Fitnesswahn!
Wer sich zu der riesigen Schar der Ebayianern zählen darf, ist möglicher Weise mit einer bestimmten, damit einher gehenden Lebensphilosophie verbunden, die da heißen könnte: Warum viel zahlen, wenn es auch günstiger geht? Es mag auch sein, dass eine gewisse " Geiz - ist - geil " - Mentalität dahinter stecken könnte. Auf jeden Fall kann ebay jenen Menschen ein Lösung zu jenem Problem anbieten, welches viele Durchschnittsbürger mit sich herum schleppen: Woher nehmen, wenn nicht gebraucht kaufen?
Weil ebay als vormalige Geschäftsidee längst zu einem gigantischen, virtuellen Marktplatz empor gehoben wurde, gibt es dort eben alles. Angefangen von Abba - CDs über Matratzen in sämtlichen Varianten bis zu Zylinderkopfdichtungen. Herz ohne großen Geldbeutel, was willst du mehr?
Nach diesen Konsum philophischen Grundsätzen ersteigerte denn auch meine bessere Hälfte einen " Cross Trainer " bei ebay, deren Voreigentümerin das Gerät wegen angeblicher Faulheit nicht mehr nutzen wollte. Das diese Faulheit eigentlich 2 Beine, 2 Arme besitzt und etwa 4500 Gramm wog, bekam ich erst später gesagt.
Also: Auf nach Döbeln, ein Städtchen in die sächsische Provinz, zwischen den beiden Großstädten Dresden und Leipzig gelegen. Das " Navi " errechnete hierfür eine Strecke von 49 Kilometern und eine Fahrtzeit von 54 Minuten aus.
Na, denn: Fahren wir es an.
Während ich mich auf der A4 und A14 im mäßigem Tempo und immer dem Strom der Rückreisewilligen folgend von den Grenzen der sächsischen Landeshauptstadt entfernte, kamen mir so einige Gedanken an die Zeit von vor mehr als einem Vierteljahrhundert. Als ich meine Staatsexamina in der Tasche habend, die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragend, in einem winzigen Büro zusammen mit meinem Kollegen Christian R. unsere handwerklichen Geschicke im Bereich Renovierung ausprobierten.
Die kleinen Räume in einem Bremer Haus im so genannten Viertel hatten gerade einen neuen Farbanstrich erhalten, als im Januar 1987 die Zulassung zum Rechtsanwalt auf dem Schreibtisch lag.
Nun fehlten nur noch ein paar - möglichst zahlungskräftige - Mandaten. Die erschienen dann zwar später, waren aber eher Hungerleider, denn gut situiert. Und so quälten meine Kollege und ich alsbald Existenzsorgen. So richtig lief der Laden auch nach einem dreiviertel Jahr nicht. Dennoch hatte sich mein Mitstreiter Christian fest dazu entschlossen, im Sommer 1987 in Las Vegas zu heiraten.
Tja, schon damals galt: Schwiegervater und Schwiegermutter bezahle die Hochzeit und notfalls auch die Hochzeitsreise.
So jettete denn Kollega C. irgendwann über den Großen Teich nach Las Vegas und schloss die Ehe vor einem der unzähligen Friedensrichter. Ich hielt in der Zwischenzeit die Stellung im Büro und plagte mich mit PKH - Anträgen, Asylverfahren sowie Mietstreitigkeiten herum, als eines morgens die Tür auf ging und eine Mitarbeiterin des vor dem Büro gelegenen Fitness - Studios vor mir stand.
Sie hatte Probleme mit einigen Mahnverfahren, die sie gegen zahlungsunwillige und - wie sich aber erst später herausstellte - zahlungsunfähige Mitglieder, deren Beiträge mehr als 3 Monate ausblieben, anstrengen wollte.
Nach einem kurzen Gespräch, in dem ich ihr von dem Mahnverfahren auf eigene Faust abriet, zeigte sie mir dennoch die teilweise schon ausgefüllten Mahnbescheidsvordrucke. Nun, bis auf einige Fehler, konnte ich keine gravierenden Mängel auf den Formularen erkennen. So riet ich ihr, die Missstände zu beheben und die Anträge bei dem Amtsgericht Bremen abzugeben. Einige Tage später tauchte die Mitarbeiterin des Fitness - Studios erneut auf. Auch dieses Mal konnte ich bei den formalen Problemen weiter helfen.
