Kleine Stadt im Herbst: Hirschberg an der Saale 20 Jahre nach der Maueröffnung.




Kaum ein Ereignis wird in den nächsten Tagen und Wochen medial so viel Platz einnehmen, als die Retrospektive auf die dramatischen Stunden am 9. November 1989, also vor 20 Jahren, dem de facto letzten Schritt zum Zusammenbruch der DDR und des SED-Regimes, das 40 Jahre zwischen Rostock und Görlitz, zwischen Frankfurt / Oder und Weimar, zwischen Nordhausen und Hirschberg geherrscht hatte. Es waren dramatische Stunden, die für viele DDR-Bürger in ewiger Erinnerung bleiben. Stunden voller Freunde, aber auch Angst - Aufbruchstimmung!

Als ich vor einigen Tagen den " SPIEGEL " las und hier einen Artikel - mit einem gewissen Schmunzeln - der Redakteure Stefan Berg und Markus Feldenkirchen meiner Frau mit einem gewissen hämischen Unterton vorkaute, sprang diese gleich darauf an.
" So war das nicht! ", sagte sie.
" Wir waren nicht alle gleich!", folgte noch richtig stellend. Dann erklärte sie mir, warum vor allem Feldkirchen  einige Dinge doch sehr verallgemeinernd beschrieb. Natürlich sahen die DDR-Frauen nicht alle gleich aus, auch wenn in den 80er Jahren diese - übrigen auch im Westen beliebte - " Pudel " oder auch"Mop "-Frisur getragen wurde - so, wie sie " Nena " auf ihren Alben zur Schau stellt.

Es gab zwar spezifische DDR-Kultur, diese unterschied sich aber nur Äußerlich von jener aus der BRD. In Wahrheit waren die Alten im Osten so ähnlich - was den Musikgeschmack betraf - wie jene im Westen und die Jugend im Osten himmelte auch die Stars an, die im Westen beliebt waren. Einzig die abgeriegelte Grenze hinderte Ost und West daran, sich kulturell zu vereinigen. Das änderte sich eben in jenen Oktober - und Novembertagen des Jahres 1989.

Wenn das Essay im darauf folgenden " SPIEGEL "-Nr. 40/2010 von dem Westler Markus Feldenkirchen - einem Wiedervereinigungsskeptiker - noch dazu eine durchaus begründete Ablehnung der Ost-West-Zusammengehörigkeit beinhaltet, dann muss ich ehrlich zugestehen, dass meine einstige Skepsis sich darin durchaus wieder findet. Das Jahr 1989 war für mich bis zu jenem 9. November 1989 eher trist, nichts sagend und öde. Wenn Feldenkirchen - damals 14 jährig - behauptet, es wäre allen BRDlern in jenem schicksalhaften Jahr " gut gegangen ", so kann ich mir das laute Lachen nicht verkneifen. Die BRD hatte längst über 3 Millionen Arbeitslose, die Wirtschaft kriselte - mal wieder - und es gab Berufssparten, deren Zukunft eher in der Abfütterung über staatliche Sozialtransfers, den in einem eigenen Erwerbseinkommen lagen.
Dazu zählte auch der Jurist, speziell jener als selbständiger Rechtsanwalt berufstätige Rechtskundige. 


Zwar war die DDR für ich auch eher fremd, denn über sie hatten wir in der Schule nur sehr wenig erfahren können, in den Medien nur dann, wenn es um überwiegend negative Ereignisse ging und von dem Alltag in dem zweiten deutschen Staat erfuhren wir im Westen so gut wie gar nichts. Selbst regelmäßig in die DDR Reisende verblieben mit ihren persönlichen Erfahrungen doch mehr oder weniger an der Oberfläche. Wenn Feldkirchen in seinem Essay " Wir Westalgiker " behauptet, der Großteil der BRDler war auf eine Wiedervereinigung überhaupt nicht vorbereitet,so trifft dieses zu. Er war deshalb nicht unbedingt darauf ausgelegt,nun jene Gebiete von der Oder bis zur Neiße und zur Elbe bis zur Saale mit in sein Staatsgebilde einzubauen,weil er sich de facto mit einer dauerhaften Trennung dieser Regionen von den Westgebieten abgefunden hatte. Seit 1949 und vor allem seit dem 13. August 1961. Auch die so genannten Siegermächte hatten kein großes Bestreben, eine in der Präambel des einstigen BRD-Grundgesetzes verankertes Wiedervereinigungspostulat mit letzter Konsequenz weiter zu verfolgen.

Was dann 40 Jahre danach geschah, war wohl auch für die drei Westalliierten mehr als überraschend. Als sich die Grenze an jenem 9. November 1989 - für immer - öffnete, feierte zunächst nur Berlin. Der übrige Westen lag im Tiefschlaf. Keine Feuerwerke, keine Hupkonzerte und keine Vereinigungs - und Verbrüderungsszenen. Das änderte sich später allerdings sehr schnell.
So auch in Hirschberg an der Saale, in jener kleinen Stadt am Rande der einstigen DDR, die wie eine Exklave als Sperrgebiet nur mittels eines besonderen Passierscheines von den DDR-Bürgern besucht oder bereist werden durfte. Eingebettet von der bundesrepublikanischen, sprich der  bayrischen Grenze bei Hof, fristete Hirschberg eher ein stiefmütterliches Dasein. Die besondere Grenzlage ließ bis November 1989  kaum ein kulturelles Lebens zu, denn die verordneten Sperrstunden lähmten eine solche Entwicklung.

