Wann ist ein Tier ein Haustier?
Unser Katzen - Quartett ist nun seit mehr als vier Wochen vollständig. Nachdem der erste Versuch, einen rötlich getigerten Kater in die Familie zu integrieren, eher kläglich gescheitert war und der Neuzugang " Gismo " sich nach einer kurzen Zeit wieder auf den Staub machte, in der Nachbarschaft eine nicht kastrierte Katze mit schwängerte und dann Unterschlupf bei einem Ehepaar mit Kindern fand. Gut, das ist das Leben.
Unser Werder - Finn indes hat sich mittlerweile als Mai - Kätzchen, obwohl bereits im März geboren, glänzend eingelebt. Er beschäftigt nicht nur uns, sondern auch die drei großen Katzen und holt sich von dem Trio in schöner Regelmäßigkeit eine fachende und knurrende Abfuhr, wenn er allzu ungestüm seine Zuneigung zeigen und den Spieltrieb ausleben möchte. Aber, und dieses ist ein Trost, laut Auskunft der Vorbesitzerin, soll der Lausitzer - Lausbub genau die Gene der Mutter mitbekommen haben, die dann im gesetzteren Alter auch wesentlich ruhiger geworden ist.
Katzen sind aber nun einmal Haustiere und Haustiere sind nicht alle gleich. Jedes von ihnen hat seiner eigene Persönlichkeit.
Daran erinnerte ich mich heute Morgen sofort, als ich eine wunderbaren Artikel der " SPIEGEL " - Redakteurin Michaela Schießl mit dem dramatisch anmutenden Titel " Tot oder legend " las. Die Journalistin zählt zu jener Fraktion von Redakteuren des Hamburger Nachrichtenmagazins, die mit ihren Beiträgen den Inhalt einer Wochen - Ausgabe aufhellen, ja, sogar ein kleines bisschen menschlicher machen. Wo ich seit mehreren Dekaden über Politik, deren Abgründe, Schurkenstücke und kriminellen Handlungen informierte werde, wo über gesellschaftliche Probleme und auch von ungezählten Abwege von so genannten Prominenten in ihr, geschrieben steht, da kommt hier und da eine sehr menschliche Geschichte vor, die sich nicht nur wunderbar locker liest, nein, auch Tiefgang zeigt. Der in der DDR geborenen Alexander Osang gehört zu die Reihe dieser Verfasser oder auch Nils Minkmar - und noch einige andere aus der Grade der " SÜPIEGEL " - Leute.
Nun also saß ich beim morgendlichen Pott Kaffee, den kleinen Racker Finn auf meinem Schoss und das Kofferradio mit MDR Info als Hintergundbeschallung und las die Geschichte von Michaela Schießl. Sie besitzt mehrere Rasse - Hühner. genauer gesagt, sind es deren Sieben. Sieben auf einen Streich? Eines der Hühner war krank. Es handelte sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung, den Hühnerschnupfen. Das Rassehuhn " Gollum " hatte sich damit infiziert.
Frau Schießl suchte nun eine Tierarztpraxis, in der " Gollum " behandelt werden konnte. Dieses zeigte sich als gar nicht so einfach. Erst nach einigen Mühen fand sie schließlich eine Landtierärztin bei der sie " Gollum " vorstellen konnte. Tja, und was dort in der Praxis ablief, in der Frau Schießl ihr geliebtes Federvieh mitnahm, schilderte sie in so wirklichkeitsnaher Weise, dass ich mich gleich in jene 1980er und 1990er Jahre zurück versetzt fühlte, als ich selbst gefiederte Haustiere besaß.
Es waren zwi Amazonen, die ich in der Vier - Raum - Wohnung in der Bremer Gastfeldstraße hielt. Zunächst war es eine Gelbwangenamazone mit dem Namen " Mira ", die ich als " Second - Hand " Papagei für 350 DM zum Geburtstag geschenkt bekam. " Mira " war jedoch ein Männchen. Dieses stellte später eine Tierärztin anhand der Kloake des Vogels fest. Weil " Mira " ein Männchen war liebte der Papagei nur Frauen. Und weil er nur Frauen mochte, hasste er Männer. Deswegen gab ihn seine Vorbesitzerin ab, " Mira " biß nämlich oder besser, er hackte brutal, einem Mann in den Finger, sofern dieser ihm zu nahe kam oder versuchte, ihn zu füttern.
