CCR, Helga B. aus Steinbergen und ein Damenrad im Graben.


Die Musikgruppe " Creedence Clearwater Revival ", kurz: "  CCR ", zählte vor mehr als einem halben Jahrhundert zu den erfolgreichen Beat - und Popinterpreten in der westlichen Hemisphäre. In ihrer Blütezeit von 1968 bis 1971 fanden sich die Single der Mannen rund um die Gebrüder Fogerty regelmäßig in den westdeutschen und internationalen Charts wieder. Es entstand eine Art von " CCR " - Manie, die im Jahr 1972 abrupt endete und zur Auflösung der Formation führte.

 In jenen knapp vier Jahren aber, katapultierten die Medien die US - amerikanische Formation in nahezu schwindelnd erscheinende Höhen. John Fogerty, Tom Fogerty, Stu Cook und Doug Clifford waren Hit - Garanten. Ihre Plattenfirma " Fantasy Records ", ein zunächst eher auf Jazz spezialisiertes Klein - Label, konnte den Erfolg kaum fassen. Die Gruppe war deshalb in den vier Jahren sehr produktiv und spielte 6 LPs  ein, aus denen 12  Single ausgekoppelt wurden. 

Als 1970 das Album „ Cosmos Factory „ auf den Markt kam, landete es nahezu folgerichtig auf Platz Eins der Verkaufslisten. Auch die hieraus stammenden Single, wie  „Who´ll Stop The Rain / Travellin´Band    „ oder auch „  Run Through The Jungle / Up Around The Band „ belegten in den Charts wochenlang Spitzenplätze. 

Im Alter von zarten 15 Lenzen hörte ich zum ersten Mal die Single " Proud Mary / Born On A Bayou ", die ein bessere informierter Schüler aus meiner Klasse irgendwann auf irgendeiner der so genannten Feten mit brachte. Die Musik gefiel mir. Ich kaufte deshalb die Single bei Pelzig in Bückeburg. Es folgten " Bad Moon Risng ", " Green River " und " Down On The Corner ", " Up Around The Band " und die beiden " Regen - Lieder " " Have You Ever Seen The Rain " sowie " Who´ll Stop The Rain ". Was die Forgerty - Mannen da besangen, verstand ich zwar nicht, aber das war damals völlig egal. Zumindest phonetisch konnte ich einige Passagen der Titel mit plärren.

Nach der Schule , die ich dann mit einem Abschlusszeugnis verließ, musste ich nahtlos eine Lehre zum Einzelhandelskaufmannsgehilfen antreten. Wenigstens hatte ich monatlich 40 DM zur eigenen Verfügung. Von dem Lehrlingsgeld, dass ja heute wohl Ausbildungsvergütung heißt, musste ich 50 DM zuhause abliefern ( Kostgeld!!! ). Immerhin reichten die 40 Mark, um mir jeden Monat ein paar Single zu kaufen. Darunter eben auch jene von " CCR ". Die dudelten dann auf meinen Plattenhobeln auf und ab.

Die 70er Jahre brachen an. Langsam änderte sich mein Musikgeschmack. " CCR " hatte bereits ausgedient, als ich im Sommer 1970 die LP " Cosmos Factory " in den Händen hielt. Die B. - Zwillinge aus Steinbergen hatten sich jene Scheibe zugelegt.

Die beiden zweieiigen Schwestern lebten bei ihren Eltern in Steinbergen; in der Nähe zur Stadt Rinteln. Die Eltern - beide damals schon betagter als der Durchschnitt jener, die ich aus meinem Freundeskreis kannte, hatten am Waldrand ein kleines, ziemlich herunter gekommenes Haus bewohnt. Ob es ihr Eigentum war, kann ich nicht sagen. Es sah von weitem eher wie eines, dieser aus den Märchen mir bekannten Hexenhäuschen aus. Mit Efeu und Wein an der Eingangsfassade, alten, schon verwitterten Holzfenstern und ein maroden Dach. Es lag, vollkommen umrahmt von Bäumen, Hecken, Sträuchern, beinahe an einem verwunschenen Ort; nur durch einen holprigen Feldweg erreichbar.  

