Tod im Kibbuz.



Seit Monaten berichten die Medien über eine Reihe von militärischen Konflikten. Als da wären: der Bürgerkrieg in der Ukraine, die militärischen Auseinandersetzungen im Irak und natürlich die Kampfhandlungen im Gaza - Streifen zwischen Israel und den Palästinensern.
Wieder mal der Nahe Osten.
Eigentlich hat es dort nie so richtig Frieden gegeben. Immer wieder wurden Berichte laut, in denen von Scharmützeln, Anschlägen oder bewaffneten Übergriffen in der Grenzregion die Rede war.

Wer da mit wem kämpft scheint auf dem ersten Blick eigentlich klar zu sein. Israel gegen gut ausgerüstete Einheiten der Hamas und andere arabische Gruppierungen.
Nach dem so genannten 6 - Tage - Krieg und dem Jom - Kippur - Krieg schien es lange so, als hielten die Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien, Syrien und der Libanon einen dauerhaften Frieden.Die vereinbarte Waffenruhe indes zeigte sich über den gesamten Zeitraum von 1973 an bis heute trügerisch. Oder - besser formuliert - es hat sie nie gegeben.


http://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_des_israelisch-pal%C3%A4stinensischen_Konflikts

Als ich vorgestern die Bilder von den zerbombten, den völlig zerstörten und mit ungezählten Einschusslöchern zersiebten Häusern sah, das Chaos auf den Straßen, die schreiende Menschen hier, das Sirenengeheule, die in Todesangst in die Luftschutzräume rennenden Bewohner und gleichfalls beschädigte Gebäude dort, sah, kamen Erinnerungen an einen längst verstorbenen Freund aus den 1970er Jahren.
Peter V. war eigentlich ein Träumer. Etwas älter als ich, aber mit einer größeren Fantasie ausgestattet, aus der Ideen entsprangen, das triste Leben in der Provinz zu jener Zeit, etwas interessanter , bunter, unruhiger zu gestalten.

Es muss wohl im Sommer 1971 gewesen sein, als ich Peter kennen lernte. Auf einer Fete in Bückeburg. Wir verstanden uns auf Anhieb. In gewisser Weise verkörperte Peter die gleiche non - konforme Lebensqualität. Peter rauchte selbst Gedrehte in Kette, spielte Gitarre und trug eine Wuschelkopf - Frisur.
Wir trafen uns irgendwann in Bückeburg zufällig wieder. Ich lud ihn zu uns in den " Beat " - Keller ein, wo wir gemeinsam Musik hörten. Bob Dylan, Frumpy und eben die handvoll LPs, die ich mir einst zugelegt hatte. Wir unterhielten uns über unsere Musik und das Verreisen. Peter schwärmte da schon von Israel, wo er in absehbarer Zeit hin fliegen wollte.
Da sei es immer warm, da gäbe es das Meer, laue Nächte, schönen Sandstrand und auch nette Mädchen.

Wer einst im der platten Pampa aufwuchs, der konnte verstehen, weshalb fremde Länder interessant waren. Sie stellten für uns ein gewissen Reiz des Abenteuers dar, den es in der Provinz nicht gab. Raus von Zuhause, aus dem beengten Umfeld, dem elterlichen Zugriff. Andere Menschen kennen lernen, etwas neues erleben; das war´s.
Dabei spielte natürlich auch eine - fast grenzenlose - Naivität eine Rolle. Was wussten wir schon von der Welt? Was von den Kriegen,den Konflikten, den politischen Intrigen und alledem? Nichts!

Einige Wochen später hörte ich, dass Peter V. weg geflogen sei, nach Israel. Seine Schwester, die einst in Braunschweig an der Pädagogischen Hochschule Lehramt studierte war zuvor bereits dort gewesen. Sie hatte einen israelischen Freund und kannte einige Menschen in Eilat, einer Stadt am Meer, am Roten Meer.
Dort ist es ab April bis in den Oktober hinein heiß. Es herrschen dann Temperaturen von weit über 30°  C.
Eilat hat einen wunderbaren Sandstrand. Damals gab es diese Betonburgen noch nicht, die für die Touristen erbaut wurden.

Nun, Peter war dann mal eben weg - in Eilat eben.
Und als er nach einigen Wochen wieder kam, schwärmte er von der Stadt, von den Menschen, von Israel insgesamt. Er hatte viele Wochen in einem Kibbuz verbracht.
Ein Kibbuz ist eine Ansammlung von Häusern als Kommune, als Dorf, innerhalb dessen sozialistische Grundgedanken umgesetzt werden sollen.Diese Lebensform war in den 70ern in. Sie war als Ausdruck eines gemeinsamen, friedlichen Lebens und Nebeneinanders in Israel umgesetzt worden.
Zu jener Zeit gab es relativ viele Kibbuzim.Es lebten etwa 8 % der Gesamtbevölkerung in solchen Kommunen.

