Keine Fahrt mit der RB 30 von Dresden nach Chemnitz - Teil II
Die Abfolge der Frühjahrsstürme in diesem Jahr erscheint einem nicht mehr ganz so Taufrischen schon etwas außergewöhnlich zu sein. Der dritte schwere Sturm mit dem Namen " Antonia " brauste gestern Nacht über Europa hinweg und ließ nicht nur so manche Außenjalousie ordentlich klappern. An einen erholsamen Schlaf war da - zudem hatten wir noch Vollmond - nicht zu denken.
Auch die DB quälte das dritte Sturmtief in Folge ein wenig, obwohl bereits viele Züge wieder fuhren. Ob dieses auch auf der mir bestens bekannten Strecke von der sächsischen Landeshauptstadt in Richtung Chemnitz der Fall war, kann ich nicht sagen. Die Nachrichten meldeten immerhin keine Totalausfälle, sondern lediglich Störungen im Betriebsablauf auf vielen Regionalstrecken. Der starke Wind, der Sturm, der wütende Orkan, ist indes nur einer von vielen Gründen hierfür.
Da gibt es eine Betriebsstörung durch eine/n Lebensmüde, die / der seinem irdischen Dasein ein abruptes Ende bereitet, indem sie/er die Gleise betritt und sich von einem heran jagenden Zug zerstückeln lässt. Keine würdige Art und Weise, seinem Leben ein Ende zu setzten. Für die Mitarbeiter des Transport - und Verkehrsriesen aber auch nicht. Wenn eine - vielleicht erfolgende - Lautsprecherdurchsage auf eine " Betriebsstörung " hinweist, derentwegen ein Zug verspätete ankommt bzw. weiter fährt oder eine Zugverbindung gar ausfällt, ist es ein Suizid, der den Reisenden zum Warten auf dem Bahnhof / der Haltstelle verdammt.
Aber auch Gleisbauarbeiten können immer wieder ein Grund für Störungen im Betriebsablauf der Deutsche Bahn sein. Die angebotene Alternative nennt sich sodann - ganz im Bahnjargon mitgeteilt - Schienenersatzverkehr. Eine grausame Variante des Massentransporteurs, durch einen behäbigen, über die Landschaften rumpelnden Kaste, noch mehr Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Sofern jener Schienenersatz überhaupt funktioniert, dauerte die Fahrtzeit dann von Dresden nach Chemnitz doppelt so lange.
Ungezählte Male blieb aber der Zug auf einem Teil der Strecke stehen und entließ die Fahrgäste inmitten der mittelsächsischen Pampa. Es war Winter, es war kalt, windig, es hatte zuvor heftig geschneit. Somit keine idealen Voraussetzungen dem Werbeslogan der Deutsche Bahn, der da einst vollmundig lautete: " Die Bahn kommt.... immer an! " zu glauben.
Im Verlaufe der vielen Jahre, in denen meine bessere Hälfte als Pendlerin von Dresden - Plauen zum Hauptbahnhof in Chemnitz fuhr, habe ich einige Male, das Mobiltelefon auf dem Schreibtisch in Lauerstellung bringend, dann auf einen Anruf gewartet, der eine der - wie oben benannten - Betriebsstörungen ankündigte. Verspätungen aus anderen Gründen, lasse ich hier jetzt mal unbeachtet.
Dann galt es zu improvisieren. Wie fahre ich ungefährdet durch die verschneite Pampa, um zu einem der zugigen Haltestellen, die von der RB 30 nicht mehr angefahren werden konnten, zu gelangen?
Die weiteste Fahrt von Dresden - Naußlitz führte mich zum Bahnhof nach Freiberg. Jener traditionellen Bergbaustadt, die nach der " Wende " ab 1990 sukzessive an ökonomischer Bedeutung verlor und einen Einwohnerschwund hinzunehmen hatte, ergo ab der Fusion der westdeutschen Bundesbahn mit der DDR - Reichsbahn auch keinen intakten Bahnhof besitzt. Alle Bahnhöfe / Bruch - und Bretterbuden dazu ( sofern diese selbst keine sind ) habe ich deshalb häufiger gesehen.
Die Haltestelle Kleinschirma allerdings nur beim Vorbeifahren auf der Bundesstraße 173.
Der Ort in Mittelsachsen zählt nur 509 Einwohner. Dementsprechend ist der Bahnhof keiner. Im Fachterminus nennt sich dat Ding " Haltepunkt ". Von hier aus kann ein Reisender mit einem Bus noch bis Oederan, Freiberg und sogar Chemnitz gelangen. Kleinschirma ist als Ortsteil von Oberschönau ausgewiesen ( https://de.wikipedia.org/wiki/Oberschöna ).
https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinschirma
Nach weiteren gut 4, 5 Kilometern hält der " Milchkannen - Express " in der mittelsächsischen Stadt Oederan. Auch diese weist einen, einst durchaus funktionstüchtige Bahnhofs - Altbau vor, der ist längst nicht mehr im Betrieb. Er wurde von einer spartanisch ausgestatteten Haltestelle in Gestalt einer mit billigen Pflastersteinen und einer Metallkonstruktion mit Dach, ersetzt. Toiletten gibt es auch dort nicht. Wenn der Wind - was hier nicht so selten ist - ordentlich pfeift, dazu Regen oder Schnee hernieder geht, wird es ungemütlich.
