" Dreimal umgezogen ist...."
Das Leben, das Dasein des gemeinen Erdenmenschen kann oft eine Baustelle sein. Zumeist wird dort an irgendwelchen Stellen an dem Lebenshaus herum gewerkelt. Das Fundament wird zwar durch die Geburt und die Kindheit sowie das Elternhaus gelegt, doch die anderen Aufbauten des Hauses hat - in der Regel - der junge Mensch selbst zu erstellen. So könnte die Schulausbildung sowie ein mögliches Studium als erste Etage zu sehen sein, der zweite Stock wäre dann der Beruf und der Dachstuhl mit der Bedachung wäre das Alter.
Ein Bewohner ist sicherlich bestrebt, das von ihm einmal hoch gezogenen Lebenshaus in seinen Grundfesten nicht zu verändern; zumal die Familie und andere Mitmenschen in ihm wohnen sollen. Diese zählen wohl eher auf Sicherheit, Solidität und Kontinuität. Deswegen wäre es ratsam, am dem erbauten Haus seines Lebens allenfalls Renovierungs - vielleicht noch Sanierungsarbeiten vorzunehmen.
Ein Aus - oder Umzug ist eher nicht angesagt. Doch so mancher Erdenbewohner, der sein Leben zu meistern gedenkt, kommt dann und wann nicht drumherum, sich eine neue Bleibe suchen zu müssen, weil just unvorhergesehene Lebensumstände ihn dazu zwingen.
Tatsächlich ist es gar nicht so selten, dass jener Umzug in eine andere Unterkunft, gleichzeitig erhebliche Veränderungen nach sich zieht. Da lautet ein altes Sprichwort: " Dreimal umgezogen ist einmal abgebrannt. " oder als Variante dessen: " Dreimal umgezogen ist so gut wie einmal abgebrannt. "
Die Bedeutung jener Plattitüde lässt sich damit erklären, dass mit jedem neunen Umzug ein Teil des Hausrats, des persönlichen Habes, verloren geht bzw. gehen könnte.
Benjamin Franklin erkannte deshalb richtigerweise: " Three removals are as bad as a fire. "
In dem Zeitalter der hochkomplexen, globalen Beziehungsstruturen muss das obige Sprichwort, jene Lebensweisheit, relativiert werden. Der moderne Mensch ist häufig in einer modernen Gesllschaft gehalten, sein Heim mehr als nur drei Mal zu verlassen. Oft schafft er sich vielleicht erst gar keines an, weil er damit rechnet, unisono nur eine gewisse Zeit dort verbringen zu können. Aus dem, vor noch 3 bis 5 Dekaden Seßhaften, ist längst ein Zivilisationsnomade geworden. Ein rast - und ruheloses, menschliches Wesen, was ständig irgendetwas für irgendjemanden hinterher jagt. Ein Fleisch gewordener Unruheherd mit Jagd - Sammel - sowie Herdenistinkt.
Da las ich in der Ausgabe 48 des " SPIEGEL " - Jahrgangs 2015, einen kleinen Aufsatz, einige Gedanken zur Zeit des Hamburger Redakteurs Nils Minkmar, der auf Seite 133 unter der Überschrift " Zapf, der Philosoph " erklärt, warum ein Umzug zum Bestandteil des Lebens zählt. Der Journalist gibt hierfür einleuchtende Beispiele. Wenn Menschen nicht nur berufsbedingt umziehen, weil die Familie sich vergrößert, wenn Kinder wieder ausziehen oder auch wenn die Wohnung, das Haus einfach zu teuer wird und die älteren Menschen - sodann als Rentner - zum Umzug gezwungen werden.
Umzug bedeutet persönlicher Stress, der - so eine Aussage des Berliner Unternehmers Klaus Zapf, der den gleichnamigen Speditionsbetrieb gründete und leitete - nur mit dem Tod eines nahen Angehörigen und einer Scheidung gleich zu setzten wäre. Eine durchaus philosophische These, die sich indes nur zu oft bestätigt. Ein Umzug ist in der Tat ein neues Leben. Ein Umzug kann aber nicht immer ein Neuanfang bedeuten. Ein Umzug muss auch nicht ein Ortswechsel sein.
Es gibt Menschen, die ziehen zwar um, jedoch nur, eine Wohnung, ein Haus, eine Straße weiter. Oder sie verlegen ihre Wohnadresse innerhalb des gleichen Dorfs, des Ortes, der Stadt. Dann gibt es viele, die innerhalb der Region, des Bundeslandes oder des Staatsgebietes umziehen. Weltenbummler sind indes eher selten, aber es gibt sie und: Deren Zahl nimmt dramatisch zu. Ob nun aus Berufsgründen, familiären Erwägungen und einer Mischung aus beiden Komponenten, spielt dabei keine Rolle.