Später gesellte sich zu " Mira " eine Blaustirnamazone, die " Florian " hieß. " Florian " wiederum, war ein Weibchen. Weil " Florian " deshalb sowohl Frauen als auch Männer mochte, klappte es mit den beiden Amazonen wunderbar. " Florian " saß auf meiner Schulter und fraß von meinem Brötchen, er / sie ließ sich von meiner Hand aus mit Erdnüssen und Äpfeln füttern und " Florin " war so intelligent, dass er sich mit mir unterhielt. Er / sie sprach seinen Namen und später sogar ganze Sätze. Vor allem aber schimpfte " Florin " in meinem Vokabular, obwohl ich es ihm / ihr nie beigebracht hatte. Er hatte solche Ausdrücke, wie " Mistkerl ", " Verbrecher " und - ganz besonders abstoßend - " Hurensohn " im Repertoire.
Nun, dann und wann mussten die beiden Amazonen zum Kralle schneiden. Das hätte ich bei " Florian " vielleicht noch selbst erledigen können, bei dem bissigen " Mira " indes nicht. Dieses Vorhaben wäre in einem Blutbad geendet. Also suchte ich mir einen Tierarzt in Bremen aus, der dieses für mich vornimmt. Ein Anruf bei der ersten Praxis hatte keinen Erfolg. Nein, man sei nur auf Hunde, Katzen, Meerschweinchen und sonstige Nager eingestellt. Mit Vögeln habe man wenig Erfahrung. Allenfalls nur mit Wellen - oder Nymphensittichen. Papageien seien zu groß.
Ich versuchte bei einem Tierarzt in der Bremer Neustadt mein Glück. Während ich in einem lustigen Frage - und Antwortspiel alles über die gefiederten Mitbewohner erzählen musste, sagte mir die nette Praxishilfe, dass Herr Doktor wohl keine Amazonen behandele - wegen der möglichen Bissgefahr und, weil er auch keine Erfahrung mit diesen größeren Vögeln habe.
Schließlich hatte ich bei einer Kleintierpraxis in Bremen - Huchting Erfolg. Eine erst kürzlich dort nieder gelassene Veterinärmedizinerin gab sich sehr aufgeschlossen. Ja, sagte mir eine sehr freundlich, beinahe kindliche Stimme, Frau Doktor Marx - Appmann würde auch Papageien behandeln. Also: Nichts wie hin mit den beiden Amazonen. In einem Transportkäfig fuhr ich die beiden Haustiere in die Praxis. Die junge Ärztin zeigte zwar ein wenig Respekt vor den Schnäbeln der beiden bunten Vögel, doch sie machte ihren Job exzellent. Sie zog sich dicke Handschuhe an und legte mit einer Spezialschere los. Knips, knaps - Krallen gestutzt.
Ich zahlte meinen Obulus von je 10 Deutsche Mark und bedankte mich artig mit einem " Auf Wiedersehen ".
Knapp 1, 5 Jahre später war Frau M. wieder weg. Sie zog nach München, wo ihr Mann eine gut dotierte Stelle angenommen hatte.
Zwischenzeitlich vergrößerte sich mein Haustierbestand. Ich hatte zwei Wellensittiche, die ich von Montag bis Samstag in das Büro mit nahm. Später bekam ich eine noch eine Yorkshire -Hündin geschenkt, die eine ältere Dame abgeben musste. Einige Jahre danach, die Yorkshire - Hündin musste mit knapp 15 Jahren blind und nahezu zahnlos eingeschläfert werden, legte ich mir eine Deutsche Dogge zu.
