Was macht der Thomson an der Döhlener Straße?



Bei der Rückkehr aus einem Geschäft in der Kesselsdorfer Straße musste ich wegen der Sanierung der Poststraße einen kleineren Umweg in Kauf nehmen. So führte mich dieser an die Döhlenerstraße. Eigentlich kein besonderes Ereignis, wäre, ja wäre, da nicht - schlagartig - jene Zeit zurück gekommen, die ich in den späten 1990er Jahren in Delmenhorst bei Bremen verbracht hatte. Damit verbunden waren jene - obligatorischen - Besuche der " pro Märkte " im " Roland Center ", das im Stadtteil Huchting, auf die damals noch grünen Wiesen geklotzt wurde, und dem wesentlich größeren Pendanten am Neuenlander Feld, in Sichtweite des winzigen Bremer Flughafens.

In jener Zeit also, in der ich während meiner regelmäßigen Besucher der beiden Filialen einer regionalen Kette für Unterhaltungselektronik und mehr, die Märker und später Euronen ausgab, um mein CD - Archiv zu erweitern, um eine Satelliten - Empfangsanlage zu erwerben oder eine ewig haltenden " Miele " - Bodenstaubsauger im Super - Sonder - Einmal - Angebot an Land zu ziehen, da standen diese Ungetüme - schon bald in Sichtweite der Kassenzonen - aus Plaste und Metall; voll gestopft mit der neusten Technik sowie Funktionen, die eigentlich kein Mensch benötigte:

Fernsehgeräte, so groß wie Küchen - Wohnzimmer - oder Schreibtische. Die Bildqualität war fantastisch, die Einbautiefen im Verhältnis zu der Bildschirmgröße, phänomenal und deren Preise astronomisch.
" Rückprojektionsfernsehgeräte, der Marken " Sony ", " Panasonic " und " Philips ", aber auch einstige westdeutsche Hersteller waren darunter, als da waren " Grundig ", " Telefunken " oder " Loewe ". Wohlklingende Namen im fort währenden Kampf um Marktanteile, Moneten und Macht.

Aber, es gab natürlich noch weitere Anbieter, dieser Giganten im unüberschaubaren Meer der TV - Beliebigkeiten:

http://www.hifi-forum.de/themen/produktarten-hersteller-az/rueckprojektionsfernseher/


Die Technik, die sich hinter jenen " Fernsehgeräte - Riesen " verbirgt, ist alt bekannt, die Umsetzung auf den Hausgebrauch indes, war beinahe revolutionär. Es ist ein Bildschirm in einem relativ schmalen Geräterahmen eingesetzt, der unter Zuhilfenahme einer Spiegeloptik das empfangene und umgewandelte Bild auf die große Mattscheibe projiziert.

https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckprojektionsbildschirm


Dadurch gelingt es Bilder in einer hervorragenden Qualität und einer - bis dato - enormen Größe wiederzugeben.
Diese Gerätetechnik ist jedoch mit Nachteilen verknüpft. So muss nach einer gewissen Anzahl von Betriebsstunden, die im Fernseher eingesetzte Lampe ( Fachbegriff " Rückprojektionsfernseh - Ersatzlampe " ) ausgetauscht werden, weil die Bildqualität erheblich abnimmt; das gezeigte Bild milchig, an den Rändern leicht verschwommen bis unscharf und die Farbwiedergabe blässlich wird.

So eine " Funzel " kostete einst ab 200 DM bis zu 500 DM und mehr. Entscheiden war hierfür, wie beim Fußball, auf´m Platz, der Name des Herstellers. Und die Spassbremse setzte dort, der " Sony " - Fernseher, den es zudem zunächst nur in zwei Ausführungen gab. Der allerdings - mit weitem Abstand - das beste Bild lieferte. Ein Super - Gerät, von dem ich heute noch schwärme, wie von einer jungen Frau in jungen Jahren.
Beide Lebensinhalte waren sowohl vor 45, als auch vor 20 Jahren unerreichbar.

Schon allein wegen des exorbitant hohen Preisgefüges, kamen diese Geräte nicht in Betracht. Der Champion in der vormaligen Champions League, war - natürlich - " Sony ", von denen das größte Gerät 10.450 DM und der kleinere Bruder ( die Schwester ? ) noch satte 7.950 Mark kostete. Da gab es einst einen noch gut erhaltenen Mittelklassewagen im unteren Segment oder ´ne komplette " IKEA " - Küche.

