Die Ehre und der Sold.



Rumoren am Spreeufer. Auf der vom Schloss Bellevue abgekehrten Seite hatten sich am 8. März 2012, dem " Weltfrauentag " ( ausgerechnet der ) mehr als 1.000 Berlinerinnen und Berliner eingefunden, um dem Großen Zapfenstreich des scheidenden Bundespräsidenten Christian Wulff beizuwohnen. Nicht, um diesem zu applaudieren oder aus reiner Neugierde, nein, diese Damen und Herren gaben ihrem Unmut freien Lauf, weil siedas Brimborium zur Verabschiedung von Wulff als unangemessen empfanden.
Unangemessen ist für weit aus mehr Bundesbügerinnen und Bundesbürger aber auch der dem aus dem Amt geschiedenen Bundespräsidenten zustehenden Ehrensold der in Höhe von 199.000 Euro jährlich.
Während der Große Zapfenstreich abgespult wurde, tröteten die ausgeschlossenen Zuschauer, die Zaungäste am anderen Ufer der Spree mit ihren Vuvuzelas, lärmten mit den Trillerpfeifen und schlugen pausenlos die mitgebrachten Trommeln. Zu vernehmen waren auch Unmutsäußerungen, wie " Schande " oder " Pfui ".

Die anwesende Bundeskanzlerin fragte denn gleich leicht irritiert, was das denn sei. Wahrscheinlich ist ihr Mitarbeiterstab auch nicht vorgewarnt worden. Da standen sie nun, Merkel, Wulff, Seehofer, de Maiziere; ihre Mienen versteinert, ihre Blicke starr nach vorne gerichtet und ließenden Großen Zapfenstreich verstreichen. Wulff in der Gewissheit, dass er bis zum Lebensende ausgesorgt hat. Deshalb, weil es den Ehrensold gibt. Eine Wohltat des Deutschen Volkes für die guten Dienste des Bundespräsidenten. Nur: Hat sich Wulff diesen verdient?

Die Mehrzahl der befragten Bundesdeutschen verneint dieses. Allerdings werden sie nicht befragt, wenn es um die Bewilligung der Gelder, die vom Bundespräsidialamt über das Bundesfinanzministerium bewilligt werden, geht.

Weil der verarmte Wulff nicht länger arm sein darf, wurde ihm der Ehrensold bewilligt. Ganz zur Freude des MDR Info- Kommentators Michael Götschenberg, der doch glatt behauptete, Wulff bekäme den Ehrensold deshalb, weil ihm als scheidenden Bundespräsidenten ein Arbeitsmarkt nicht offen stünde und er eben nicht in einem anderen Beruf tätig sein könne.Über den Ehrensold soll auch vermieden werden, dass sich Alt-Bundespräsidenten in Vorstandsetagen diverser Konzerne hinein hieven lassen. Und sich dafür - wie in dem von ihm benannten Fall des Ex-Bundeskanzlers Schröder, der bei " GAZPROM " einstieg - noch eine öffentliche Schelte einhandeln. Mensch, Götschenberg, woher kommt denn dieses an den Haaren herbei gezogene Argument. Aus der CDU/CSU-Pfründe - und Besitzstandswahrer - Clique?


 http://www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_journal/audio82746-popup.html

Meister Götschenberg verkennt, dass Wulff studierter Volljurist ist, vom Alter her schon deshalb auch in irgendeiner Rechtsanwaltskanzlei wieder aufgenommen werden könnte und über ausgezeichnete Kontakte zu Spezies a´la Maschmeyer, Gerkens und weiteren CDU-Granden verfügt. Wulff muss sich nicht bei einer anonymen Fallmanagerin einer ARGE in Hannover melden und um Jobvermittlung ersuchen.Wulff bekommt zunächst ein Übergangsgeld. Auch dieses ist ein Privileg, dass 90 % der sonst Erwerbstätigen nicht in Anspruch nehmen können, weil nach einer Kündigung, einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im günstigen Fall, eine Abfindung gezahlt wird. Geht der Laden in die Insolvenz, so wie bei " SCHLECKER ", " IHR PLATZ " oder " QUIMONDA " gibt es keinen Cent für oft langjährige Treue.

