April, April, 1969!



Am 1. April 1969, also genau vor 50 ( in Worten: Fünfzig ) Jahren begann ich meine Lehre zum Einzelhandelskaufmann bei der Hermann Altenburg KG in der Lange Straße in Bückeburg. Sie dauerte knapp drei lange und leere Jahre, diese Lehre.

Immerhin haben mich jene drei lehrenden Jahre auch zu der Erkenntnis gebracht, dass ich dann doch kein Einzelhandelskaufmannsgehilfe oder genauer ausgedrückt: kein Verkäufer bleiben möchte. Diese lehrreichen Erfahrungen aus der vor 50 Jahren begonnen Lehre mit viel Leerlauf in den Lehrjahren, die - so könnte es heutzutage wohl auch noch sein - laut Lebensweisheit, dann eben keine Herrenjahre seien ( sein dürfen, müssen, können ).

Andererseits ist mir über mein proletarisches Elternhaus schon damals eingeimpft worden, dass eine Sache, die ein Mann einmal beginnt, auch zu Ende gebracht werden muss. Richtig! Wenn ich mir die gepamperten Weicheier von heute dabei betrachte, die bei dem kleinsten Luftzug umfallen und bei minimalen Schwierigkeiten umkippen, stelle ich fest, dass wir von damals doch aus einem anderen Holz geschnitzt waren.

Es war allerdings auch eine andere Zeit.

In einer älteren " SPIEGEL " - Ausgabe las ich kürzlich, dass im Jahr 1970 rund 18 %, also beinahe jeder 5. Schüler keinen Abschluss vorweisen konnte und auch fast genau so viele Jugendliche eine Lehre oder einen Anlernberuf nicht ( erfolgreich ) beendeten. Schulschwänzer gab es auch. Es waren nicht wenige.

Diese jungen Menschen schlugen sich folglich mit Aushilfstätigkeiten durch. Zumeist waren es Arbeiten in Fabriken, für die keine großartigen Kenntnisse benötigt wurden. Dafür gab es sogar nicht selten mehr Lohn als für eine gelernte Tätigkeit. Das ist heute meistens nicht mehr der Fall. Selbst, wer einen Beruf erlernt hat, darf nicht immer damit rechnen, dass er von seiner Tätigkeit, seinem Job, wirklich sorgenfrei leben kann.

Als ich am 1. April 1969, an einem Dienstag mit dem eigenen Fahrrad zu der Ausbildungsstelle fuhr, war ich noch gut gelaunt. Ein neuer Lebensabschnitt hatte für mich begonnen. Die Volksschule war vorbei. Ich bekam mein erstes, regelmäßiges Geld. Es waren 90 DM im Monat als Ausbildungsvergütung. In Worten: Neunzig Deutsche Mark. Davon musste ich 50 Deutsch Mark bei den Eltern als so genanntes Kostgeld abliefern. Es blieben mir somit zunächst 40 DM = 1, 333 / 1,290 DM je Tag. Dafür konnte man sich vielleicht eine Cola, drei Wassereis oder eine Tüte voll Lakritze, Kaugummikugeln oder Nappos kaufen.

Später wurden aus den 90 DM, 120 DM, im zweiten Lehrjahr dann 180 DM und im dritten Jahr sogar satte 210 DM. Diese Beträgen verstehen sich natürlich als Bruttoentgelt.

Davon konnte ich mir später einige der Vinylscheiben zulegen, die immer noch in meinem Archiv schlummern und jetzt auf Umzug warten.

50 Jahre nach der Entlassung in den angeblichen Ernst des Lebens, fünf Jahrzehnte nach dem Ende der Volksschulzeit, wäre ja eigentlich ein Klassentreffen fällig gewesen. Doch es wurde daraus nichts. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil die Mehrzahl meiner Mittreter von einst vom Leben gebrochen wurden. So, wie es Hannes Wader in seinem Lied " Kleine Stadt " besingt:



Kleine Stadt, von wohl allen hier aus diesem Kreis
fordern das Schicksal und die Zeit Ihren Preis
und ich denke an die, die nicht mehr bei uns sind
sehe wie auch mein Leben verrinnt
wie bei and'ren verlöschen die Lichter im Wind
die vom Leben besiegt und gebrochen
nun fehlt mir Ihr lachen, nur fehlt mir der Klang
Ihre Stimmen in unserem Gesang

Nun, ja, das Leben geht auch weiter. Es wird auch von mir neue Herausforderungen verlangen. Nicht nur den Umzug zu den Enkeln, nein, auch das Weitergeben von Erfahrungen, Weisheiten und Einstellung zum Leben, sollten danach dazu gehören. Wer nichts erlebt hat, nichts erlernen konnte, der kann nichts weitergeben. Das wäre eigentlich schade.

Der 1. April 1969 war ein Dienstag. Ich fuhr bei Aprilwetter in einen neuen Lebensabschnitt, der mich nach drei Jahren auch geprägt hat. Viel regen, viel Wind und ein wenig Sonne waren dabei.


Hannes und " Kleine Stadt ":











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