Wenn die Felder ewig stinken.

                                                                                     (C) Balleynorwoodrocks-WIKIPEDIA

Die industrielle Landwirtschaftsproduktion ist im 3. Jahrtausend zu einem der wichtigsten Säulen der Nationalökonomie geworden. Jährlich werden hier mehr als 40 Milliarden Euro umgesetzt. Die Tendenz ist steigend. Da muss sich natürlich der kritische Betrachter fragen, wo soll diese Entwicklung noch hin führen? Wenn dann die Faktoren der Preisentwicklung und der Designer-Produkte noch hinzukommen, kann die weitere Frage durchaus lauten: " Wer dabei als Hersteller noch Gewinne erwirtschaften kann?
Eine Antwort hierzu gibt die Massenproduktion und insbesondere die Massentierhaltung.

Als vor fast 27 Jahren eine Reportage aus der Serie „Unter deutschen Dächern“,
„Und ewig stinken die Felder“, die von Radio Bremen hergestellt wurde, über die Hühner - bzw. die Geflügelhaltung in der Region um Vechta, Lohne und Garrel, also des südoldenburger Raumes gesendet wurde, schlug der Beitrag hohe Wellen. Die politischen Verantwortlichen und die Produzenten, insbesondere der damalige Unternehmer Anton Pohlmann ( genannt auch " Eierbaron " ) spuckten Gift und Galle. Die Fernsehjournalisten bewerteten das Feature indes als gelungen. Der Film wird 1985 mit einem Adolf-Grimme-Preis mit Bronze ausgezeichnet. Nach Auffassung der Jury haben die beiden Verantwortlichen Nina Kleinschmidt und Wolf-Michael Eimler als Autoren, „ein schonungsloses und aufrüttelndes Feature über wirtschaftliche, soziale und ökonomische Umwelt im ländlichen Bereich gedreht. Sie benennen die gemein schädlichen Folgen der auf Hochleistung und Monokultur basierenden Massentierhaltung in Südoldenburg in gebotener Deutlichkeit und bringen die verheerende Heimatzerstörung durch
konsequente Industrialisierung der Landwirtschaft drastisch ins Bild“. Mitten in der betroffenen Region wurde die Dokumentation vom 4. - 8. November erneut vorgeführt, diesmal jedoch als 16-mm-Film. Veranstaltungsorte waren Lingen, Oldenburg, Delmenhorst, Diepholz und Bramsche.

Ursprünglich sollte der Film auch in Vechta gezeigt werden.
Nachdem der dortige CDU-Landrat Clemens August Krapp die Bürger von Vechta in der Lokalzeitung jedoch wissen ließ, dass er nicht bereit sei, „mit Schmutzfinken“ (gemeint: die beiden Autoren) zu diskutieren, sagte die Volkshochschule „kurzerhand“ ab. Allerdings unter Hinweis auf die Hintergründe der Entscheidung und mit Nennung der benachbarten Veranstaltungsorte.
Die Resonanz war zur Überraschung der veranstaltenden Volkshochschulen außerordentlich: Mehr als 500 Personen nahmen das Gesprächsangebot wahr und dieses trotz der CDU-Hetze gegen den Bericht.

Als Fazit am Ende der Tour konnten die beiden Journalisten feststellen, dass in der Diskussion einige Landwirte äußerten, künftig nicht mehr bereit zu sein, die eigenen Angelegenheiten in fremde Hände (Politiker,
Verbandsvertreter) zu legen.
Die Autoren schließlich fanden in den Diskussionen Bestätigung für ihre Arbeit, konnten hautnah miterleben, wie ihr Film Gespräche und Kontakte zwischen Gruppen in Gang setzte, die sich bisher eher skeptisch, wenn nicht gar feindselig gegenüber standen.

Tatsächlich hat sich im Verlaufe der Jahre Einiges verändert. Der einstige " Eierbaron " Anton Pohlmann wurde mehrfach wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz und andere Vorschriften zu Geldstrafen verurteilt; später erhält er sogar Berufsverbot. Die gesetzlichen Grundlagen wurden modifiziert. Allerdings ist die industrielle Tierhaltung nicht abgeschafft worden.

27 Jahre später:

Im Osten Deutschlands entstehen auf entsprechend ausgewiesenen Gewerbeflächen immer mehr neue und größere Tierfabriken. Verschiedene Geflügelzüchter und Schweinemäster errichten ihre Anlagen in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt. Der Ort Alt Tellin soll die größte Ferkelzuchtanlage Europas erhalten. Die Bauarbeiten haben im letzten Jahr begonnen; es ist geplant, dort 250.000 Tiere pro Jahr zu züchten.

In einem NDR-Beitrag geht der Reporter Ralf Hoogestraat den Ursachen dieser Entwicklung auf den Grund. Er fragt nach, warum diese Anlagen gerade jetzt in Ostdeutschland entstehen, warum diese Agrarindustriellen aus Niedersachsen und den Niederlanden durch immer stärkere Auflagen vertrieben werden. Dort, wo diese Tierfabriken schon in Betrieb sind, trifft das NDR Team auf Bürger, die sich oft verzweifelt gegen die Auswirkungen der industriellen Massentierhaltung auf ihr Leben wehren.