Nun wollte der Kommentator Götschenberg nicht - wie viele Kollegen vor ihm - in seinem Kommentar zum Abgang von Wulff in die gleiche Kerbe schlagen und den Ex-Bundespräsidenten nieder schreiben oder ausnahmslos kritisieren. Sein gesendeter Standpunkt zur Causa Wulff trieft vor Ausgewogenheit. Nun, ja, der MDR ist schließlich der CDU nahe einzuordnen, da werden keine Nestbeschmutzer geduldet. Außerdem ist auf Wulff und seine Amigo-Politik schon genug herum gehackt worden.

Als am 11. 03. 20114 ab 21.45 Uhr unser aller Gunter Jauch zum " small talk " bat, wurde noch einmal " gewulfft ". Die geladenen Gäste sollten sich zu dem Thema "Der tiefe Fall des Christian Wulff - wie gelingt ein Abschied in Würde " äußern. Um es gleich vorweg zu nehmen, der Talk war öde. Nicht, weil das Thema schon ausgelutscht war, sondern weil es mit anderen Themen vermischt wurde. Da wurde neben dem CDU-Grandler Peter Altmaier, dem Abgeordneten der " Linken " Bodo Ramelow, die " TAZ " - Chefredakteurin Ines Pohl, der einstige Bürgermeister der Hansestadt Bremen Henning Scherf, auch der Musiker Heinz Rudolf Kunze geladen.

Scherf und Kunze sind über Jahre mehr oder weniger mit Wulff gut bekannt. Von daher war kaum Kritik an dem gesamten Verhalten des Ex-Bundespräsidenten und Ex-Ministerpräsidenten aus Niedersachsen zu erwarten. Altmaier ist Parteifreund und zeigte sich schon deshalb eher als Verteidiger des ehemaligen Bundespräsidenten. Einzig Ines Pohl und Bodo Ramelow formulierten kritische Gedanken zu der Affäre Wulff.
So plätscherte die Sendung dahin. Die Fakten waren eh bekannt, denn die Berichterstattung zum Thema Wulff und der Umgang mit Vergünstigungen hatte den politisch Interessierten seit Wochen fast täglich begleitet.  Dennoch wurde der eigentliche Grund für den unrühmlichen Abgang eines provinziellen Berufspolitikers als Bundespräsident nicht benannt.
Wulff hat sich die falsche Frau zum falschen Zeitpunkt gewählt.

Ein Kommentar in der Ausgabe der Sächsischen Zeitung vom 10./11. März brachte es genau auf eben diesen Punkt. Grund für die Wulff´schen Verfehlungen war nicht seine Blauäugigkeit gegenüber den Medien, sondern seine Ehescheidung und die sofortige Wiederheirat mit Bettina Körner. Sie ist das ausschlaggebende Moment in der Kette der ihm später vorgeworfenen Freundschaftsdienste und erhaltenen Vergünstigungen. Wulff war pleite. Er wollte jedoch der wesentlich jüngeren Frau ein luxuriöses Leben bieten. Das ging nur, in dem er sich Geld zum Hauskauf pumpte oder er es - wie von einigen Teilen der Medien vermutet - sich schenken ließ.
Das Einfamilienhaus in Großburgwedel ist allenfalls 320.000 bis 350.000 € wert. Selbst wenn dort einige bauliche Veränderungen und sicherheitstechnische Maßnahmen vorgenommen worden sein sollten, kommt ein Kenner der Immobilienszene allenfalls auf einen Wert von 400.000,-- €. Was also hat Wulff mit dem Restbetrag von mehr als 100.000,-- € gemacht?

Nun, wer nicht ganz lebensfremdZugewinnausgleich zu leisten. Wulff hatte das Geld jedoch nicht und musste es sich von seinem Freund Gerkens leisten. Der wiederum wird dieses sicherlich nicht aus purer Freundschaft zu Wulff und für nur 4 % p.a. zur Verfügung gestellt haben.

