Wrongful Life?


Zu Beginn der 1980er Jahre, als die TV - Landschaft noch überschaubar war und die Verdummung durch Privatsender nicht rund um die Uhr erfolgen konnte, denn es gab gar keine, luden zur vorgerückten Stunde im Dritten Programm des Norddeutschen Rundfunks ( NDR III / N III ) die beiden Ex - Kollegen Rudolf Gerhard und Werner Hill zum " Juristenstammtisch " ein. Es war ein Fachgespräch unter ihresgleichen auf hohem Niveau.

In einer dieser Spätsitzung, so kurz vor Sendeschluss, wenn das gemeine Volk im kapitalistischen Westdeutschland bereits zu Bett gegangen war, befassten sich die Herren Volljuristen mit einem Thema, dass aktuell wieder hoch kocht. So, als wäre es nie gelöst worden und in ständig veränderten Buchstaben der Gesetze abgefasst, dem unbekannten Wesen Bürger zum Fraß hingelegt, in der begründeten Hoffnung, er verstünde dieses unisono nicht?

Es geht um die Frage, ob ein bereits im Mutterleib sich heran bildendes Kind, ein Mensch also, welches als behindert auf die Welt kommen wird, auch noch nach der 12 Schwangerschaftswoche entfernt werden darf. Der Volksmund beschreibt jenen Vorgang mit Abtreibung. Die Mediziner als Schwangerschaftsabbruch. Die Vollpfosten aus den Kirchen einschließlich des Popen in Rom, als Mord. Wir Juristen sprechen dann von einer Straftat gemäß § 218 des Strafgesetzbuches.

Abtreibung ist demnach strafbar. Sie ist jedoch nicht, wie es uns die Pfaffen gerne über ihre billige Polemik und die hetzerischen Lügen zu der angeblichen massenhaften Tötung verkaufen möchten, als Mord zu qualifizieren, aber sie stellt dennoch unter Umständen eine Straftat dar.

Jedoch stellt sich hier die Frage nach der Regel und der Ausnahme. Und dabei jene, ist der Schwangerschaftsabbruch auch dann strafbar, wenn eben jene Umstände hinzu treten, die erkennen lassen, dass die Frau ein behindertes Kind zur Welt bringen wird? Oder ist es dann ein strafloser Abbruch, wenn der Fötus nach der 12 Schwangerschaftswoche von einem Arzt entfernt wird; ergo: die Schwangerschaft gewollt und geplant beendet wird?

Unter dem Begriff " Wrongful Life ", also, mit einem Fehler behaftetes Leben diskutierten die Juristen damals die Frage, ob ein behindertes Kind als Schaden im zivilrechtlichen Sinne zu bewerten ist. Dabei wurde auch jener dogmatische Weg, dass Schadenersatzansprüche gegenüber dem behandelnden Art nur bei einem schuldhaft Verhalten bestehen könnten, intensiv besprochen.

Die Herren Kollegen von damals fanden keine einheitliche Meinung dazu. Wie sollten sie auch? Schließlich galt längst die nicht nachgewiesene Regel: " Zwei Juristen, drei Meinungen ".

Einige Jahre später sprach der Bundesgerichtshof ( BGH ), das höchste Zivilgericht in Deutschland, den klagenden Eltern einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem behandelnden Arzt zu. Allerdings in sehr engen Grenzen. dagegen verneinte der BGH einen solchen des behindert geborenen Kindes.

http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz86_240.htm

Ein Kind als Schaden? Was moralisch - ethisch dabei als verwerflich eingestuft werden könnte, steht juristisch inzwischen auf einem durchaus soliden Fundament.


https://de.wikipedia.org/wiki/Kind_als_Schaden


Vor einigen Tagen las ich in einer " SPIEGEL " - Ausgabe einen Bericht über Eltern, deren Kind an Trisomie 21 ( dem so genannten " Down - Syndrom " ) erkrankt ist. Aktuell wird ja im Bundestag über die Möglichkeit eines Bluttests, der zur Früherkennung dieser Krankheit dient, diskutiert. Die Krankenkassen sollen hierfür die Kosten übernehmen.

Doch diese medizinische Möglichkeit ist nur eine Seite der Medaille. Die andere wäre erst danach zu sehen. Wer wird einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, wenn die 12 Wochenfrist bereits verstrichen sein sollte?
Niemand?

So wird nur ein kleines Segment im Gesamtkomplex des " Wrongful Life " betrachtet und vielleicht geregelt. Wie es mit einer Frau, die möglicherweise nach der 12. Schwangerschaftswoche mittels dieses Bluttests Kenntnis von einer Behinderung ihres Kindes erhält, weiter gehen soll, lassen die Politiker in Berlin schlichtweg außen vor.  leider? Oder nur deshalb, weil die vermeintlich christliche Lehre weitergehende juristische Regelungen blockiert?




" U.S. Christmas " - " The Moon In Flesh And Bone " - " Run Thick In The Night " - 2010:








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