Die B. - Zwillinge kamen einst, ab der 5 Klasse von Steinbergen zu der Volksschule nach Heeßen. Sie wurden in die B - Klasse aufgeteilt. Beide Mädchen, die Christa und Helga hießen ( es waren einst typische Namen ), wurden danach zum Schwarm vieler Jungs. Nicht nur aus meiner Klasse versuchten einige von ihnen sich mit den Zwillingen anzufreunden. Die B.s interessierten mich nicht besonders. Ich hatte vornehmlich Fußball, den Sportverein und die Beatmusik im Kopf. Mädchen hatten zu jener Zeit da keinen Platz. Während nicht wenige Jungs in meinem Alter und aus meiner Klasse rauchend, Radio hörend und dabei provozierend auftretend, sich mit Mädchen trafen, jagte ich in der Freizeit dem Lederball hinter her.

Nach der Schule wurde das anders. Ich hatte kaum noch Freizeit und gab deshalb das Fußballspielen im Verein auf. Mein Hauptaugenmerk lag nun nur noch auf der Musik, Und damit jenen Bands, die Rock und ähnliche Richtungen spielten. Wie gesagt, " CCR " gehörte nicht mehr dazu. Auf den Feten, bei denen ich die Platten auflegte, spielte ich bald nur noch Stücke von " Ten Years After ", " Taste " oder " Rare Earth ", von " Titanic ", " Golden Earring " und " Canned Heat ". " Jetgro Tull ", " Black Sabbath, " Deep Purple " ...... usw.

Auf irgendeiner Geburtstagsfeier erschienen dann die B. - Zwillinge. Ein Nachbarjunge hatte sie eingeladen. Christa B., die damals schon etwas properer als ihr Schwester war, wurde sofort von den anwesenden Jungs in Beschlag genommen. Ihre Schwester Helga indes war nicht so der gefragte Typ. Das lag nicht nur daran, dass sie eher etwas vorlaut auftrat, dazu pechschwarze Haare und einen " Bubikopf " trug, sondern dass die fraulichen Formen bei ihr nicht so hervor stachen.

Irgendwann im Sommer 1970 wurde ich dann bei B.s zum Geburtstag mit eingeladen. Nun ja, die Räume in dem Häuschen am Ortsrand von Steinbergen waren sehr bescheiden eingerichtet. Ich kann mich zwar nur noch daran erinnern, dass die Gäste in einer Diele saßen und es Obst bowle Cola, Fanta und anderes süßes Gelumpe zu trinken gab; dazu Salzstangen, Flips und Erdnüsse. Die üblichen Rahmenbedingungen bei den damaligen Feiern. Eigentlich ging es bei diesen fröhlichen Zusammensein nur darum, dem anderen Geschlecht ein wenig näher zu kommen. Bei jenen - zumeist eher ungelenkten - Versuchen, kamen sich dann Mädels und Jungs etwas näher. Vor allem beim Tanzen. Und vornehmlich beim Schwofen.

Dazu eignete sich die Musik von " CCR " aber eher nicht. Es sei denn, der Titel " Long As I Can See The Light " wurde abgenudelt. Alle anderen Hits waren lediglich tanzbar. 

Auf jener Fete bei den B.s schaute ich mir denn die neue Errungenschaft der beiden Geburtstagskinder " Cosmos Factory " ein wenig genauer an. Tja, gekauft hätte ich mir die LP, die 19 DM kostete, sowieso nicht, aber die Stücke interessierten mich schon. Auch die weiteren Vinylscheiben der Beiden waren zumindest eines Blick es wert. Da lag noch das Doppelalbum der " Bee Gees " mit dem Titel " Odessa "; " Abbey Road " von den " Beatles " erkannte ich auch. Einige LPs waren ausgeliehen. Hardrock - Alben suchte ich indes vergebens. 

Irgendwann an jenem Abend unterhielt ich mich dann mit der knapp 1 Jahr älteren Helga B. über Musik. Das Gespräch war eher belanglos. Als dann die Geburtstagsfeier beendet war, wusste ich, dass mich - bis auf das " CCR " - Album, eigentlich keine anderen Scheiben wirklich vom Hocker rissen. Was ich nicht bemerkt hatte, war, dass die gute Helga ein Auge auf mich geworfen hatte. Nun, ich trug die Haare inzwischen ein wenig länger, war schlank, eher der Typ " Spargel - Tarzan " und 1,86 m groß. Für die mindestens ein Kopf kleinere Helga wohl so attraktiv, dass sie sich später bei meiner Schwester danach erkundigte, ob ich eine Freundin hätte. Die meldete ihr Fehlanzeige.