Nein, ein Umzug ist auch eine logistische Herausforderung, wenn das so genannte Sack und Pack eine gewisse Dimension übersteigt. Wenn ganze LKW - Ladungen zu transportieren sind. Wenn Bücher, Tonträger oder Haushaltswaren ein gigantisches Ausmaß annehmen. Ob nun mit oder ohne professioneller Hilfe, ein Umzug ist ein einschneidendes Ereignis. Eine zunächst ungewohnte Umgebung, ein neues Wohnumfeld, eine andersartige Raumaufteilung. All dieses ist eben gewöhnungsbedürftig.
Da könnten es die Menschen, welche ihr irdisches Dasein ausgehaucht und die viel zitierte, letzte Ruhe eingenommen haben, eigentlich vollends mit einer Seelenruhe betrachten, was so rundherum an der letzten Ruhestätte unter den Lebenden abläuft. Doch weit gefehlt.
In unserer Moneten geilen, nach Profit und materiellen Reichtum fixierten Gesellschaft, hat auch der letzte Ort, seine Befristung. So, wie es in den justitiellen Verfahren regelmäßig der Fall ist, gelten nunmehr auch dort Fristen. Da muss auf den schon privatisierten Friedhöfen, dieses, unseres Landes, ein Angehöriger, der zunächst immense Summe zu, während und nach der Beisetzung seines verblichenen Angehörigen auszugeben hat, weil die von den Gesetzen legitimierte, dort absahnende Industrie, jene Kosten in astronomische Höhen treiben darf - sofern es das Konto des Verstorbenen und der Angehörigen zu lässt, mit weiteren Beschränkungen rechnen.
Ruhegrund ist, wie Baugrund auch, in Ballungsgebieten kostbar, weil rar und teuer. Deshalb lassen sich die Abzocker unter dem Deckmantel der Pietät, immer neue Methoden einfallen, um ihre Dienstleistungen ordentlich bezahlt zu bekommen. Friedhöfe, die als versteckte Profitcenter von Profitgeiern betrieben werden, geben dem Verstorbenen nur noch befristete Ruhezeiten, die zudem mit saftigen und steigenden Tarifen verknüpft sind.
Nix da, mit der Ewigen Ruhe auf dem Friedhof für vielleicht 30 oder zumindest 20 Jahren. Hier wird jetzt auf kurze Zeit gepachtet. Wer keine Knete mehr hat, der muss räumen. Business as usual, auch in diesem, eigentlich allerletzten Refugium, dass nach der - nicht nachgewiesenen - Ewigkeit des Seelen - Seins folgen soll. Moneten regieren, mehr denn je, die Welt. Auch dort, wo die sterblichen Überreste des zuvor Fleischgewordenen, ihre Aufbewahrung erfahren. Einst gab es den Ewigen Kreislauf von Geburt - Leben - Tod im Zeitraffer. Wer vor einigen Hundert Jahren eine Vier vor der Altersangabe vorwiesen konnte, durfte sich zu den eher Privilegierten zählen. Dahin gerafft von Krieg, Seuchen und anderen Gebrechen, die heutzutage mit einem Wimpernschlag von der Schulmedizin und ihren High - Tech - Behandlungsmethoden abgetan werden. Der Mensch lebt im Regelfall länger. Vielleicht doppelt so lang, wie noch vor vielen Hundert Jahren.
Und weil dieses so ist, wird der Grund und Boden, auf dem sich das christliche Bestattungsritual abspielt, immer knapper. Knappe Ressourcen führen indes zu veränderten Angebotsbedingungen. Die Privatisierung der Friedhöfe, die von den chronisch defizitär operierenden Städten und Gemeinden, unter dem Druck der Kostenökonomie abgegeben werden, führt zu einer dramatischen Veränderung der Angebotsmerkmale. Eine Grabstelle auf Kurzzeit und andere Varianten innerhalb der uns bekannten Bestattungskultur sind die Folgen davon.
Schon seit Jahren häuft sich die Floskel: " Mir ist mal egal, wie ich unter die Erde komme! " als Antwort auf die immer währende Nachfrage, wie das Ableben geregelt werden soll. Der letzte Umzug in den letzten Raum ist final. Danach gibt es nichts mehr. Und: Umzugshilfen von der Firma Zapf aus Berlin werden hierfür auch nicht angeboten; selbst gegen abweichendes Entgelt nicht.
Wer davor nicht mehr als dreimal umgezogen ist, muss sich dafür nicht rechtfertigen, denn die Umzieherei ist kein Prädikat, sich nunmehr als besonders moderner Mensch fühlen zu dürfen. Sie wird wohl eher ein Synonym für eine rast - und ruhelose Gesellschaft sein, in der Kurzlebigkeit, Öberflächlichkeit und purer Egoismus tragende Säulen des eigenen Daseins sind.
Nils Minkmar schreibt: " Der Umzugstag ist eine existenzielle Prüfung. " So ist es und so wird es immer wieder sein.
Dreimal umgezogen ist so gut wie einmal abgebrannt? Mag sein!
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