Tatort aus Bremen. Müssen Sie nehmen!



Wenn sich ein TV - Glotzer an die ersten Jahre der alten Tante ARD zurück erinnern kann, dann fällt diesem mit Sicherheit die Reklame  aus den WiWu - Jahren und der bleiernen Adenauer - Ära ein. Sie war - im Vergleich zur heutigen Brüllwerbung mit ihren sinnfreien Texten und affektierten Darstellern, die Halbwahrheiten unter die Zuschauer verbreiten möchten - denn eher witzig und hatte Stil. Da die technischen Möglichkeiten sehr begrenzt waren, reduzierte sich so manches Werbefilmchen auf wenige Informationen zu und über das beworbene Produkt.Zu jener Zeit war Zigarettenwerbung nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht ; schließlich brachte dieses Genussmittel durch die Tabaksteuer auch Geld in die öffentlichen Kassen, gab es davon reichlich ( HB, Peter Stuyvesant, Ernte 23, Lux,Eckstein, Overstolz, Roth - Händle oder Reval ).

Auch bei der regelmäßig zum Jahresende wieder kehrenden Sekt - Werbung verdiente Papa Staat durch die darauf lastende Sekt - Steuer kräftig mit, wenn zwischen Weihnachten und Neujahr der Verkauf  und der Umsatz der Hersteller ( Söhnlein Brillant, Henkel Trocken, Deinhard, Kupferberg Gold, Carstens SC,Rüttgers Club ) explodierten.
Die meist mit sonorer Stimme von einem Werbesprecher vorgetragenen Produktinformationen waren zwar flach ( z.B.: "Am Ende eines Jahres wartet ein großer Jahrgangssekt auf Sie - Söhnlein Brillant "oder für  Kupferberg Gold: " ... " ), aber dafür stilvoll ( es wurden adrett und festlich angezogene Damen und Herren im feierlichen Ambiente mit Sektgläsern in der Hand gezeigt und dazu manchmal ein dezentes Feuerwerk ).

Ähnlich verhielt es sich mit der Kaffee - Werbung. Da gab es einst eine Vielzahl von Anbietern und Röstereien. Zumeist waren diese in den beiden Hansestädten Hamburg und Bremen angesiedelt. Die Werbefilme zeigten oft ein mit weißer Kittelschürze und Küchen - Mamsel - Outfit bedienende Hausfrau mittleren Alters, die mit frisch gelegter Locken - Pracht dem thronenden Manne den Kaffee in einer edlen Kanne eingoß. Viel wurde dabei von Verwöhnen ( des Mannes natürlich ), Aroma ( gemeint waren die meist nicht gemahlenen Halb - oder Pfundpäckchen ) oder Geschmack in einer bewusst dozierenden Sprache gefaselt. Nun war auch hier der Kreativität der Werbetexter keine Grenzen gesetzt. Die Kaffee - Hersteller ( Eduscho, Tchibo, Jacobs, Melitta, Hag, Herz, Kaffee Heimbs,  Idee - Kaffee von Darboven, oder  Ronning,). Und letzterer Anbieter bewarb die Kunden mit dem Slogan " Ronning aus Bremen müssen Sie nehmen - Ronning Kaffee. " Und viel Geld floss dadurch nicht nur in die bremische Kasse, sondern über die Kaffeesteuer auch zum Bund nach Bonn.



Nun, das ist sehr lange her. Viele der genannten Kaffeeröstereien und Händler existieren bereits nicht mehr oder sind von den Konkurrenten aufgekauft worden. Bremen ist längst nicht mehr eine Kaffee - Stadt, deren Hersteller über die unzähligen Werbespots einen Bekanntheitsgrad oder einen gewissen Namen haben. Die Kaffeewerbung gibt es zwar immer noch. Sie bestimmt aber längst nicht mehr die Werbelandschaft.

Nicht ganz so alt, wie die Kaffeewerbung aus Bremen, ist das dortige " Tatort " - Team, bestehend aus der Hauptkommissarin Inga Lürsen und ihrem Kollegen Nils Stedefreund. Beide ermitteln seit 2001 in der ARD - Serie in der Hansestadt. Sie zählen damit zu den so genannt Dienstältesten Protagonisten in dem ARD - Dauerlutscher.

