Wo liegt Penningbüttel?



Als ich im Mai 1980 mein BWL - Studium an der Hochschule für Wirtschaft ( HfW ) in Bremen erfolgreich mit einem Diplom in der Tasche zu Ende gebracht hatte, war für mich bereits klar, das Jura - Studium noch anzuhängen. Was für einen einstigen Normalo aus meiner Genration eher wie Harakiri aussah, war für mich eher der Drang nach Wissen.
Doch so einfach umzusetzen, war mein Vorhaben denn doch nicht. Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ( BaföG ) wurde ein so genanntes Zweitstudium nur dann finanziert, wenn es eine " sinnvolle Ergänzung " zu der Erstausbildung gewesen wäre. Nun, Betriebswirtschaftslehre und Rechtswissenschaften hatten und haben vielleicht einige Parallelen aufzuweisen, doch deckungsgleich sind diese Studiengänge eben nicht.

Und so gab es dann eben keine Ausbildungsförderung auf Darlehnsbasis. Stattdessen lebte ich bis zum Ende des 6. Semester von den vielen Ferienjobs, denen ich während der vorlesungsfreien zeit nach ging.

Einer davon führte mich über viele Monate in einen Ort, der in der Nähe von Osterholz - Scharmbeck liegt. Pennigbüttel. Ein inzwischen auf satte 2.000 Einwohner angewachsenes, zur Kreisstadt Osterholz - Scharmbeck zählendes Dorf, Pennigbüttel war demnach nicht nur sehr ländlich geprägt, sondern nach Einbruch der Dunkelheit sagten sich dort Fuchs und Hase regelmäßig Gute Nacht.

Der Job, den ich über einen aus Afghanistan stammenden Kommilitonen, dem ich einst ein wenig bei seinen Hausarbeiten und Referaten in dem Studiengang Ökonomie, etwas mehr als nur Hilfestellung gab, vermittelt bekam, bestand aus vielerlei Aushilfsarbeiten beim Umbau eines ehemaligen Bauernhofes.

Dieses Anwesen wurde in den frühen 1980er Jahren von einem Orthopäden aus Bremen gekauft. Der beabsichtigte alsbald danach mit seiner Familie dort einzuziehen. Doch zuvor hatte der Hobby - Bauplaner noch unendlich viel Arbeit und Geld in sein Projekt zu investieren. Und so beschäftigte er ab Sommer 1981 eine Reihe von Schüler und Studenten, mit denen Dr. med C. C. Bohlius beabsichtigte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Irgendwann zum Ende des Wintersemesters 1980 / 1981 stellten wir uns bei dem Bauherren in Penigbüttel vor. Die Fahrt führte uns in meinem blauen Renault R 4 von dem Wohnheim an der Universitätsmensa zunächst in Richtung Autobahn. Hierzu mussten wir auf den Hochschulring fahren und von dort auf die A 27 nach Bremerhaven / Cuxhaven zu gelangen. Wir nutzen die dazu die Auffahrt Bremen Nord ( diese hießt damals Industriehäfen, Blockland, Müllverbrennungsanlage, Universität ). Nach 6 Kilometer durften wir die A 27 bereits wieder verlassen und nahmen dazu die Abfahrt Ritterhude. Dort nutzten wir die Kreisstraße 8 in Richtung Osterholz - Scharmbeck.

Während mein afghanischer Mitbewohner des Studentenwohnheims an der Leobener Straße 4 in Bremen und ich dann regelmäßig auf die Baustelle fuhren, besorgte der Herr des Baus, Dr. med. C.C. Bohlius, aus Bremen, wo er zusammen mit seiner Ehefrau eine orthopädische Praxis im Stadtteil Walle betrieb, das Material und gab die entsprechenden Anweisungen zu dessen Verarbeitung.

Dr. C.C. Bohlius, Jahrgang 1937, war zu diesem Zeitpunkt gute 44 Jahre alt und beruflich so wie auch privat im vollen Saft. Er hatte die Praxis vor Jahren übernommen und brüstete sich damit, mehr als eine halbe Millionen Deutsche Mark damit umzusetzen. Allehand, bedenkt der nicht so Bewanderte, dass die Gesundheitsreform des " Die Rente ist sicher " Norbert Blüm ( CDU ) kurz danach vielen seiner Kollegen die Luft abwürgen sollte. Nun, Carl - Christian wollte investieren und damit natürlich auch Steuern vermeiden. Das war damals schon gut für Besserverdienende, legal und zudem Konjunktur fördernd.

