Wochenrückblick


Dem seit mehr als 28 Jahren untergegangenen, zweiten deutschen Staat, der Deutschen Demokratischen Republik, kann von vielen Seiten, mehrheitlich von dümmlichen Westdeutschen, nun vieles nachgesagt werden. Dass das SED - Regime seine knapp 16, 12 Millionen Bürger zwangskaserniert hat; dass die Möglichkeit der DDR - Frauen und - Männer, ihren Volkswillen bei der wahrzunehmenden Pflichtwahl kundzutun, darin bestand, ein Kreuz auf den Bogen zu zaubern; oder, dass es Waren nur in einem sehr engen Kontingent, einer überschaubaren Qualität sowie nur in besonderen Läden ( dann gegen Westmark ) gab, zählt eher zum Alltag des anderen deutschen Staates.

Mit dessen Vor - und noch mehr Nachteilen in der Lebensführung hat sich die Bevölkerung alsbald nolens volens arrangiert. Dabei kreierte sie eine eigene Sichtweise der Dinge im real existierenden Sozialismus. Vornehmlich half hier die - natürlich deutsche - Sprache weiter, um aus einer Mischung von  nicht resignativen Humor, jene Umstände beim Namen zu nennen, an denen sich trotz immenser, von der Parteipropaganda maßlos übertriebener Anstrengungen, dann doch nicht so viel ändern konnte.

Der real existierende Sozialismus hatte eben seine Grenzen. Was für die selektierenden Ableger der SED in Westdeutschland, die Deutsche Kommunistische Partei Deutschlands ( DKP ) als " Verteilungsproblem " wider besseres Wissens abgetan wurde, stellte sich für die Mehrzahl der DDR - Bürger als ständige Herausforderung im täglichen Kampf um das eigene, das leibliche Wohlergehen dar.

Ohne die ausufernden Beziehungen, den so genannten " sozialistischen Gang ", sah der DDR - Normalo oft nur in die sattsam bekannten " Fliesengeschäfte " oder er zog alsdann, wenn die Menschenschlange vor den Geschäften zwar kürzer Worte, jedoch die hierin angebotenen Waren dennoch nicht ausreichten, leicht bis mittelschwer frustriert mit seinem " VEB " - Einkaufsnetz von dannen. Pech gehabt?

Wenn er in dieser Situation gewusst hätte, dass einige Hundert Kilometer weiter westlich, die Waren in einer Grabbelkiste bei " Karstadt " zu Ramschpreisen angeboten und dennoch nicht verkauft werden konnten, er hätte den letzten Funken seines kaum vorhandenen Glaubens an eine bessere Welt im Sozialismus völlig verloren.

Die Sprachkonstruktionen in der DDR - Gesellschaft zeigten jedoch, dass diese Hoffnung längst aufgegeben worden sein musste. Mehr oder weniger kam dann bei der Beschreibung der grauen Realität ein Schuss Selbstironie, ja, häufig eine Prise Sarkasmus hinzu.

Was in einer unvollkommenen Auflistung des inzwischen auch untergegangenen DDR - Sprachgebrauchs so alles der Nachwelt erhalten bliebt, lässt sich längst im Netz nachlesen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sprachgebrauch_in_der_DDR

Für einen geborenen Westdeutschen, einem " Wessi " immer noch ein Grund, um hierüber und hierzu, mit schmunzelndem Grundhaltung, einen kleinen Beitrag in den Blog abzufassen.

Da gab es gestern - wohl möglich ein letztes Mal in dem leerer werdenden Haus - Sauerkraut mit Bratwurst und Kartoffelbrei. Dass ich bei der Zubereitung den Versuch startete, die besseren, die Fleischerwürste in die heiße Pfanne legen zu wollen, von meiner besseren Hälfte mit einer Schimpf - und Meckerkanonade bedacht. Gut, ja gut, ich legte die leicht angebratenen Thüringer in die Verpackung zurück und bediente mich der Discounterware. Sie schmecken auch.

Nach einer Viertelstunde war unser Mittagsmahl zubereitet; nach einer weiter, vertilgt. Doch es blieb ein Rest Sauerkraut übrig. Und davon bereitete meine bessere Hälfte eine Sojainka zu. Sie schnitt einfach Wurststücke in das mit Ketchup und Wasser verdünnte Sauerkraut, würzte den Sud ein wenig und ließ in dann abkühlen.

Dabei erzählte sie mir, dass es zu Zeiten der DDR - Mangelwirtschaft in der damaligen Kantine der Uni Karl - Marx - Stadt an den Freitagen regelmäßig den so genannten " Wochenrückblick " gab. Es war eine aus mutmaßlichen Lebensmittelresten der vorherigen Tage zusammen gekochte Sojainka, die zwar schmeckte, aber eben aus den nicht verbrauchten Essensteilen bestand.

Als wir uns am Abend bei milden Außentemperaturen auf der Terrasse die Sauerkrautsojainka zu Gemüte führten, fiel dann einige Male der Begriff " Wochenrückblick ".
Aber, auch hier galt: Er schmeckte und war eine Abwechselung zu belegten Brot.


 https://www.chefkoch.de/rezepte/1072061212910092/Soljanka-nach-DDR-Rezept.html


" The Velvet Underground " - " I´m  Waiting For My Man " - 1967:




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