Und so lobte Peter V. diese Lebensform in den höchsten Tönen. Mit großem Interesse hörte ich seinen Erzählungen zu. Auf jeden Fall wollte er bald wieder zurück nach Eilat in den Kibbuz.
Doch es kam zunächst anders. Auch Peter war - so wie ich für den Wehrdienst gemustert worden. Und eines Tages kam im März ein Einberufungsbescheid zur Ableistung eben dieses Wehrdienstes.Peter hatte jedoch einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung gestellt. Im Jugend - Jargon hieß das " KdV ".
Und so musste Peter zu einer Anhörung zu diesem Antrag nach Nienburg an der Weser.
Peter wollte diesen Antrag damit begründen, dass er sich nicht im Stande gesehen hat, eine Waffe zu tragen, diese zu benutzen, um auf einen Menschen zu schießen.

Die Kommission indes hielt seine Ausführung zu diesem KdV - Antrag für nicht hieb - und stichhaltig. Und bügelte diesen ab. Ich las damals die schriftliche Begründung zu jener Ablehnung. Eigentlich war es in sich schon widersprüchlich, was der gute Peter da ausgeführt hatte. Gerade in Israel, dass er als friedvolles Land, als anti - militaristischen Staat so in den Himmel hob, wird Waffenausbildung und der Gebrauch von Militärausrüstungen zur Selbstverständlichkeit.
Und auch im sonst friedvollen Kibbuz trugen Männer Waffen. Ein schlechtes Beispiel also. Eine eigentlich lausige Argumentation für einen KdV - Antrag.

Peter zog mit mir am 1. April in den Krieg. Jedenfalls in die Zwangsausbildung für kriegerische Handlungen. Der Grundwehrdienst betrug 3 Monate. Drill, Schießübungen, Befehl und Gehorsam inklusive.
Unsere Freundschaft wurde dabei noch enger. Wir verbrachten viele Wochenenden außerhalb der Kaserne mit einander und fuhren mit dem Auto seiner Mutter zu Diskotheken, auch Musikfestivals und zu Feten.

Peter wurde dann nach der Grundausbildung zu einer anderen Einheit in Munster - Lager versetzt. Wir besuchten uns dennoch regelmäßig. Die Monate vergingen. Eines Tages wurde Peter vom Bund entlassen. Er hatte seine 15 Monate runter gerissen. Es war  im Sommer 1973. Peter wollte danach ein Kolleg in Minden besuchen und das Abitur nach machen. Dann träumte er immer noch von Israel. Denn inzwischen war seine Monate als Krankenschwester dort. Sie kam dann aber nach vielen Monaten wieder zurück.

Die Zeit verrann, die Jahre vergingen. Ich hatte das Fachabitur in der Tasche und wollte im Herbst 1976 in Wilhelmshaven BWL studieren. Ich hatte inzwischen einen anderen Freundeskreis. Meist waren es Menschen aus dem studentischen Umfeld in Bremen, wo ich das BWL - Studium im Mai 1980 mit dem Diplom abschloss.
Eines Tages tauchte ich  bei Peter V. auf, der zusammen mit seiner großen Liebe aus jenen bewegten Jahren, inzwischen eine eigene Wohnung besaß und tatsächlich ein Kolleg besucht hatte. Wir hatten uns verändert. Wir hatten uns nicht viel zu sagen. Außer über die große Gemeinsamkeit, die hieß immer noch Musik.
Peter legte eine LP von " Fleetwood Mac " auf. Das Live - Doppelalbum. Einige Stücke gefielen mir, andere wiederum nicht so.

Nach etwa zwei Stunden verließ ich das Paar. Wir haben uns danach nicht mehr wieder gesehen.

Viele Jahre später hörte ich von meinen Eltern, dass Peter nicht mehr mit seiner Freundin zusammen sei. Er hatte wohl auch ein Studium irgendwo in Niedersachsen begonnen.

Dann erhielt ich die Information, dass Peter erneut nach Eilat geflogen sei, um dort in dem Kibbuz zu leben und zu arbeiten. Angeblich soll er hier einige Jahre später verstorben sein.
Der unerfüllte Traum hatte sich für ihn dennoch - spät zwar, aber wohl nicht zu spät - erfüllt.



In diesem Sinne: Gut´s Nächtle mit " Fleetwood Mac " und " I´m  SoAfraid " - Live aus dem Jahr 1980:




Und Donovan mit "  Catch the Wind " aus dem Jahr 1965:

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