20 Jahre später, das Städtchen gehört zum Saale - Orla - Kreis des Bundeslandes Thüringen hat sich sehr vieles verändert. Nicht nur das die riesige Lederfabrik, die einst einigen tausend Menschen Arbeit gab, längst in Konkurs gegangen, vollständig aus dem Stadtbild verschwunden ist und statt ihrer nur noch ein Gerbermuseum verblieben ist, auch die enormen Grenzanlagen sind vollständig aus dem Blickfeld der dort lebenden Menschen entschwunden und in Form eines Deutsch-Deutschen-Museum in dem Nachbarort Mödlareuth zu sehen,womit sich das Stadtbild sukzessive umgeformt hat.

Nachdem ich bereits vor 2 Jahren im Frühjahr und danach im Sommer 2009 das kleine Städtchen an der Saale besuchen konnte, war es dieses Mal der Herbst 2010,der eine Stippvisite vorgesehen hatte. Jene Impressionen von dem Fluss,der einst die innerdeutsche Grenze mit markierte, dem benachbarten Bereichen der Fränkischen Oberpfalz und den Sequenzen eines malerischen Herbsttages sind dann von mir mittels der Digitalkamera fest gehalten worden.


Die Saale, ein noch weit vor der Wende für einen Westdeutschen eher unbekannter Fluss entspringt zwar im deutschen Teil des Fichtelgebirges, nämlich in Zell,verlässt jedoch das Bundesland Bayern bzw. Franken alsbald, um auf den thüringischen Abschnitt ihres 413 Kilometer messenden Verlaufs weiter zu fließen.


Der Saaleabschnitt bei Hirschberg misst deshalb nur einen Bruchteil des Gesamtverlaufs, der neben Bayern, Thüringen auch das Bundesland Sachsen-Anhalt umfasst. Hier mündet die Saale bei dem Ort Barby in die Elbe. die bekanntlich bei Hamburg in die Nordsee einfließt.
 


Neben dem Fluss Saale ist Hirschberg einst durch die Lederfabrikation bekannt gewesen. Nach der Wende und der de jure Wiedervereinigung wurde die riesige Fabrik 1994 sukzessive abgerissen. das Gelände ist inzwischen größten Teils renaturiert. An dem ehemaligen Bereichen wurden über EU-Fondsmittel unter anderem ein Radwanderweg ausgebaut.

Über eine neu erstellte Brücke führt eine Straße aus Hirschberg heraus im Richtung des oberfränkischen Ortes Berg.
Die von reinem Nadelwald bis Mischwald durchzogenen, immer hügeligen Landschaften sind hier als typisch anzusehen.Bei einem Spaziergang durch die Stadt Hirschberg wird deutlich,dass sich viele Bauten nach der Wende einen neuen Anstrich haben geben lassen.




Daneben gibt es aber auch das Schloss Hirschberg. Es ist sowohl über einen Fußweg als auch mit dem PKW erreichbar und liegt auf einer Anhöhe an der Peripherie der Stadt. 



























Während ein großer Teil der Gebäude nach 1989 saniert und restauriert wurden, finden sich allerdings auch Bauten, an denen der Zahn der Zeit nagt und denen die 40 Jahre DDR durchaus anzusehen sind.
























Für einige Bauten, die zu DDR-Zeiten eine tragende Funktion inne hatten,fand sich nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung und dem damit verbundenen Wegfall der Grenzbewachung keine Verwendung mehr. So verkommen jene Relikte aus der Zeit nach dem Mauerbau zwangsläufig.






Die Widersprüchlichkeit - wie sie sich eben auch in anderen Städten des vereinigten Deutschlands findet - zeigt sich auch in Hirschberg. Bauliche Veränderungen fallen dem Besucher sofort auf.


 



Dass so mancher Käufer aus dem Portfolio der einstigen Treuhand ein absolutes Schnäppchen übertragen bekam, wird denn auch in Hirschberg sichtbar.


  



Wo einerseits der Natur aus dem grünen Bereichen sehr viel Fläche abspenstig gemacht wird, holt sich die " Mutter " dieses in anderen Sektoren einfach wieder. Hirschbergs Bahnhof verödet zunehmend und wird vom Wildwuchs vieler Bäume, Sträucher und Pflanzen im Sommer fast vollständig zugedeckt.




 Wo Mehdorn, Grube und Konsorten bereits Milliarden in Hochtechnologie und Prunk - sowie Protzbauten verplant, ausgegeben und investiert haben,verkommt das nicht oder angeblich nicht wirtschaftlich tragfähige Schienennetz in großen Teilen und bietet dem Betrachter eher ein unansehliches, denn nostalgisches Bild aus längst vergangenen Zeiten.

Immerhin zeigt sich der Herbstmond auch in der ehemaligen Grenzregion von einer durchaus fotogenen Seite. 


 

Kommentare

Octapolis hat gesagt…
das muss man sich immer mal wieder vor augen halten: zwanzig jahre ist das her.manchmal kommt einem das vor wie gestern, aber generell sollte das nach hinten rücken. mir wird immer ganz anders, wenn die gewählten volksvertreter noch von den neuen bundesländern sprechen, und die halbzeitpause gleich rum ist.

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