Die Krähen schrei'n!

Als ich heute Nachmittag die Vorstreicharbeiten an der Frontseite des Hauses fort setzte,waren sie auf einmal wieder da. Die schwarzen Vögel,deren Gekrächze nun wirklich kein Ohrenschmaus ist.
Alle Jahre wieder erscheinen sie im Herbst,dann nämlich,wenn die Felder abgeerntet, die Gärten schon oft verwaist und Wälder ihr bunten Laub für jeden Spaziergänger deutlich sichtbar abwerfen.

Sie ziehen dann lärmend über die kahlen Äcker und die Häuser der Dörfer,Orte und Städte. Was sie in größeren oder kleineren Pulks, in den schwarzen Scharen und in unkoordinierter Flugform suchen, das habe ich mich schon immer gefragt.
Ob es nur einfach der Drang nach der Freiheit, die Suche nach Futter oder etwaige Rastlosigkeit ist,hatte ich bis heute eigentlich nie ergründen können.

Vor einigen Jahrhunderten galten die dunklen Vögel als Unheilsboten. Sie wurden gleich gesetzt mit der gefiederten Kriegsbegleitung,wenn sie auf den ungezählten Sachlachfeldern die zerstückelten Leichen von Soldaten, deren Leiber bereits am verwesen waren,als Beute und Nahrung zerhackten.
Sind es nun Krähen oder Raben, die dort einst ihr Unwesen trieben? Oder war es sogar eine Art Gesundheitspolizei, die die fleischlichen Reste der in der Schlacht sinnlos dahin Gemetzelten verarbeiteten?

Diese Fragen haben mich immer dann beschäftigt, wenn eine Schar der schwarzen Krächzer über mir in Richtung des Horizonts und der Stadt hinweg zog.

Nun, die Biologie unterscheidet hier nicht als Gattung, sondern ordnet die Krähen und Raben der Gattung der Corvus, der Familie der Rabenvögel zu.
Insgesamt gibt es 42 Arten, von denen die Saatkrähe,die Aaskrähe,der Kolkrabe und die Dohle die bekanntesten schwarzen Arten in Europa sind. Aber auch die Elster und der hier ansässige Eichelhäher zählen dazu.

Die Mythologie besagt,dass der Rabe als Symbol der Weisheit gilt, weil er tatsächlich ein hohen Intelligenzgrad aufweist. Auch in Märchen, wie beispielsweise das der Gebrüder Grimm von den " Sieben Raben " haben jene schwarzen Vögel eine  Bedeutung. Ähnlich verhält es sich in verschiedenen Legenden und Sagen, in denen den Raben eine bestimmte Bedeutung zuerkannt wird.

Jenseits der mystischen Einordnung jener " weisen Vögel " wäre dann noch zu klären, warum diese eben - zumindest für mich immer noch nicht nachvollziehbar -  gerade in den Herbst - und Wintermonaten häufig zu sehen und hören sind,während andere gefiederte Freunde sich eher rar zu machen scheinen?

Die Antwort hierauf ist vielgründig,denn die schwarzen Vögel,die im Frühjahr in ihre Brutgebiete in Russland, Polen sowie Skandinavien geflogen sind, ziehen dann ab Herbst - weil es dort bekanntlich früher kälter wird als in unseren Breitengraden - wieder in ihre Winterplätze zurück. Weiterhin findet sich im Herbst hier noch ausreichend Nahrung auf den Feldern. Durch die industriell ausgerichteten landwirtschaftlichen Anbaumethoden ist damit auch die Palette der Nahrungsmöglichkeiten breiter. Wegen der Naturschutzbestimmungen stehen einige Arten der Rabenvögel nicht mehr auf der Roten Liste und konnten ihre Population enorm vergrößern.