Mein Kollege war - inzwischen frisch vermählt - wieder aus den USA heil zurück gekommen, als er mir eines Tages einen Packen mit sorgfältig zusammen gestellten Unterlagen von jenem besagten Fitness - Studio " A.. " aus Bremen auf den Schreibtisch legte.
" Hier, du sollst das weiter machen. ", erklärte er mir kurz und bündig.
" Wie? Warum weiter machen? Die können das doch selbst."
" Nee, da sind Widersprüche eingelegt worden. Auch von anderen Kollegen. Die haben davon keine Ahnung. ", ergänzte er noch.
" Vollmachten habe ich schon unterschreiben lassen. ", fügte er weiter hinzu.
So legte ich eigenhändig die Aktenordner an und prüfte die Dokumente. Es war Kleckerkram. Hier hatte ein Mitglied einen Vertrag gekündigt und deshalb gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt, dort war ein anderes Mitglied " unbekannt verzogen ", so dass der Mahnbescheid nicht zugestellt werden konnte und in anderen Fällen mussten Vollstreckungsbescheide beantragt werden.
Viel Arbeit, wenig Brot.
In den meisten Mandaten beliefen sich die Zahlungsrückstände auf Beträge zwischen 250 bis 450 DM. In einigen Fällen auf über 500 DM. So legte ich eher etwas lustlos die Akten von rechts nach links auf den Schreibtisch und hämmete auf meiner " Olympia " Kugelkopfschreibmaschine die erforderlichen Anspruchsbegründungsschriften auf das Kanzleipapier, füllte die Anträge auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides aus oder fertige jene obligatorischen Einwohnermeldeamtsanfragen an, um die neuen Anschriften der Mitglieder zu ermitteln.
Es vergingen mindestens zwei volle Tage, ehe ich den Sermon erledigt hatte. Mein Kollege war inzwischen wieder im nachbarschaftlichen Fitness - Tempel, um dort an dem Tresen einen Kaffee zu schlürfen, zu palavern und Bilder von seiner Traumhochzeit in Las Vegas zu zeigen. Als ich ihn dort aufsuchte, stellten wir dem Inhaber des Geschäfts natürlich die Frage, wie es denn mit dem Honorar bestellt sei.
" Na, schlecht. ", entgegnete Harry U und schlug stattdessen vor, uns umsonst dort trainieren lassen zu wollen.
" Nee, nix da! Die Gerichtskosten müssen in jedem Fall bezahlt werden, die EMA - Gebühren für das Stadt - und Polizeiamt - Einwohnermeldeamt - natürlich auch und auch sonst einen Vorschuss von mindestens 500 Mark. ", entgegnete ich.
" Ja, gut, dann mach mir eine Rechnung. ", bat er mich und verschwand grußlos.
" Auch noch eine Rechnung zusammen kloppen. ", dachte ich bei mir, als ich den Fitness - Schuppen mit den japanischen Zeichen der aufgehenden Sonne wieder verließ.
" Wenn´s denn sein muss.Aber das mit dem kostenlosen Training in der Mucki - Bude, das kann er vergessen!", waren meine weiteren Gedanken.
Dabei entschied ich mich gegen einen längst erfolgreichen Trend, mit modernen Geräten, die tatsächlich Muskelatur aufbauen, Gewebe straffen und Gewicht reduzieren helfen, gleichlaufend etwas für die Fitness zu tun. Die Fitness - Welle war nämlich längst auf Westdeutschland übergeschwappt. Ähnlich, wie zu Beginn der 1980er Jahre, als der " Aerobic " - Wahn, von den USA aus kommend und durch personifizierte Schönheitsideale, wie Jane Fonda oder Sidney Rome, ordentlich Geld in die Kassen der Sportindustrie spülte, kamen auch die - überwiegend von Männern - besuchten Einrichtungen sukzessive auf den Markt.
Der biedere westdeutsche Michel hatte erkannt, dass er seinen Wanst, seine Wampe und monströsen Podex als Ausgeburt der Fress -, Edelfress - und Reisewelle nicht mehr ungestraft mit sich herum schleppen durfte. Gesundheitsbeeinträchtigungen, wie Gelenkserkrankungen, Herzinfarkte oder andere Wehwehchen grassierten unter den Wohlstandsbürgern. Da kamen die schlauen Fitness - Päpste, die Sport - Ratgeber und Ernährungspropagandisten im Verbund mit eben jenen Folter - Tempeln, als Korrelat gerade recht.
