Liste des Scheiterns.
Als am Abend des 13. März 2012 ab 20.15 Uhr eine Wiederholung aus der ARD-Serie " Die größten Kriminalfälle " in dem Spartensender EinsFestival lief, wurde noch einmal die Schlecker-Entführung vom 23. 12. 1987 gesendet.
Es war eines der spektakulärsten Verbrechen der Nachkriegsgeschichte. Nicht etwa, weil die Tat besonders außergewöhnlich begangen wurde, sondern wohl eher, weil es einen mehrfachen Millionär und einen der bis dahin reichsten Unternehmer Westdeutschlands betraf.
Bereits zu Beginn der 80er Jahre durchzog die BRD eine Serie von bewaffneten Raubüberfällen mit Geiselnahme. Die Täter blieben unerkannt und wurden als bieder, höflich, zuvorkommend - und eiskalt, von einem Opfer beschrieben. Das Duo zeigte sich immer professionell. Es erbeutet bei Geiselnahmen und Banküberfällen damals rund 18 Millionen Mark. Die Polizei tappte im Dunkeln.
Am 23. 12. 1987, also kurz vor Weihnachten, landen die beiden ihren größten Coup.
Zusammen mit einem Komplizen überfielen sie den Drogeriekettenbesitzer Anton Schlecker in seinem Haus in Ehingen bei Ulm und entführen dessen Kinder. Sie gingen dabei zielstrebig, präzise und mit einer Bestimmtheit vor, die keinen Zweifel lässt, dass sie es ernst meinten. Doch bei den Verhandlungen über das Lösegeld für die entführten Kinder zeigten sich die Kidnapper flexibel und kooperativ. Am Ende begnügten sie sich mit " nur " 9,6 statt der ursprünglich geforderten 20 Millionen Mark. Dennoch erbeuteten sie damit die höchste Summe, die bis dahin bei einer Entführung gezahlt wurde - und verschwanden spurlos.
Trotz einer fast 100 Mann starken Sonderkommission fand die Polizei keine Hinweise auf die Täter. In ihrer Verzweiflung ermitteln die Beamten sogar im Kollegenkreis. Auch Anton Schlecker geriet in Verdacht. Hatte er die Entführung inszeniert? Zutrauen wollten ihm das einige Zeugen aus seiner näheren Umgebung. Doch alle Ermittlungen laufen ins Leere. Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass die Entführer noch einmal zuschlagen und einen Fehler begehen. Die waren längst über alle Berge.
Der eine, Wilhelm Hudelmaier, hatte sich nach Amerika abgesetzt, der andere, Herbert Jacoby war in seinem Heimatdorf Kesten in der Pfalz untergetaucht. Ein bürgerliches Leben mit Freundin, Haus und Hund erwies sich als perfekte Tarnung. Die beiden Männer verband eine vaterlose Jugend und viele vergebliche Versuche, mit redlichen Mitteln Geld zu verdienen. 1975 hatten sie zusammen ihre erste Bank überfallen. Nach einem Dutzend weiterer Raubüberfälle auf Banken und Geldtransporter hatten sie sich auf Geiselnahmen und Entführungen verlegt und damit Millionen erbeutet.
Ein Nachbar von Wilhelm Hudelmaier, der selbst aus dem schwäbischen Dorf Schlichten kam, erzählte damals, dass er diesen nach seinem Beruf fragte:
" Wilhelm, was schafft´s eigentlich? ", wollte er von ihm wissen. Hudelmaier antwortete süffisant: " Weischt, ich bin a Anlageberater. I verteil´ die Reichtum von obe´ nach unte´!"
Aber sein Reichtum war nicht von Dauer. Hunderttausende verlieren Jacoby und er, denn sie hatten sich bei Spekulationen an der Börse und bei zweifelhaften Immobiliengeschäften verzockt. Nach 10 Jahren waren auch die Schlecker-Millionen aufgebraucht. Zeit für einen neuen Coup.
1998 überfielen die beiden den Direktor der Ehinger Volksbank, einen Nachbar Anton Schleckers, und erpressten knapp 2 Millionen Mark. Wieder ist das Verbrechen fast perfekt vorbereitet, wieder haben die Täter alle Spuren beseitigt, wieder tappt die Polizei im Dunkeln. Doch dann machten sie den entscheidenden Fehler. Jacoby rief aus einer Telefonzelle nacheinander einen Verwandten des Opfers und dann seine Freundin an. Die Polizei kann den ersten Anruf zurück verfolgen und kam über die zweite Nummer auf die Adresse der Freundin.