Der unerträgliche Gestank durch Schweine-Gülle und permanent überdüngte Felder, die weitere Auswirkungen auf die Trinkwassergewinnung und den weiteren landwirtschaftlichen Anbau haben werden als: Probleme benannt. Da die riesigen Ferkelzuchtanlagen und Schweinemastbetriebe im Osten Deutschlands oft auf keine rechtlichen Hindernisse stossen, werden immer mehr solcher Tierfabriken angesiedelt; oft zum Leidwesen der Anwohner.

Der Journalist Hoogestraat, der sich mit dem Problem intensiv auseinandersetzt kommt zu dem Fazit:
Die Unternehmer kommen mit ihrem Know-how, vor allem im Umgang mit den Behörden, in den Osten und treffen auf Ämter und Beamte, die noch keine Erfahrung haben mit solchen großen Agrarunternehmen. Die Verwaltungen vor Ort haben noch nicht die nötigen Kontrollmechanismen entwickelt und wirken oft überfordert. Da haben die Investoren dann leichtes Spiel und können sich auch eine Zeit lang ungestraft über Auflagen hinwegsetzen.
 In diesen Regionen ist Land oft noch günstig zu haben, alte LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) aus DDR-Zeiten sind oft ungenutzte Ruinen und warten eigentlich darauf, wieder sinnvoll genutzt zu werden. Die Anwohner sind wiederholt den Schattenseiten der landwirtschaftlichen Großbetriebe ungeschützt ausgesetzt: Gestank durch die Gülleproduktion, Lärm der Lastwagen. Es werden natürlich auch eine Handvoll Arbeitsplätze geschaffen. Aber das sind oft Billiglohn-Plätze, die häufig auch nicht mit den Menschen vor Ort besetzt werden. Das hängt immer von der Hartnäckigkeit der Bürgerinitiative ab. Wenn sie den Weg durch die gerichtlichen und behördlichen Instanzen bis zum Ende durchsteht, bekommt sie meistens Recht und der Agrarindustrielle muss Strafe zahlen und seine Produktionsbedingungen den geltenden Gesetzen und Richtlinien anpassen. Aber dafür brauchen die Bürgerinitiativen oder auch die Gemeinden, die sich wehren, viel Geld und Geduld. Oft scheitert es daran, dass sie nicht genügend finanzielle Mittel haben, um den Prozess zu bezahlen.Tierschützer sind generell gegen diese Art der Massenhaltung. Sie versuchen, Öffentlichkeit herzustellen, damit die Zustände nicht im Dunkeln der Ställe bleiben.Ob dieses überhaupt gegen die Agrarlobby gelingt erscheint jedoch sehr zweifelhaft.
Solange der Verbraucher auf Billigprodukte schaut, der Handel sich mit " Tiefspreisen " wechselseitig unterbietet und riesige Mengen an Lebensmittel (25 Millionen Tonnen jährlich ) einfach weggeworfen und vernichtete werden, werden Aktionen gegen das industrielle Halten von Tieren kaum Erfolge verzeichnen können.


Kommentare

til_o. hat gesagt…
Machen wir uns nichts vor: Um die industrielle Tierhaltung kommen wir nicht mehr herum. An sich ist die auch nicht zu verteufeln. Es ist nur die Frage, wie man sie umsetzt und was dabei als Ziel gilt. Im Osten gab es sie auch. Nur nicht bis zu Perversion betrieben wie heute. Zwar war damals das Wohl des Tieres auch eher nebensächlich und man experimentierte mit Vitaminen und was der Chemiebaukasten so hergab aber die Zielsetzung war schon Qualität vor Quantität. Was wiederum den Viechern zugute kam. Den Produktionsleiter einer LPG (T) hätte man einen Kopf kürzer gemacht, wenn er so ein Wasserfleisch wie es heute üblich ist, in den Handel gebracht hätte.

Die Mär vom Biobauernhof und glücklichen Viehzeug können wir uns schenken. Vor 40 Jahren gab es bei uns auf dem Dorf einen Stall mit 30 Milchkühen. Die mußten bei jeden Wetter raus auf die Weide. Den Job hat ein einziger Mann erledigt. 7 Tage die Woche. Nachts 3.00 Uhr aufstehen und über Mittag 2h Pause. Zweimal melken täglich. Kraftfutter verteilen, ausmisten usw. 365 Tage im Jahr trotz LPG, wenn sich für den Urlaub keine Vertretung fand. Das macht heute keiner mehr. Es lohnt sich finanziell auch nicht. Der Laden müßte subventioniert werden.

Was bleibt ist industrielle Tierhaltung. Selbst wenn wir alle zu Veganern konvertieren und nichts mehr wegschmeißen würden, so würden sich die Probleme nur verlagern. Alles was wir anbauen, ist gezüchtet und überlebt nur mit Pestiziden, Fungiziden, Überdüngung etc. Die Alternative wären gentechnisch veränderte Sorten. Aber die wollen wir ja auch nicht. Im Mittelalter war alles noch Bio und halbwegs naturbelassen. Trotz dem die Bevölkerungszahl damals geringer war als heute, konnte man von ausreichender Ernährung nicht sprechen. Erst als die Kartoffel über den großen Teich schwamm, war wenigstens eine gewisse Grundversorgung gewährleistet. Das vergisst man heute gerne.
Octapolis hat gesagt…
Nun ja, schön ist es trotzdem nicht. Allerdings ist es für den in der Stadt lebenden Menschen ungleich schwerer, stets nachzuvollziehen, wo seine Lebensmittel ihre Ursprünge haben. So was kann aber letzten Endes nur jeder individuell regeln, wase kauf ich, was esse ich und was werfe ich auf den Müll.

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