Und so schossen die Fitness - Studios, wie Pilze bei feucht - warmen Wetter aus den Boden. Für Jeden war etwas dabei. Für die reinen Amateure standen Laufband, Cross Trainer und Fahrrad zur Verfügung, für die Semi - Professionellen diverse Hantelbanken, Kabelzuggeräte oder Rudergeräte und für die selbst ernannten Profis gab es eine Chemiekeule obenfdrauf, nämlich in Form von Eiweißgetränken, Steroiden und Anabolika ( jeweils abzuholen gegen Barzahlung in den Dark Rooms und in der Profabteilung ).
Da wurden ab den frühen 1980er Jahren geschwitzt, geächzt, gestöhnte, was das Zeug hielt. Wer jeden Tag dem Körper eine volle Dröhnung von allen Angeboten zukommen ließ, sah bald so aus, wie " Arnie " Schwarzenegger, Silvester Stallone oder Dolph Rundgren, wie die Plaste - Mutanten " H - Man ", " Superman " und den aus dem Schlaf der Vergessenen wieder erweckten Sagenheld " Herkules ".
Muskelpakete unter dem viel zu engen T - Shirt waren keine Seltenheit. Impotenz dabei aber auch nicht.
Der Fitness - Wahn hatte den angeblichen freien Teil des Landes voll erfasst. Die Branche machte sensationelle Umsätze, jene Mitläufer klotzige Gewinne und die Justiz ein völlig neues Betätigungsfeld auf.
Denn nicht jeder, der keuchend an den Geräten seinen missratenen Körper auf Hollywood - Figur trimmen wollte, konnte sich die dafür fällig werdenden monatlichen Gebühren von 35 bis zu 85 DM auch leisten.So mancher BMW - Jungsput, der nicht mehr bei Mami und Papi wohnen konnte, geriet alsbald in Beitragsrückstand. Der längst überzogene Dispo führt sodann zur Nichteinlösung der Lastschrift und zur Rückbuchung gegen saftige Gebühren durch die diversen Banken.
Auch das höchste Zivilgericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte sich vielfach mit den Fitness - Studioverträgen zu befassen, die meist Knebel artige Klauseln enthielten und oft kaum während der Laufzeit von bis zu 2 Jahren kündbar waren. Eine reichhaltiges Betätigungsfeld für die Dritte Gewalt als Zivilgerichtsbarkeit, um dort in ellenlangen Abhandlungen den Halunken auf der Anbieterseite und den Lügner auf der Seite der Kunden zu zeigen, wer die wahren Herren über die Muskelmassen sind.
Ab den 1990er Jahren ebbte die Fitness - Welle ab. Die Wiedervereinigung erbrachte zwar noch einen gewissen Aufschwung, weil in den Gebieten der einstigen DDR, diese Art des kollektiven Auslebens von körperlichen Anstrengungen noch nicht so bekannt war, dann aber verlief dieser Trend, wie zuvor auch Aerobic und ähnliche Zeiterscheinungen in normalen Bahnen.
Wer heute ein Fitness - Studio aufsucht, hat zwischen 35 bis 100 Euro monatlich zu berappen. Saunabesuch, Schwimmbadnutzung und Ruhebereich inklusive. Es sind wahre Wellness - Oasen entstanden, um den zahlenden Bürger zufrieden zu stellen.
Endlich war das Gerät auf der Terrasse aufgestellt, leicht eingeölt und mit zwei neuen Mignon - Batterien im Steuerungsteil versehen.
Auf geht´s in den Kampf wider der überflüssigen,altersbedingten Pfunde, der Trägheit des Alltags und der teuren Fitness - Studio - Philosophie.
Ebay macht´s möglich.
Also, in diesem Sinne: Immer schön fit bleiben und dabei nicht vergessen, dass wir alle älter werden, so wie Madonna und jene haarigen Kolleginnen und Kollegen aus dem Jahr 1987 ( junge, was war´n die jung? ):
Gut´s Nächtle!
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