Nun, musste ich eines Tages wegen einer Verletzung, die sich die Dogge beim Auslauf zu bezogen hatte, zu einem anderen Tierarzt, der Notdienst hatte in die Bremer Neustadt. Als ich dort mit dem großen Hund in der Praxis erschien, schreckte mindestens ein Dutzend dort wartende Tierhalter auf. Einige Hundebesitzer nahmen vor lauter Schreck ihren Liebling auf den Schoss. Ich meldete mich bei der Tierarzthelferin an und schilderte kurz mein Anliegen. Meine Dogge " Floyd " hatte sich während seines mehr als dreistündigen, wilden Spaziergangs in einem schmutzigen Tümpel in der Steller Heide bei Bremen, eine tiefe Schnittwunde zugezogen. " Floyd " blutete wie ein Schwein. Ich presste einige Mullbinden um die Wunde und konnte so den Blutausfluss zunächst stillen. Doch, die tiefe Schnittwunde musste genäht werden.
Mein " Floyd " und ich durften sofort in den zweiten Behandlungsraum gehen. Alle anderen Wartenden nahmen beim Passieren des imposanten Rüden ihre Haustiere hoch. Der Tierarzt kam mit wehenden, weißen Kittel durch eine Nebntür in das Behandlungszimmer. " Floyd " sah ihn, knurrte nur kurz und bewirkte damit, dass der dynamische Doktor aus dem Schwung heraus, eine Umkehrbewegung vollzog und wie angenagelt an der weißen Wand klebte. " Beißt der? ", so lautete seine ängstlich Frage. " Nein, der frißt nur Tierärzte ", antwortete ich ihm.
Der Tierarzt wollte nun wissen, wie und wo er meiner Dogge helfen könnte. Ich schilderte meine laienhafte Diagnose sofort und er zog dabei eine Betäubungsspritze auf. Während ich meinen gutmütigen Freund zart unter dem Kinn Streicheleinheiten zukommen ließ, applizierte Herr Doktor hastig und immer noch ängstlich die Spritze. Das Mittel wirkte sofort. " Floyd " wankte, zitterte auf allen vier Läufen und knickte dann hinten ein. Dann kippte er auf den weißen Fliesenboden und schlief. Jetzt wuchteten wir gemeinsam die über 80 Kilogramm Kampfgewicht auf den verchromten und aus gebürsteten Stahlblech bestehenden Behandlungstisch. Dr. Vet. Angsthase, der sich auf Hunde spezialisiert hatte und einen über das bremische Stadtgebiet hinaus gehenden, exzellenten Ruf besaß, legte " Floyd " eien riesigen Maulkorb um und begann dann erst mit der Wundbehandlung. Er säuberte den Schnitt, nahm Nadel und Farn und schloss die Wunder gekonnt mit mehr als 10 Stichen. Dann wuchteten wir die Dogge vom Tisch und legten " Floyd " auf einen Transportwagen. Von dort schob ihn der Tierarzt in einen separaten Aufwachraum.
Er bat mich, noch etwa eine halbe Stunde im Wartezimmer Platz zu nehmen, bis seine Mitarbeiterin mich wieder aufrufen werde. Während ich dort nun saß, konnte ich beobachten, wie sich die Halter der verschiedenen Haustiere gegenseitig, immer mit einem Quentchen Argwohn im Blick, wechselseitig beschnupperten. Ein kleiner, am ganzen Körper zitternder Mops brachte dann ein Gespräch in Gang. Ich wollte eigentlich nur wissen, was dem kleinen Hund fehle und brach damit das tiefe Schweigen im Warteraum. Ja, er habe sich heute Morgen übergeben und, ja, man mache sich Sorgen, weil er seinen Fressnapf mit " Cesar " nicht angerührt habe. Hmh, dachte ich so bei mir, vielleicht sollte er ein wenig absprecken, formulierte meinen Gedanken aber nicht, sondern behauptete schlankweg und in einem fachmännisch, bestimmten Ton, dass er vielleicht etwas falschen gefressen haben könnte.
