TD - Tangerine Dream: " Poland " - Das Warsaw-Konzert 1984.

POLAND - THE WARSAW CONCERT

            Tangerine Dream

  

                   Progressive Electronic



Hoi, nun ist jene LP in meinem Archiv auf schon mehr als ein Vierteljahrhundert alt. Einst, nämlich 1984 erwarb ich sie im dichten Vorweihnachtsgedränge bei dem Medienriesen " Saturn Hansa " in Köln, der damals nur ein bescheidener LP-Verkauf war. Schön verteilt über 3 Etagen am Saturnring in Kölle.
Eigentlich war mein Bedarf an elektronischer Musik bereits Ende der 70er voll auf gedeckt.
Die diversen Scheiben von Klaus Schulze. wie " Moodawn ", " Timewind " oder " Blackdance " hatte ich bereits häufiger im Privatarchiv belassen, weil ich inzwischen mehr auf Hardrocker, wie " Saxon ", "Rainbow " oder aber auch " Zep " stand.

Schulzes Musik hörte sich für mich irgendwann irgendwie immer gleich an. Endlose Loops mittels diverser Sound-Maschinen, die seine ersten Moog-Synthesizer ablösten oder ergänzten, waren dann schon zu langweilig.
Dennoch entwickelte sich die Szene der elektronischen Rockmusik im Verlaufe der folgenden Jahre enorm.
Neben weiteren Interpreten aus der BRD, kamen englische Musiker und französische Interpreten hinzu.
Es entstand zunächst eine kleine, aber feine - oft sogar abgehobene - Musikgemeinde.

Was als revolutionäres Album des Elektro-Rock zu Beginn der 70er in England durch Walter Carlos mit " Switch on Bach " ins Leben gerufen wurde, fand alsbald eine Fortsetzung durch Keith Emerson, dem Keyboarder der legendären Supergroup Emerson, Lake & Palmer oder über Rick Wakeman, den Organisten und Keyboarder der Gruppe " Yes , den es schon bald auf einen Solo-Trip trieb.
Auch in Holland fand die elektronische Musik in Form von klassischen Interpretationen mit der Gruppe " Ekseption " einen heraus ragenden Vertreter.
Für Frankreich war es über viele Jahre der Avantgardist Jean Michel Jarre, der sich zunächst mit unkoventionellen Stücken versuchte,eher auf elektronisch untermalten Pop umstieg.

Die deutsche Szene war breit gefächert, aber in sich sehr zerrissen. Was Schulze, Popul Vuh,Kraftwerk oder aber auch Tangerine Dream hierbei entwickelten, war für nur zum Teil hörbar.

TD, das war zunächst ein Jazz-Rock-Experiment, von Edgar Froese 1966/1967 ins Leben gerufen. Das Repertoire wurde schon bald auf Stücke aus dem Genre des Psychedelic-Rock reduziert, ehe Froese 1970 eine erste personelle Veränderung der Formation vornahm. Er verkleinerte TD auf drei Musiker, zu denen ab diesem Jahr Klaus Schulze sowie auch Conny Schnitzler gehörten.   TD veränderte seit dieser Zeit die Besetzung einige Male. In den 80er Jahren war neben Froese auch Cristoph Franke und Johannes Schmoelling als Musiker mit dabei. In jener Schaffensperiode ging das Trio auf Konzerttour in Pollen und gab dort eine Reihe von umjubelten Konzerten. Aus ihren Auftritten in Warschau entstand dann 1984 das Doppelalbum " Poland ".    Die Veröffentlichung besteht aus nur 4 Titeln, deren Gesamtspielzeit sich auf mehr als 70 Minuten beläuft. Das ist für TD zwar nichts außergewöhnliches,dennoch schreiben wir bereits das Jahr 1984, in dem - zumindest in der BRD - die NDW-Episode mit ihren 3 - Minutentiteln den Musikmarkt beherrschte.



1. Poland (22.00)
2. Tangent (19.52)
3. Barbakane (13.49)
4. Horizon (20.49)

Total Time 77.06


Das Edgar Froese sich bereits zu diesem Zeitpunkt einer  Gruppe von avangardistisch auftretenden Elektronik-Musikern zugehörig fühlte,wird u.a. aus seiner gegenüber den medien getroffenen Feststellung deutlich, als er schlankweg behauptete:
" Wir wollen Vorgänge hörbar machen, die am Rande der wahrscheinlichen Vorstellungskraft des Menschen liegen. "
( Vgl. Barry Graves - Siegfried Schmidt-Joos, Das neue Rock-Lexikon,  1973, Ausgabe  bis 353.tausend, Reinbek bei Hamburg 1990,  S. 791 )

Nun, Froese hatte wenig Neigung sich mit seinen Kritikern auseinander zu setzen, die ihm abgehobene stilistische Langeweile vorwarfen, die TD zur Selbstverliebtheit ausdehnen würde, um dabei ihrem meditativen Trip zu frönen.
Nun, so weit würde ich bei dem " Warsaw Konzert " nicht gehen. Die Stücke zeigen eher soliden E-Rock mit multifunktionalen Klangmustern, aus denen sich - zumindest für mich - die Reise in Polens Hauptstadt musikalisch wieder findet. Immerhin war das TD-Event eine kleine Sensation, jenseits des noch bestehenden, bleiernen Vorhangs im Jahre 1984.

Später, als ab den 90er, mutierte TD bei einigen besser verdienenden Protagonisten, deren zu vieles Geld in Spinnereien, wie überteuerte Selbstfindungsveranstaltungen verpulvert wird, zu einer New Age - Gruppe. Analog zu den ab Mitte der 80er aufkommenden Szene-Interpreten, wie Kitaro.
Froese verwahrte sich gegen diese Klassifizierung. Wie ich meine, völlig zu Recht. TD ist kein Auslaufmodell einer New Age-Modemasche, sondern eine Musikgröße für sich.
Auch wenn gerade in ihrem Genre viele Mitläufer einen völlig abgehobenen Eindruck zu vermitteln versuchen. Ähnlich denen, die das Free-Jazz-Publikum ab Mitte der 70er zu ertragen hatte oder vorgab ertragen zu wollen.

Leider sind TDs Fans in die Jahre gekommen. Leicht pausbäckig, mit schütterem Haar oder oft einer Vollglatze, dafür einigen Pfunden, Rundungen und Bierchen so viel am oder im Körper, stehen sie bei den Konzerten der Froeseśchen Formation, leicht Kopf nickend in vorderster Front.
Das der gute Edgar auch nicht mehr der Jüngste und Allerfrischeste ist, zegte er denn bei einem Auftritt im Jahre 2008, als er die wartenden Fans zusammen falteten wollte und sarkastisch formulierte:
" Warum müsst ihr eigentlich immer mit euren Gebissen so laut klappern? Ich habe mich dauernd verspielt!"

Tja, lieber Edgar, wir werden nicht jünger. Der Zahn der Zeit nagt auch an den übrigen, bei mir im Archiv stehenden LPs und so knistern sie leicht vor sich hin, wenn ich sie irgendwann Mal wieder auf den Plattenteller lege.
Aber trotzdem sind viele Stücke auch fast 4 Dekaden danach noch wahre Ohrwürmer, wenngleich sie in der BRD-Spießergesellschaft nie ankamen.
Wie stellt dazu der liebe Edgar zutreffend fest:
" Musik machen, heißt auch: das Risiko totaler Verachtung auf sich nehmen. "
Dem ist auch in 2010 nichts, rein gar nichts hinzuzufügen!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!