Der weitere Ablauf der Affäre Wulff ist bekannt. Da waren die Umschuldung zu sensationell günstigen Konditionen, da waren die zwischenzeitlichen Luxus-Aufenthalten bei Maschmeyer, mit Groenewold auf Sylt, auf dem Oktoberfest. Da waren die verbalen Ausraster gegenüber den " BILD "-Zeitungsangestellten Döpfner und Diekmann, denen er die Handy-Mailbox voll quatschte, weil er sich ungerecht behandelt fühlte und Wulff sich selbst wichtiger nahm, als er in Wahrheit ist.Wulff fabulierte in seiner offenkundigen Erregung wegen der geplanten Berichterstattung der " BILD " zu seinen Besonderheiten bei der Hausfinanzierung von " Krieg führen ".Die Reaktion aus dem Hause Springer folgte auf dem Fuß. " Wer mit der Bild im Aufzug nach oben fährt, fährt mit ihr auch wieder nach unten ", frozzelte Döpfner wenig später.
Wulff hatte sich zu diesem Zeitpunkt nicht nur selbst überschätzt, sondern er hat das einst eher loyale Verhältnis zwischen dem Boulevardblatt und ihm als eine Art Freundschaft betrachtet.
 Wohl deshalb, weil das Organ der flachen Berichterstattung für Flachdenker sonst nicht zimperlich mit selbst hoch gejazzten Prominenten umgeht, wenn es um deren Privatleben geht.

Es kam so, wie es in vergleichbaren Fällen immer so kommt: Wulff musste medial Spießruten laufen.
Aus dem durch das Nachrichtenmagazin " Der SPIEGEL " im Sommer 2011 vor dem Bundesgerichtshof erstrittenen Recht auf Einsichtnahme in die Grundbuchakte des Wulff´schen Grundstücks in Großburgwedel, wurde eine sogenannte " Medienaffäre ".
Aus dieser entwickelte sich die " Affäre Wulff ".

http://de.wikipedia.org/wiki/Wulff-Aff%C3%A4re

Wulff war gegenüber den Medien ein Naivling. Statt mit ihnen zu kooperieren und die Wahrheit, die er ja einige Zeit zuvor in einem Buch als Handlungsmaxime jedweden politischer Tätigkeit gefordert hat, zu sagen, eierte Wulff herum, verstrickte sich in Widersprüchen, wurde des Lügens überführt. Die Medienmeute ist gnadenlos, wenn es um die Aufdeckung von Skandalen geht. Er hätte jedoch stutzig werden müssen als die " BILD " - Zeitung von ihm die Nennung des Kreditgebers seiner Hausfinanzierung verlangte, denn bereits zuvor war klar, dass sich die Journalisten nicht mit der Feststellung zufrieden geben, wonach eine Eigentümergrundschuld auf Wulffs Anwesen lastet.

So wurde - nachdem fest stand, dass Wulff ein Privatdarlehens von den Eheleuten Gerkens erhalten hatte - denn auch in seiner Vergangenheit als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen herum geschnüffelt. Und die Rechercheure wurden fündig.
Neben den diversen Vergünstigungen, die er und seine jetzige Frau Bettina von angeblichen Freunden erhalten hatten, kamen auch weitere Privilegien ans Tageslicht. Da war es ein Leasingvertrag über ein noch nicht auf dem Markt befindlichen PKW, den Bettina Wulff exklusiv fahren sollte, da war es ein geschenktes Kinderauto " BobbyCar ", dass die Wulffs als kleine Aufmerksamkeit von einem Autohaus erhielten, da waren es Designer-Kleidungsstücke der gehobenen bis Luxuspreisklasse, die Bettina Wulff wohl kostenfrei tragen durfte.
Mosaikstein für Mosaikstein entwickelte die wild gewordene Journalistenmeute ein Bild von dem Bundespräsidenten und dessen Gattin, dass diese als Schnäppchenjäger, Schnorrer und Nassauer entlarvte.
Der Hauch eines Luxuslebens auf Staatskosten, eines Glamourpärchens, das sich von reichen Unternehmerfreunden aushalten lässt, weil es sich dieses Luxusleben wegen der Ehescheidung des Mannes eben nicht leisten konnte, begleitete die Wulffs bereits vor seiner Ernennung zum Bundespräsidenten.

