Zwei " Universum " - Verstärker von " Quelle " und ein " Do what you like " von " Blind Faith für Wolfgang St. aus Bad Eilsen.



Wenn ein neues Jahrzehnt eingeläutet wird, muss dieses nicht gleichsam mit Veränderungen einhergehen. Ein Jahreswechsel kann durchaus mit dem vorherigen identisch sein, zumindest dann, wenn den Menschen, die ihn feiern, eher einfältig sind. So oder so ähnlich habe ich einige der Silvesterabende in den frühen 1970ern in Erinnerung. Sie gestalteten sich öde. Und weil sie unendlich öde waren, ich jedoch noch jung und ständig auf der Suche nach Abwechselung in der Ödnis der niedersächsischen Provinz, war, traf ich mich an einem Silvesterabend, nämlich den zum Jahreswechsel 1970 / 1971 mit einem damaligen Freund, einem Bekannten aus dem Umfeld des CVJM Bad Eilsen, um es mal ordentlich krachen zu lassen.

Deshalb traf ich mich an jenem Silvesterabend mit dem einstigen Bekannten Wolfgang St. in dessen Zimmer, dass er bei seinem Stiefvater eingerichtet bekam. Dieser war Landwirt in Bad Eilsen und betrieb eine Milchwirtschaft. Der Milchbauer St. hatte mit unserer Musik natürlich wenig am Hut. In seinen Ohren mussten die schrillen Gitarren - Soli, die wummernden Bass - Figuren und das knall - hart hämmernde Schlagzeug. sich so ähnlich angehört haben, wie das quietschende Silage - Förderband im Kuhstall, der tuckernde " Lanz " - Traktor auf dem Acker oder die blechernd schlagenden, überall zerbeulten Aluminium - Milchkannen.

Da saßen wir nun seit dem frühen Abend im Zimmer von Wolfgang St. und hörten uns gemeinsam die LPs aus seiner bescheidenden, aber dafür edlen Sammlung an. Als da waren: Rare Earth und das 22 - Minuten - Stück " Get Ready ", Joe Cocker und sein klasse Doppel - Live - Album " Mad Dogs and Englishman " oder auch Deep Purples - Klassiker " In Rock ".

Die Zeit verflog. Es war längst nach 22.00 Uhr und Wolfgang hatte längst noch nicht alle LPs aus seinem Schuber aufgelegt. Im Gegensatz zu mir, besaß er die um Lichtjahre bessere Stereo - Anlage. Sie bestand aus zwei " Quelle " - Universum Verstärker mit einer Nennleistung von jeweils 2 x 100 Watt und 2 x 70 Watt Musikleistung, bei 4 Ohm Ausgangsspannung. Dazu besaß er vier ( ! ) Stereo - Boxen von Universum mit einem Drei - Wege - Lautsprechersystem, die jeweils 150 Watte Nennleistung und 100 Watt Musikleistung besaßen. Ein erforderliches Mischpult hatte er sich selbst zusammen gebaut; der Plattenspieler war allerdings von "Lenco " und war mit einem teuren Abtast - System bestückt. Zudem hatte Wolfgang das " Lenco " - Plattenreinigungsset  installiert.

Sicherlich gab es schon damals wesentlich bessere Stereo - Anlagen; doch diese waren für den Duchschnittsbundesbürger unbezahlbar. Wolfgang´s Wohn - Arbeits - und Musikzimmer war dennoch einige Tausend Mark wert.

Ich wollte mich eigentlich schon längst verabschieden, als mein Gastgeber dann eine LP aus dem Schuber zog, die ich einige Monate zuvor schon in dem Platten - Gestellen bei Radio " Pelzig " in Bückeburg gesehen hatte. Es war das Debütalbum der zur " Supergroup " hoch stilisierten Band " Blind Faith ", der neben dem " Gitarren - Gott " Eric " Clapp " Clapton, der Sänger, Gitarrist und Organist Steve " Stevie " Winwood, der Bassist und das Ex -Family " - Mitglied Rick Grech sowie der Schlagzeuger Ginger Baker, der zuvor, wie Clapton bis zu deren Auflösung, bei der Band " Cream " spielte.

Das Plattencover zeigte ein halb - nacktes - wohl minderjähriges - Mädchen, eine so genannte Lolita, die ein Spielzeug - Kampfflugzeug in den Händen hielt. Diese LP - Hülle wurde alsbald zensiert und der Verkauf der " Blind Faith " - Vinylscheibe mit diesem Cover in Westdeutschland verboten, weil dieses unter dem Index der jugendgefährdenden Veröffentlichungen fiel.