Die Hersteller weiterer Rückprojektionsgeräte hielten nicht ganz so grausam die Kassier - Pfote hin. Einige begnügten sich mit Preisen unter bis weit unter 5.000 Märker. Dat war aber immer noch ´nen 14 - tägiger Urlaub für zwei Personen, irgendwo auf den Malediven, auf Kuba oder in einem höher klassigen " Riu " - Hotel auf Teneriffa, Fuerteventura oder Formentera.

In die Kategorie der eher niedrigpreisigen TV - Großgeräte fiel auch die Marke Thomson. Der Konzern bot anfänglich in den Klassen von 50 bis 59 Zoll nur zwei Geräte an. Und just eines dieser Methusalems stand dort an Straßenrand.
Es war ein " Thomson

 42 KH 412 S 100 Hz 106,7 cm (42 Zoll).


Einst kostete dat Ding ab  1998 so um die 3.500 DM. Ein Schnäppchen, im Vergleich zu den beiden " Sony " - Prügeln. Der " Thomson " - Konzern, der heute als  " Technicolor  " geführt wird und durch massive Übernahmen anderer Hersteller, wie " Telefunken ", " Saba " Nordmende " und später auch " Schneider " expandierte, bot ab 1998 eben jene Rückprojektionsgeräte an, deren Palette dann, dank der sehr guten Verkaufszahlen, sehr verbreitert wurde. Statt nur zwei Typen, gab und gibt es noch, 13 verschiedene Geräte.



https://de.wikipedia.org/wiki/Technicolor_(Konzern)

Tja, der gute " Thomson " stand nun an der Straße, genauer gesagt an der Döhlener Straße und ganz exakt beschrieben vor einem Abbruchhaus an der Fahrbahnmündung von der Döhlener - zur Anton - Weck Straße.
Er stand dort, einsam und verlassen. Das Stromanschlusskabel baumelte rechts vor der relativ großen Mattscheibe. Er sah schon reichlich ramponiert aus. Immerhin hat er mindestens 10, wenn nicht sogar 17 Jahre auf dem Gehäuse. Ein Relikt aus den Technik bewegten 1990er Jahren, die mit dem " Game Boy " im September 1990 begannen, sich über Kassetten - CD - Musik und eben Großbild - Fernsehgeräte entwickelten und mit diesen sowie ihren neuen Generationen zu Ende gingen; ehe das Internet die Konsumenten umkrempelte.

Der im Regen, in den trüben Spätherbsttagen des Jahres 2015 stehende, allein gelassene " Thomson " - Fernseher aus der Bauruine, er kam mir wieder in Erinnerung, als ich kürzlich erneut jenen kleinen Umweg beschrieb. Dieses Mal war er nicht mehr zu sehen. Vielleicht wurde er entsorgt? Vo einem der vielen polnischen Altwarenhändler, die mit ihren klapprigen Uralt - Transporter mindestens ein Mal im Vierteljahr alle Dinge, die ein Haushalt nicht mehr nutzt, kostenlos abholen. Möglicherweise hat ihn aber auch ein Technik - Kenner eingeladen, der solche Geräte überprüft und repariert? Mit einer inzwischen billigen, so um die 50 bis 80 Euro kostenden Ersatzlampe, lässt sich weiterhin ein gutes Bild auf den Schirm bringen.

Inzwischen zählen die TV - Geräte der Folgegenerationen längst zum Standard in den Haushalten. Riesige, oft mehr als  60 - Zoll - Klopper, zieren da einen Raum, der oft nur unwesentlich breiter ist, als das Gerät selbst und so flach wie ein Bügelbrett, mit Preisen unter 500 Euro - einem Bruchteil dessen, was jene Methusalem - Fernsehapparate einst kosteten.

Dieses alles, dank der Globalisierung, der Fronarbeiter - und Kindersklaventätigkeit in Asien sowie dem Verfall anderer Währungen, aber auch der Massenproduktion.
Was machte der " Thomson " nun so allein an der Döhlener Straße? Er hatte ausgedient. Er zählte zum berühmten Alten Eisen. Er war das Relikt einer Konsum - und Wegwerfgesellschaft. Nichts währt ewig! So is et!

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