Immerhin erhielt das ehemalige Bahnhofsgebäude einen neuen, hellen Farbanstrich. Ein wahrer Farbtupfer in der sonst vorherrschenden, graue Streckentristesse.
https://de.wikipedia.org/wiki/Oederan
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Oederan_Bahnhof.jpg
Die Fahrt führt uns dann nach Falkenau. Der knapp 1.900 Einwohner verzeichnende Ort ist seit der Gebietsreform von 2011 Teil der Große Kreisstadt Flöha. Das herunter gekommene Gebäude hat seine besten Jahre wohl zu DDR - Zeiten gehabt. Immerhin soll m kommenden Jahr der Haltstellenbereich mit einem Lift erreichbar werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Falkenau_(Flöha)
https://de.foursquare.com/v/bahnhof-falkenau-sachs-süd/507bb6c7e4b036360c7a111c/photos
Weiter geht es nach Flöha. Die mehr als 10.600 Einwohner aufweisende Stadt wurde infolge der letzten Gebietsreform zur Große Kreisstadt aufgewertet. Das dortige Bahnhofsgebäude hat seine besseren Zeiten längst hinter sich. Es stammt aus 1934. Weil von dort auch Züge der Erzgebirgsbahn halten, existieren 6 Gleise, die jedoch nur in Richtung Chemnitz und Dresden elektrifiziert sind. Der Bahnhof weist aber immerhin Gastronomie auf und soll in den Folgejahren sukzessive modernisiert werden ( Einbau von 3 Liften ).
Wer hier aussteigt erhält einen folkloristischen, sächselnden Singsang über eine automatische Lautsprecheransage, mit der wohl an bessere Zeiten erinnert werden soll: " Flöha! Hier Flöha! "
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Flöha
Nach weiteren, zirka 4 Bahnkilometern, gelangt der Zug zur Haltestelle Niederwiesa. Das Bahnhofsgelände weist sogar 2 Gebäude vor, die jedoch längst außer Betrieb gesetzt wurden. Immerhin wurden beide teilsaniert und erhielten einen neuen, freundlichen Anstrich. Der baufällige Güterschuppen indes rottet so vor sich hin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Niederwiesa
Der letzte Haltepunkt vor der selbst ernannten " Stadt der Moderne ", Chemnitz, ist Hilbersdorf, genauer: Chemnitz - Hilbersdorf. Das einstige Empfangsgebäude gammelt vor sich hin. An der Klinkerfassade prägen Graffitis das Bild. Ansonsten existieret hier ein identischer, billig gemachter Bahnsteigsbereich mit der typischen Pflasterung und der, nicht vor Regenwetter etc. schützenden Stahlkonstruktion.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Chemnitz-Hilbersdorf
Nach zirka 77, 5 Streckenkilometern gelangen wir nun auf das Gelände des Hauptbahnhofs Chemnitz. Das Hauptgebäude weist immerhin so etwas wie Modernität vor. Hier treffen 14 Gleise zusammen. Davon sind zwei für S - Bahnen bestimmt. Der Bahnhof kann auf eine ab 1836 ereignisreiche Geschichte verweisen. Seit etwa 20 Jahren hat der Bahnhof nur noch eine Regionalverkehrbedeutung. Fernverkehrszüge werden von der DB nicht mehr angesteuert. Damit bleibt die Region Zwickau - Chemnitz - bis Dresden und Leipzig ohne Fernverkehrsführung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chemnitz_Hauptbahnhof
Nach dem Aussteigen und einem Stadtbesuch wird auch deutlich, warum dieses so gekommen ist. Die Stadt Chemnitz, einst als Karl - Marx - Stadt geführt, blutete nach 1989 durch einen massiven Einwohnerschwund und dem systemischen ökonomischen Verfall aus.
So wird denn auch jene, von meiner besseren Hälfte über fast einem Jahrzehnt als Pendlerin befahrene Streckenverbindung, die die DB zum Teil auch einem Privatanbieter gegen saftige Entgelte für die Streckennutzung überlassen werden musste, wohl kaum eine Aufwertung in Form von moderneren Bahnhöfen oder Haltstellen mit kundenfreundlichen Service, wie Gastronomie, erfahren.
Die Fahrt in die Mitte Sachsens, grenzt deshalb an einen Horrortrip in Richtung Nachkriegsvergangenheit. Als in jenen Jahren nahezu alles zerstört und vieles nicht mehr aufgebaut wurde.
Auf der Suche nach einem hierfür geeigneten Musiktitel, erinnerte ich mich an einige Lieder, die ich auch auf meinem Plattenhobeln abspielen konnte:
The Monkees - Last Train To Clarksville - 1966:
Tony Joe White - The Train I´m On - 1972
Savoy Brown - Hellbound Train - 1972
Blackfoot - Train, Train - 1979
usw. usf.
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_train_songs
Auch Kevin Ayers hat ein " Eisenbahnlied " aufgenommen:
" Stop This Train ( Again Doing It ) " - Joy Of A Toy - 1969:
Tja, und wenn ich aus der Erinnerung längst vergangener Zeiten plaudere, dann kommen hierzu auch jene abenteuerlichen Abholfahrten meiner besseren Hälfte von einem dieser Haltestellen in der Pampa Mittelsachsens vor. Als bei Sturm, Schnee, Eisregen, die Bäume serienweise in und auf die Gleise krachten. Nur Auto fahren war an jenen Nachmittagen viel schöner!
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