Auf einer weiteren Fete erschienen auch die B. - Zwillinge. Wir saßen mit ihnen später zusammen. Weil sich Helga - mutmaßlich wegen mir - den Mund fusselig redete, ein Bekannter aus der Nachbarschaft darüber ständig los lachen musste, schnallte ich denn auch, dass die Gute mich näher kennen lernen wollte. Gesagt, getan. Wir verabredeten uns an einem Wochentag, an dem ich Berufsschulunterricht hatte und anschließend nicht mehr zur Lehrstelle musste, bei ihren Eltern in Steinbergen. Ich fuhr mit dem Bus dort hin und lief den Rest der Strecke zu Fuß.

Es war bereits dunkel, als ich mich wieder auf den Rückweg machte. Das " CCR " - Album lieh sie mir  zum Aufnehmen aus. Ich hatte es in einer Plastetüte, die am Fahrrad von Helga herum baumelte, die mich begleitete hing, mit bekommen. Ihr Rad, es war ein Damenrad, dass seine besten Jahre bereits hinter sich hatte, besaß wenigstens ein funktionierendes Licht, womit wir den unbeleuchteten Feldweg besser einsehen konnte.  Als wir außerhalb des Blickfeldes vom elterliche Haus war, kamen wir uns wie auf Kommando näher. Beim Knutschen verlor Helga das Gleichgewicht, rutschte vom Rand des Feldweges ab und riss mich gleich mit. Da lagen wir dann zusammen die der " CCR " - LP im Graben, an dem überall Unkraut wuchs, wie auf einer weichen Matratze. 

Nachdem wir uns ein wenig abreagiert hatten, begleitete Helga mich bis zur Bushaltestelle und fuhr dann zurück. Wir trafen uns danach noch einige Male, so auch auf dem Bückeburger Jahrmarkt. Während des Auto - Scooter - Fahrens kam ein ehemaliger Schüler aus der Klasse auf uns zu. Er machte meiner Begleitung ständig Avancen und lud sie einige Male zum Karussell Fahren ein. Einige Wochen später fuhr ich, dass Helga mit ihm zusammen war. Ehrlich besagt, es machte mir nicht besonders viel aus. Wohl deshalb nicht, weil die Zuneigung eher einseitig gewesen war. Die LP von " CCR " gab ich dann der Schwester zurück. 

" CCR ", Helga B. und das umgekippte Damenrad im Graben, blieben zwar in meiner Erinnerung, doch sie hinterließen keine großen Spuren. Jeder ging seine eigenen Wege. 

Beim Klassentreffen nach 20 Jahren waren die Geschwister B. nicht anwesend. Sie hatten zuvor abgesagt. Fünf Jahre danach ebenfalls nicht. Doch nach 30 Jahren, also 1999, erkannte ich die Schwester, Christa B., unter den Anwesenden. Helga ließ sich entschuldigen und mich herzlichst grüßen. Sie hatte wohl gehört, dass ich geschieden war. Ihr Leben verlief jedoch in weitaus schieferen Bahnen. Will heißen: Sie kam mit diesem nicht so richtig klar. 

Die Eltern der B.s gehörten der religiösen Sekte der  Zeugen Jehovas " an. Deshalb hatten die beiden B.s an den Wochenenden nie Zeit. Sie mussten in die " Gottesdienste " und auch dort " Gemeindearbeit " leisten. Was Helga nach einer Ausbildung beruflich weiter gemacht hat, weiß ich bis heute nicht. Auf jeden Fall wurde sie psychisch krank, musste Psychopharmaka einnehmen und wurde dementsprechend sehr dick. Vielleicht hatte sie sich deshalb auch geschämt und ist zum letzten Klassentreffen auch nicht erschienen.

Das Leben war für sie wohl mehr als eine Achterbahn? Eher eine Schussfahrt nach unten?


CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL  -  Long As I Can See The Light  -  Cosmos Factory  -  1970:




         


   

 


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