So legte der Bauherr aus Bremen im Kuhnest Pennigbüttel denn ordentlich los. Besorgte sich viele Aushilfen, also Schüler, Studenten und Schwarzarbeiter und sanierte den alten Kotten an der - so meine Erinnerung - Neuendammer Straße in Pennigbüttel.

Und während der Bauherr noch nebenbei seine Praxis hoch hielt, nahm das einstige Bauernhaus nach und nach eine völlig andere Gestalt an. Der Sommer 1981 verflog, die Schwalben, die sich unter dem Reet gedeckten Hausdach ihre Nester eingerichtet hatten, zogen Ende August wieder zurück nach Afrika und mein Arbeitgeber baute immer noch.
Zwischenzeitlich fiel mein afghanischer Studienkolleg von der Metallleiter, brach sich dabei drei Rippen und wurde arbeitsunfähig. Weil der Bauherr Carl - Christian uns als Aushilfen doch tatsächlich offiziell bei der Krankenkasse angemeldet hatte, musste er 6 Wochen lang für den Verunglückten auch Lohnfortzahlung leisten. Danach bekam mein Studienkollege noch einige Zeit lang Krankengeld, ehe er im Folgejahr wieder als Aushilfe bei ihm einstieg.

Im Sommer 1982 war dann das Bauernhaus bezugsfertig und wir beendeten dort unsere Arbeit. Davor rutschte ein zweiter Student auf einer Leiter, die zum Dachboden führte ab und knallte auf seinen voluminöses Gesäß, zog sich dabei ein Fußball großes Hämatom zu und wurde von unserem Bauherrn selbst behandelt. Während dessen Griechenland - Urlaubs hütete ich die Baustelle und erhielt für die 20 Nächte ein zusätzliches Salär von sagenhaften 500 DM. Viel Geld, für einen armen Studenten.

Obwohl sich Dr. C.-C. Bohlius durchaus sozial eingestellt zeigte, stänkerte er während der Arbeiten am Haus ständig gegen die linken Uni, die linken Studenten und das linke Bremen, an dem er als CDUler natürlich kein gutes Haar beließ. Ähnliche Sprüche klopfte seine , nur dann und wann, anwesende Ehefrau. Grinsend kommentierten wir seine Schimpfkanonaden und warteten darauf, dass er uns wöchentlich auszahlte. Was pünktlich und korrekt erfolgte.

Carl - Christian B. zog einige Monate nach dem Ende meiner Tätigkeit in Pennigbüttel in das dortige Haus ein.  Ich habe ihn danach nie wieder gesehen.

Die Jahre vergingen. Ich beendete mein Jura - Studium im Dezember 1986 und wurde - so wie viele meiner Kommilitonen auch - Rechtsanwalt. Als ich in den frühen 1990ern einen Fall eines einstigen Studienkollegen übernahm, der auch in Pennigbüttel gearbeitet hatte, erzählte mir dieser, dass er regelmäßig an der Praxis des vormaligen Arbeitgebers vorbei ginge. Wir unterhielten uns noch ein wenig über die gemeinsame Ferienarbeit dort.
Irgendwann im Jahr 1995 rief er in meiner Kanzlei an, um dort einen Termin für seine Verlobte zu vereinbaren. Er erzählte mir dabei, dass Dr. C.-C. Bohius verstorben sei. In Pennigbüttel, wo er für etwa 13 Jahre gelebt hatte.

Auf der Rückfahrt von meinem Büro erinnerte ich mich an das erste Album der Dire Straits, dass ich auf einer 90er - Kassette aufgenommen hatte und während der Fahrten von Bremen nach Pennigbüttel beinahe täglich abspielte.

Wo liegt eigentlich Pennigbüttel?

Irgendwo in Niedersachsen, zirka 25 Kilometer nördlich von Bremen, im Landkreis Osterholz - Scharmbeck. Mittlerweile wohnen dort fast 2.000 Menschen und auch einige Flüchtlinge. Die gab es in Westdeutschland 1980 / 1981 auch schon.

Dire Straits und " Tunnel of Love ", aus dem Album " Making Movies ", 1980:









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