Der Festnahme folgte ein rasches Geständnis. Im März 1999 wurden die beiden inzwischen 64 und 60 Jahre alten Männer zu je dreizehneinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Film dokumentiert dieses einmalige Verbrechen in der Kriminalgeschichte der Bundesrepublik und erzählt, wie es den beiden unscheinbaren Männern gelingen konnte, die Polizei 23 Jahre lang an der Nase herumzuführen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Hudelmaier
Ausgerechnet Schlecker, der größte Sklaventreiber und Pfennigfuchser der 80er Jahre wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Aus der heutigen Sicht, nämlich beinahe 25 Jahre nach der Tat, fragt sich der Glotzer schon, woher ein Unternehmer aus dem Stegreif 9,6 Millionen Mark aufbringen kann. Schlecker war damals schon so vermögend, dass er eigentlich seine Drogeriemarktkette hätte nur weiter betreiben müssen, um davon in Luxus leben zu können.
Aber, der Anton aus der schwäbischen Provinz ist nun einmal ein Geizkragen, Menschenschinder und Linkenhasser, ein Feind der Arbeitnehmerrechte, der Gewerkschaften und der Mitbestimmung. Ein Kapitalist alter Prägung ohne soziales Gewissen, ohne Verantwortung für seine vielen tausend Mitarbeiterinnen und ohne Zukunftsvisionen.
Seine maßlose Gier wurde ihm nun zum Verhängnis. In den 90er Jahren, expandierte der Schlecker-Konzern. Er kaufte Konkurrenten und sich von anderen Konzernen weitere Ketten auf. Das Schlecker-Imperium wurde größer, ehe es 2012 implodierte. Nach drei Jahren angeblicher Verluste, ließen die inzwischen seit 10 Jahren im Konzern tätigen Kinder des Patriarchen beim Amtsgericht in Ulm am 23. Januar 2012 für die Konzernteile Anton Schlecker e.K. und die Tochtergesellschaften Schlecker XL GmbH und Schlecker Home Shopping GmbH beim Amtsgericht Ulm einen Insolvenzantrag. Zunächst hatte es geheißen, dass die Tochter IhrPlatz von der Insolvenz nicht betroffen sei. Diese stellte jedoch am 26. Januar 2012 ebenfalls einen Insolvenzantrag. Dies ist somit bereits die zweite Insolvenz von Ihr Platz.
Am 14. 03. 2012 veröffentlichte nun der Insolvenzverwalter eine Liste mit rund 2.100 Filialen, die geschlossen werden. In Dresden sind es 12 Filialen, die ihre Türen für immer dicht machen. In anderen Großstädten werden bis zur Hälfte der Filialen schließen müssen.
http://www.faz.net/dynamic/download/120314_Schliessungen-Schlecker.pdf
Jetzt schrumpft zusammen, was zu groß geworden ist. Natürlich werden verschiedene Rettungsversuche unternommen, um den Konzern am Leben zu erhalten. So wurde bei der staatlichenKreditbank für Wiederaufbau (KfW) ein Überbrückungskredit von 75.000.000,-- € beantragt. Eine Verzwifelungsaktion, die nach außen den Anschein erwecken sollte, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Arbeitsplätze zu erhalten.
Die Planinsolvenz bedeutet zwar nicht, dass der gesamte Konzern abgewickelt und liquidiert wird, sondern er soll so neu aufgestellt werden, dass er langfristig auf dem Markt weiter existieren kann.
Eine große Aufgabe, die sich der Insolvenzverwalter Arndt Gleiwitz aus Stuttgart dort aufgebürdet hat. Seine Analyse zum Ist-Stand des Konzerns fiel vernichtend aus. Anton Shlecker hat seinen Betrieb seit 1975 patriachalisch geführt. Veränderte Managementmethoden waren ein Fremdwort. Das in den 80er Jahren entwickelte Konzept der flächendeckenden Präsenz war bereits eine Dekade danach längst überholt.
Die Billigheimer-Methode, mit der sich Schlecker durch den Werbeslogan " Niemand verkauft mehr " rühmen wollte, wurde vom Bundesgerichtshof als unzulässig angesehen. Schlecker musste den Zusatz ( in Deutsche Mark ) hinzusetzen. Später war er mit dem Slogan " modern - preisberühmt ", als eigentlich schon fest stand, dass seine Konkurrenten in vielen Bereichen günstigere Preise offerierten und deren Verkaufsflächen ansprechender angelegt waren.
Schlecker lief der dem Zeitgeist hinterher. Hinzu kam ein ramponiertes Image durch ständig neue Vorwürfe der Mitarbeiterinnen und der Gewerkschaft Ver.di, die öffentlich diskutiert wurden und dazu führten, dass sich der Konzern in einem permanenten Rechtfertigungszwang befand. Eine Unzahl von Rechtsstreitigkeiten begleiteten dieses Negativimage.
Der versuchte Wandel, die angelegte Kehrwende ist zu spät eingeleitet worden. Viele Drogeriemarktkunden hatten sich längst abgewandt. " For you. Vor Ort ", ein Hilfeschrei in dem unerträglichen " Denglisch " der Verdummungswerbung ist ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Gigant der 80er Jahre Schiffbruch erlitten hat. Ein " SPIEGEL "-Leser formulierte es zutreffender: " Vor you. Vor Ort. Vorbei. "
Dem ist nichts hinzuzufügen!
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