Die ersten fünf Fälle durfte Inga Lürsen, dargestellt von Sabine Postel, ab 1997 noch alleine lösen. Dann stellten die Krimi - Verantwortlichen ihr den Freund Stedefreund, mit bürgerlichem Berufsnamen Oliver Mommsen,  zur Seite.  


http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCrsen_und_Stedefreund

Ich habe sämtliche Bremer Tatort - Folgen gesehen. Für mich waren sie von sehr unterschiedlicher Qualität. Der erste Bremer Tatort mit dem Titel " Inflagranti " ( 1997 ) wurde zwar von der Lokalpresse und den Kollegen des Bremer Fernsehens aus Gründen des auch dort gefestigten Lokalkolorits hoch gejazzt, war aber eine fade. Auch wenn die exzellente Krimi - Autorin Sabine Thiesler das Drehbuch dazu schrieb. " Nerviges Gesabbel " so kritisierte die Fernsehzeitschrift " TV Spielfilm " aus Hamburch die dortigen Dialoge. Nun, es war zwar oft zäh wie Kaugummi, doch die Mordgeschichte, rund um einen ewig fremdgehenden Unternehmer, der seine Frau, die Gleiches mit Gleichem vergolten hatte, dafür windelweich prügelt und später in seiner Sauma tot aufgefunden wird, war durchaus spannend.

Der 500. Tatort mit dem Titel " Endspiel " aus dem Jahr 2002 lässt das Kommissar - Duo Lürsen/Stedefreund in die Gefilden des Fußball einsteigen. Der Trainer des Fußballclubs Bremer FC wird tot auf gefunden. Im Verlaufe der Ermittlungen geht es dann um die in dem Berufsumfeld stigmatisierte Homosexualität. Mit gesellschaftskritischen und politisch erwünschten Inhalten beladen, wird denn diese Folge eher zum Eigentor. Die Kritik ist dementsprechend. Lichtblicke erhält die Bremer Folge durch die beiden Fußballexperten Andreas " Andy Herzl  " Herzog " und dem Journalisten und Kolumnisten Arnd Zeigler. Auch der SVW und der FC Oberneuland kommen indirekt in dem Krimi vor.

 Die 14. Bremer Folge stammt aus dem Jahr 2005 und heißt " Requiem ". Hier geht es - natürlich auch - um Mord. Es geht - grob gesagt - um geschäftliche und familiäre Verstrickungen rund um ein Bremer Projekt mit dem Namen " Spacepark ", dass sich dann flugs als finanzielles Fiasko und somit als ein Heißluft - Ballon entpuppte.
Mal ganz davon abgesehen, dass das Ulrich Nölle ( Ex - Sparkassen - Chef, Ex - CDU - Bürgermeisterkandidat und aktueller Pleitier ) - Luftschloss einen gewissen Realitätsbezug in die Tatort - Handlung hinein bringt, war auch diese Folge eher handelsübliche Durchschnittsware.

 10 Jahre später, nämlich am 15. März 2015 strahlte die ARD dann die 939. Tatort - und immerhin 31. Folge mit Beteiligung der Freie und Hansestadt Bremen aus. Der Krimi heißt " Die Wiederkehr ".

http://de.wikipedia.org/wiki/Tatort:_Die_Wiederkehr

Machen wir uns nichts vor: Bei all den schwachsinnigen ZDF - Serien und Klon - Krimis, die der gebührenfinanzierte Sender aus Mainz dem abgestumpften Zwangszahler und Zuschauer tagtäglich auf und um die Augen und Ohren haut, sind die Tatorte eher ein heilsamer Pflicht - Kurlaub, weil sie zumindest ab und an auch ohne das gähnend langweilige Mordmerkmal der Selbstüberschätzung sowie Gehirnwäsche durch Einfallslosigkeit und Abstumpfung aus kommen.
So auch die 31. Bremer Tatort - Folge mit Inga und Nils aus HB.

