Hauch von Internationalität vermitteln soll, vermischen einige juristische Laien, das anglo-amerikanische Recht mit dem hiesigen. Auch das Duell der Anklage gegen die Verteidigung, wird aber im bundesdeutschen Strafrecht auf einen Kampf mit ungleichen Waffen reduziert. Etwas, was das bundesdeutsche Strafrecht auf den Punkt bringt, was auch in Deutschland die Rechtsfindung ausmacht: ist das Tauziehen der beiden Parteien Staatsanwalt und Verteidiger ) um die Wahrheit. Der Richter als Ansprechpartner und Schiedsrichter dazwischen.
Nicht immer fällt das Urteil in der absoluten Gewissheit einer Schuld. Wenn der Angeklagte schweigt, sich die Zeugen widersprechen, das Opfer sich unglaubwürdig macht, der Tathergang unbeobachtet blieb, die Polizei bei der Beweisaufnahme ungenau war, die Staatsanwaltschaft Fehler macht, die Verteidiger geschickt sind, kommen wie im Fall Kachelmann erst Zweifel auf und dann Freisprüche zustande, die aus Mangel an Beweisen gefällt werden müssen. In dem neuen Film von Matti Geschonneck geht es genau darum. Und weil es ein kluger, präziser und sorgsam gemachter Film ist, kommt er ohne jede Andeutung auf das prominente Vorbild und ohne das „Einspruch, Euer Ehren“ aus.
Auch wenn es die zu oft und zu lange gezeigten außergerichtlichen Dialoge zwischen der Vorsitzenden Richterin und der Verteidigerin in jener epischen Länge kaum gibt, hebt sich der Film wohl tuend von dem sonstigen Einheitsbrei ab.
Nur das " Dicke Ende " verkommt eher in einem nebulösem Gewirr von Handlungssträngen und zeigt, dass der Freispruch aus dem blauen Himmel heraus auf den - ach so geschundenen - Millionario fällt.
Schade!
Seine Frau indes bricht nach der Urteilsverkündung zusammen und wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Wer hilft ihr danach, wenn sie das Geschehene nicht verarbeitet?

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