Wulff hat noch vor 12 Jahren, als er mit der Pferdenärrin Christiane verheiratet war, die Messlatte für das Handeln von Politikern sehr hoch gesetzt. Gegenüber den ins mediale Zwielicht gestellte Vorgänger Johannes Rau sprach er die Forderung nach dessen Rücktritt aus, als ein vermeintlicher Mißbrauch der präsialen Flugbereitschaft zu privaten Zwecken ruchbar wurde. Bei seinem Vorgänger als niedersächsischer Ministerpräsident, dem SPD-Mann Gerhard Glogowski tat er das gleiche, nachdem eine gekaufte Feier des Niedersachsen aufgedeckt wurde. Bei der Ex- Umweltministerin in Niedersachsen Monika Griefhahn hieb Wulff in die Korruptionskerbe, als deren vermeintliche Verquickung zwischen ihrem Unternehmer - Ehemann und Aufträgen bei der EXPO 2000 in Hannover problematisiert wurden.
Seinem Parteifreund Kanther, einstiger Innenminster des Landes Hessen, wollte Wulff nur noch stark verkürzte Pensionszahlungen zugestehen, weil dieser sich im Zuge der CDU-Spendenaffäre in Hessen wegen Untreue und später wegen Betruges zu verantworten hatte und aufgrund eines Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 25. 09. 2007 zu einer Geldstrafe zu 300 Tagessätzen a´180,-- € rechtskräftig verurteilt wurde.

Wulffs hohe moralische Wertvorstellungen gingen jedoch spätestens mit der Scheidung von seiner Frau Christiane und während der Liaison und der folgenden Heirat mit Bettina Wulff  sukzessive verloren. Wulff mutierte zu einem Lebemann im Maßanzug und verlor die kritische Einstellung zu den gefährlichen Untiefen zwischen Wirtschaft, Privatleben und Politik.

Auch die eher ungeschickten Aktionen und Auftritte während seiner Amtszeit als Bundespräsident lassen erkennen, dass Wulff sich nicht von seinem - aufgrund der politischen Erfahrung - Verstand , sondern den zarten Banden zu seiner durchaus attraktiven Frau Bettina, hat leiten lassen. Er duldete es, dass diese für seine Kinder ein " Kinderparadies " in seiner Dienstvilla in Berlin hat einbauen lassen, wobei der Umbau 800.000,-- € verschlang, dass seine Tochter aus erster Ehe zusammen mit dem offiziellen Tross auf die Israel-Reise mitgenommen wurde - was er später als geschichtlichen Lernprozess der Folgegeneration darstellen wollte - und das sein " Tinchen " hinter dem Dienstschreibtisch in dem Amtssitz Schloss Bellevue thronen durfte, um zu suggerieren, dass sie eben die " First Lady " in diesem, unserem Lande sei.
Was als Bürgernähe gezeigt werden sollte, was möglicher Weise als ein moderner, vielleicht non-konformer Präsidialstil herüber gebracht werden sollte, entpuppte sich als ein Hauch von Klüngel mit Luxusansprüchen.

Wulff ist nun verabschiedet, der Streit und die aufgebrachten Bürgerinnen und Bürger, die seinen juristischen Winkelzug, der den Anspruch auf den Ehrensold begründen soll, wütend und verständnislos kommentieren, zeigen ihm jedoch, dass er kein guter Bundespräsident war; auch wenn die CDU-nahen Journalisten und - wohl aus Häme heraus - titelnden Gazetten, dieses nun ein wenig anders sehen.
Ein Abgang in Unehre, der jetzt auch noch vergoldet besoldet wird.
Die BRD 2012; ein Staat der staatlich alimentierten Parteikarrieristen!

Die Medienmeute darf sich jetzt einem anderen Thema widmen.

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