Es geht um ein schwelendes Familiendrama. Um den Kindstod. Um die psychischen Belatungsmomente, die sich dadurch ergeben. Sehr eindrucksvoll spielt Gabriela Maria Schmeide die Kindesmutter Silke Althoff. Ihr stehen in nichts nach, die beiden verbliebenen Kinder Kathrin und Jan Althoff ( Amelie Kiefer, Levin Liam ).
Ob nun gerade in einer immer noch traumatisierten Familie - allerdings ohne Vater, denn der erhängte sich nach einem Lürsen - Verhör in der U-Haftzelle - eher auf eine Hochstapelerin ( die Tochter Fiona erscheint nach 10 Jahren plötzlich an der Haustür ) herein fällt, ist indes zweifelhaft.  Und dieses nicht nur deshalb, weil ja die Mutter zum Schluss einräumt, dass Fiona nach einem tragischen Unfall von der geschockten Mutter selbst in einer Industriebrache bei Bremen eingebuddelt wurde, sondern wohl eher, weil die " Wiederkehr " eines 10 Jahre lang als vermisst registrierten Mädchens wohl eher nicht in dieser Form efolgen wird.

Gut, sei´s drum.

Insgesamt jedoch ein abgerundeter, weil auf einem sehr guten Drehbuch ( Matthias Tuchmann / Stefanie Veith ) und einer exzellenten Regie ( der gebürtige Essener Florian Baxmeyer ) basierender Kriminalfilm aus der Tatort - Serie. Demgemäß fällt die Kritik der schreibenden Zunft überwiegend positiv aus und das Zuschauerinteresse mit knapp 10,6 Millionen Seher an jenem Abend erinnert denn auch an die guten, alten Tatort - Zeiten aus den letzten 3 Dekaden.

Die Tendenz aus den vorgängigen Folgen, innerhalb einer Spieldauer von höchstens 90 Minuten sämtliche Facetten des kriminellen Handelns und enorm viele Straftatbestände aus den Gesetzbüchern des StGB, öStGB oder StGB - CH hinein zwängen zu müssen, womit die irrwitzigen Handlungsstränge, die zu einer Überfrachtung führen, auch eine Überkonstruierung des eigentlichen Falls mit sich bringen, sind hier nicht erkennbar. Wohltuend hebt sich auch das hier gezeigte Bremer Modell, ohne Mord ( falsch: vorsätzlicher Mord, weil der Tatbestand den Vorsatz als jeweiliges Tatbestandsmerkmal schon impliziert ) auskommen zu können, von den seit vielen Jahren üblichen Standards mit blutigen, unnatürlichen Ablebensvarianten ab. Mord und Totschlag als Gewaltverbrechen existiert nicht x-beliebige Male, wie das Aldi - Netto - Lidl - Sortiment in diesem, unserem Lande, sondern - im Vergleich zu den Gesamtstraftaten - im 0, 35 Promille - Bereich.

Leider geben sich die heutigen Kriminalfilme und Krimi - Serien nur mit diesem Thema ab. Damit wird mit Sicherheit ein völlig verzerrtes Gesellschaftsbild hervor gezaubert, das nur dem Zweck dient, Quote ud Moneten einzufahren.
Schade, denn die ÖRs haben aufgrund der Zwangsfinanzierung die Übernahme des US - und anglo - amerikanischen TV - Mülls überhaupt nicht nötig.

Das auch im Bremer Tatort Nummer 31 zum Schluss Körperflüssigkeit fließen, liegt dennoch unvermeintlich auf der Hand. Na, ja, besser als die ätzenden Mordmerkmalskonstruktionen der Mitbewerber war er dennoch alle Male.

Ach, ja, da gibt es seit Kurzem eine prima Seite im deutschsprachigen Webraum, die sich

 http://www.taeterraten.de/

nennt und den Interessierten und / oder Tatort - Fans die Möglichkeit bietet, selbst  zu ermitteln und damit faktisch als virtueller Fernseh - Tatort - Kommissar zu fungieren.
Thomas Schubarth bietet hier eine klasse Idee an, denn heimlich sind wir doch alle nicht nur Fußballnationaltrainer, Superstar oder die Schöne und das Ekel oder Biest, sondern auch Kommissar; und raten können wir auch.



Aus dem letzten Bremer Tatort: " Formidable " von  Stromae:


Und aus längst vergangenen Zeiten, die beiden " Swinging Cops " Manfred Krug als Paul Stöver mit Charles Brauer als Peter Brockmöller mit " Bye, Bye Black Bird " ( " Goodbye Tatört " ):





Hoffentlich nicht!

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