So habe ich denn bei der Internetrecherche auch einige kuriose Seiten gefunden,die zeigen, dass der Mensch solche Konkurrenz nicht nur nicht duldet, sondern versucht mit allen Mittel zu bekämpfen: 

http://www.landtreff.de/schaden-durch-rabenkrahen-t50085.html
http://www.bmlfuw.gv.at/article/articleview/60383/1/4996/http://www.landlive.de/boards/thread/408/page/1/

Da sind mir die künstlerischen Aspekte, mit denen unseren gefiederten Gästen ein entsprechender Stellenwert in dem Leben zuerkannt wird,wesentlich sympathischer:


http://www.datum.at/1006/stories/2878794
http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/14650790
http://de.wikipedia.org/wiki/Herbstklagen

Während meine Gedanken dann in die Vergangenheit abschweifen,als ich als Kind und Jugendlicher den Krähenschwärmen mit einer gehörigen Portion an Respekt hinterher sah, wenn sie urplötzlich aus dem Nichts kommend krächzend und schwirrend über die kahlen Felder, die abgeernteten Äcker und eher eintönigen Flächen hinweg zogen,fällt mir natürlich Friedrich Nietzsche ein:

" Vereinsamt "


Die Krähen schrein
und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein -
Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat.
Nun stehst du starr,
schaust rückwärts, ach, wie lange schon,
was bist du Narr
vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt - ein Tor
zu tausend Wüsten stumm und kalt;
wer das verlor,
was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
zur Winter-Wanderschaft verflucht,
dem Rauche gleich,
der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
dein Lied im Wüstenvogel-Ton.
Versteck, du Narr,
dein blutend Herz in Eis und Hohn.
Die Krähen schrein
und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein -
Weh dem, der keine Heimat hat. 

Musikalisch hat sich unserer aller Freddie Quinn vor mehr als 40 Jahren auch mit dem Thema  versucht:

" Hundert Mann und ein Befehl. "

Irgendwo im fremden Land
ziehen wir durch Stein und Sand.
Fern von zuhaus und vogelfrei,
hundert Mann, und ich bin dabei.
Hundert Mann und ein Befehl
und ein Weg, den keiner will.
Tagein, tagaus,
wer weiß wohin.
Verbranntes Land,
und was ist der Sinn?
Ganz allein in dunkler Nacht
hab' ich oft daran gedacht,
dass weit von hier der Vollmond scheint
und weit von mir ein Mädchen weint.
Und die Welt ist doch so schön,
könnt' ich dich noch einmal sehn.
Nun trennt uns schon ein langes Jahr,
weil ein Befehl unser Schicksal war.
Wahllos schlägt das Schicksal zu,
heute ich und morgen du.
Ich hör' von fern die Krähen schrein
im Morgenrot. Warum muss das sein?
Irgendwo im fremden Land
ziehen wir durch Stein und Sand.
Fern von zuhaus und vogelfrei,
hundert Mann, und ich bin dabei.

Das sich mit dem Lied neben der 50er-Jahre-Schlagertussi Heidi Brühl, auch noch anderen Pseudo-Musiker, wie beispielsweise eine Formation, die sich "Cryptic Wintermoon " nennt,verhunzt zwar ebenfalls den Titel, macht den Text damit aber keineswegs schlechter.

Nur der englische Literat Edgar Allen Poe toppt den Lobgesang auf eben den Raben und seine Klugheit noch:

" The Raven "


The clock struck midnight
And through my sleeping
I heard a tapping at my door
I looked but nothing lay in the darkness
And so I turned inside once more

To my amazement
There stood a raven
Whose shadow hung above my door
Then through the silence
It spoke that one word
That I shall hear forever more

Nevermore
Thus quoth the raven, nevermore

And still the raven remains in my room
No matter how much I implore
No words can soothe him
No prayer remove him
And I must hear for evermore

Quoth the raven, nevermore
Thus quoth the raven
Nevermore 
Das dieses Stück auf dem fast schon legendären Konzeptalbum der Formation " Alan Parsonś Projekt " zu finden ist, erwähne ich zum Schluss nur nebenbei.



Dessen erscheinen liegt ja bereits 34 Jahre zurück. So alt wird selbst der Rabe nicht. Der bringt es in freier Natur allenfalls auf 20 Jahre; die Märchen von einem 70 Jahre alt werdenden Raben sollten deshalb flugs aufhören, so schnell, wie die Krähengruppe sich selbst verflüchtigt hatte, die ich beobachten konnte. Und nach gestellt gehört ihnen ebenfalls nicht,denn nicht nur,dass sie hier Gäste in der trüben und kalten Zeit sind,sie haben dabei auch eine Tierpolizeifunktion.

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