Nun, gut, die Prüderie kannte eben einst keine Grenzen. Dafür war die in dem Cover enthaltene Platte aller erste Sahne. Und das meinte auch mein Bekannter von damals, denn der riss die Anlage richtig auf, als er das 15 minütige Epos " Do what you like " der Gruppe abspielte.
Wie gebannt saßen wir auf den beiden Cocktail - Sesseln in seinem sonst eher bescheiden eingerichteten Raum und hörten dem Quartett aus England zu.

Die wunderbar melodiöse Stimme von Stevie Winwood leitete das Lied ein, ehe er dann selbst zu einem Orgel - Solo ansetzte. Es folgte Clapton´s geniales Gitarren - Spiel, sodann eine längere Bass - Passage von Rich Grech, dass die Bass - Lautsprecher der Anlage zum Wummern brachte, ehe dann der " Oldie " Ginger Baker, sein Schlagzeug - Solo auspackte und aus allen Lagen auf seine dazu gehörenden Trommeln, Becken und sonstwas eindrosch.

Die Luft schien von dem Klangteppich aus den vier Boxen fast zerschnitten zu werden. Schwärmerisch saßen wir immer noch in den beiden Sesseln, als plötzlich die Tür von Wolfgang´s Zimmer aufgerissen wurde und ein kleines Männchen mit schütterem, längst ergrautem Haar in Türrahmen stand und irgendetwas von " Ausmachen " brüllte. Wolfgang schoss wie von einer Tarantel gestochen, aus seinem Sessel hoch, ging ein paar Schritte in Richtung seines Stiefvaters, dem Milchbauern St. und schrie mehrfach " Raus! Raus, hier! Raus! ". Die Tür wurde zugeschlagen und Wolfgang setzte sich wieder, nicht ohne zuvor eine Reihe von nicht stubenreinen Verwünschungen auszusprechen.

Ginger Baker hatte sein Drum - Solo noch nicht abgeschlossen. In unverminderter Lautstärke produzierten die vier " Quelle Universum " - Boxen und die insgesamt zwölf Lautsprecher einen orgiastisches Schlagzeug - Inferno. Obwohl ich mir dabei so einige Gedanken machte, wie Wolfgang mit einem derart rotz - frechen Verhalten gegenüber dem Stiefvater überhaupt dort klar kommen konnte, kamen mir auch Überlegungen, dass der infernalische Lärm aus dem Zimmer, dann doch die Kühe bei der Nachtruhe gestört haben könnte und sie am folgenden Morgen ab vier Uhr, eventuell nur eine stark verminderte Milchleistung abliefern könnten.

Nun, denn, ich bekam diese, wie auch andere Fragen, so auch nach der Herkunft des Geldes für die üppige Musikanlage von meinem Musikfreund nicht beantwortet. Viele Jahre später, wusste ich aber, dass Wolfgang von Zuhause längst ausgezogen war, weil sein Stiefvater verstarb und die Mutter das Objekt allein nicht mehr bewirtschaften und finanziell aufrecht erhalten konnte. Aja, jetzt war vollkommen klar, wer die riesige Stereo - Anlage bezahlt hatte.

Wolfgang absolvierte mittlerweile eine Lehre als Elektriker bei der Firma Mews in Bückeburg und lernte hierüber andere Freunde kennen. Wir verloren uns aus den Augen, zumal ich ab 1972 zum Barras eingezogen wurde und eher selten in Bad Eilsen verweilte.

An jenem Silvesterabend indes verließ ich gegen 23.00 Uhr meinen Gastgeber und machte mich auf den gut 1 Kilometer langen Heimweg. Unterwegs summte ich den " Blind Faith " - Titel und brummte dazu den Refrain " Do what you like, do what you like, yeah, do what you like. " Dazu imitierte ich das Baker´sche Schlagzeug - Solo mittels Luftakrobatik beider Hände.

Ja, " Do what you like " - diesen Rat hätte ich von da an und in den vielen späteren Jahren, eher beherzigen sollen. Mir wären viele Ereignisse und Pleiten des Lebens eher erspart geblieben.



https://de.wikipedia.org/wiki/Blind_Faith





Ach, ja, übrigens: Die " Quelle Universum " - Geräte wurden einst von dem Konzern aus Fürth in der Nähe von Bautzen, also in der ehemaligen DDR gebaut und zum Klassenfeind für Devisen exportiert. " Do what you like ". Wenn das der inzwischen längst nicht mehr auf meiner Wellenlänge verweilende, ehemalige JUler und CDUler St. gewusst hätte!


http://www.radiomuseum.org/forum/wer_produzierte_fuer_quelle.html

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