Das war dann der Aufhänger für eine Frage von seinen des Mopshalters. Also, ob mein Hund ein Dalmatiner sei und was der am Tag so fresse? Nein, es sei keine Dalmatiner, sondern eine Deutsche Dogge und so 2 Kilogramm Futter wären es dann schon je Tag. Das sei dann wohl auch sehr teuer, wollte ein anderer Hundebesitzer wissen. Nein, so teuer nun doch wieder nicht. Ich würde das Futter immer selbst zubereiten- Die Dogge bekäme Rindermagen, Pansen und Rinderherz, gemischt mit Reis und frischem, gekochten Gemüse. Es folgte ein Oh, Ah und Aha in der Runde. Während wir uns noch angeregt unterhielten, rief die nette Sprechstundenhilfe einen Patienten nach dem anderen auf. Zuletzt waren nur noch zwei oder drei Hinzugekommene übrig, ehe ich nach vorne bestellt wurde.
Inzwischen war mein " Floyd " aus dem Tiefschlaf erwacht. Er zeigte sich noch ganz wackelig auf den Beinen und der Tierarzt schaute ihn in die beiden Augen, ehe er uns entließ, nicht aber, ohne zuvor der Maulkorb abzunehmen, " Den Verband können Sie dann selbst nach drei bis vier Tagen entfernen. ", sagte der Hundespezialist. Dann wollte er uns verabschieden und zur Kasse bitten. " Behandeln Sie eigentlich auch Vögel? ", wollte ich von ihm noch wissen. " Vögel? Was für welche? ", stellte er mir die Gegenfrage. " Na, Papageien! ", sagte ich ein wenig forsch. " Papageien? ", er sah mich an, als hätte ich ihm gerade ein unzüchtiges Angebot gemacht. " Ja, eine Blaustirn - und eine Gelbwangenamazone. ", gab ich ihm zur Antwort.
" was? Was muss da gemacht werden? ", fragte er mich weiter. " Die Krallen schneiden. ", entgegnete ich ihm. " Die Krallen schneiden? ", wiederholte er immer noch, wie ein Trecker mit halb offenen Mund schauend, meine Antwort. " Nein, nein, nicht bei mir. ", stellte er mit einem ängstlichen Unterton dann fest.
Ich bedankte mich bei ihm und zahlte die Rechnung, ehe ich meine Dogge an dem Halsband mit beiden Händen ziehend und führend aus der Praxis begleitete. So ein Schisser, dachte ich bei mir. Warum hat der eigentlich Veterinärmedizin studiert?
Diese kleinen Episoden waren nur einige aus der langen Reihe von Begebungen mit den Damen und Herren aus der Tierarzt - Szene. Es gab und gibt noch heute, deren viele. Es sind oder waren gute, weniger gute oder auch schlechte dabei. Wie alle anderen Dienstleister und Protagonisten auf dem unendlich großen Feld der Heimtier - und Tierversorgungsmärkte. Dort, wo jährlich mehr als 3 Milliarden Euro Umsatz erzielt werden. Wo es inzwischen über 330 Hunde - und Katzenfutteranbieter gibt. Die Industrie bietet längst Dinge an, über deren Sinnhaftigkeit, ein wahrer Tierfreund, ein profunder Kenner von Haustieren, nur heftigst den Kopf schütteln kann. Nun, gut, business as usual.
Das ist überall so, wo es um das Geld verdienen geht.
Frau Schießl´s Rassehuhn konnte gerettet werden. Es hatte die anderen sechs Lieblinge nicht angesteckt. Weil sie eine kompetente Tierärztin fand, die ihr Anliegen genauso ernst nahm, wie es bei anderen Klein - und Haustieren dann wohl auch der Fall ist. Bei der Tierliebe kommt es nicht darauf an, für welches Lebewesen sich ein Halter entscheidet. manche haben zu Hause Vogelspinnen, Würgeschlangen oder Leguane; andere wiederum Ratten, Mäuse und Hamster. Darüber könnte jeder andere Tierhalter nun geteilter Meinung sein.
" Gollum ", das Araucana - Huhn wurde gesund, erfreute seine Halterin und deren Familienanhang und legte bald danach sogar die grünen Eier.
Eine wunderbar einfühlsame Geschichte ging damit für die " SPIEGEL " - Journalistin zu einem guten Ende.
https://magazin.spiegel.de/SP/2016/24/145210848/index.html?utm_source=spon&utm_campaign=centerpage
In diesem Sinne: Schönen Rest - Sonntag noch mit " led Zeppelin " und " Ramble On ":
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