Ein Euro - Betrüger!



Wenn ein Rechtsanwalt nicht genügend Mandate erhält, um seine Zeit mit der erlernten Jurisprudenz sinnvoll verbringen zu können, streitet er sich häufig in eigener Sache und dabei sogar mein den ehemaligen Mandanten. Denn dieser ist nach Unterzeichnung der Vollmacht in der Regel der ärgste Gegner / Feind des Advokaten. Dieses gefährliche Verhältnis steigert sich zu einem wahren Kleinkrieg, wenn der Mandant nicht sein eingefordertes recht erhält und deshalb dem Anwalt - nicht immer völlig unbegründet - den Auftrag schlecht erfüllt zu haben. In diesem Fall könnten sogar Regressforderungen gegen den vormaligen Rechtsanwalt eine Rolle spielen. Während der Advokat hierfür eine Haftpflichtversicherung abzuschließen hat, ohne die er keine Zulassung von der Anwaltskammer erhält, sieht es für den einstigen Mandanten nicht ganz so gut aus. Es sei denn, er ist rechtsschutzversichert.

Eine ganz andere Form der beinahe kostenlosen Rechtedurchsetzung über einen der vielen zugelassenen Anwälte ist eine familiäre oder anderweitige Verbindung zu einem Rechtsanwalt. Vielfach wird diese dann ausgenutzt, um den Versuch zu starten, sich franko freien Rechtsrat einzuholen. Das gelingt indes nicht immer. Und dieser Versuch ist auch nicht unbedingt mit Erfolg gekrönt. Zumal ein Advokat auch leben muss. Sein Kühlschrank und der hungrige Magen lassen sich eben nicht mit Luft und Nächstenliebe füllen. Auch die relativ hohen Kosten bei seiner Berufsausübung können nicht von einem leeren Geschäftskonto bestritten werden.

Diese nahezu kostenlose, familiäre Dienstleistung hat allerdings nur Nachteile, denn sie könnte alsbald zur Selbstverständlichkeit erden. Sie vernebelt dem Advokaten die reale Sicht auf jene Dinge, die für den eigenen, den erforderlichen Broterwerb erforderlich sind. Dazu zählt unter anderem auch, dass der Rechtskundige bei einem Mandat die erforderliche emotionale Distanz beibehalten muss, um sich nicht selbst als Beteiligter in einem Rechtsfall angreifbar zu machen.
Will heißen: Wer den Rechtsstreit zu seinem eigenen Fall macht, der dürfte dadurch befangen sein.

Als ich vor einigen Jahren für einen, mir seit mindestens einem Vierteljahrhundert bekannten Rechtsanwalt einige Fälle zur weiteren Bearbeitung übernahm, waren darunter auch Streitigkeiten, die dessen einst bestehender privater Anhang betrafen. Es waren keine großartigen Mandate, sondern eher die üblichen Streitigkeiten, die jeden Normalbürger im Verlaufe seines Lebens durchaus treffen können. Es ging um Unterhalt für Kinder aus einer geschiedenen Ehe, um ein Arbeitszeugnis oder eine Erbrechtssache, an der ich ein wenig mitarbeiten durfte.

Nun, der ehemalige Kollege kramte dann auch eine schmale Akte aus dem unsortierten Haufen heraus, bei der er mir erklärte, dass er vor längerer Zeit mit einem Teil des Familienanhangs einen Ausflug irgendwo an der mecklenburgischen Ostsee unternommen habe und dabei in einem dort gelegenen, kleineren Ort einen Rast einlegen wollte. Eher zufällig gelangte er zu einem Kinderkarussell, dass auf dem Grundstück einer Gaststätte stand. Die mitgenommenen Kinder wollten nun auf dem Karussell fahren. Dazu musste eine Eineuromünze in den Schlitz eines Metallkastens geworfen werden, um das Fahrgerät zum Laufen zu bringen. Doch, nachdem das Geldstück eingeworfen war, tat sich nichts.

Das Karussell bewegte sich nicht. Es leuchteten auch keine Lampen oder andere Elemente an dem Aufbau auf. Es blieb einfach dunkel. Enttäuscht wurden die Kinder wieder in den PKW verfrachtet. Doch zuvor notierte sich der beflissene Kollege den Namen des Betreibers sowie die Adresse des Gasthofes. Er ärgerte sich über diesen Vorfall derartig, dass er nach seiner Rückkehr von seinem Büro aus mehrere Male bei dem Gaststättenbesitzer anrief und ihn bat, zurückzurufen. Trotzt einiger, auf dem Anrufbeantworter hinterlassener Nachrichten, erhielt er keine Rückmeldung.

Dieses brachte den werten Herrn Kollegen derart in Rage, dass er sich entschloss, einen Rechtsfall aufzumachen und eine Akte anzulegen. Diesen Vorfall erklärte er mir später in seinem Büro, wobei er zudem von einer betrügerischen Absicht des Karussellbesitzers ausging. Ich schwieg zu dieser Sache, um nicht noch mehr Öl in das bei ihm immer noch lodernde Feuer zu gießen.

Für mich war die Sache völlig klar. Der Gasthof irgendwo in der Pampa von Mecklenburg - Vorpommern war beim Eintreffen der Ausflugsgruppe gar nicht geöffnet. Denn sonst hätte der Rechtskundige nebst seines Anhangs dort - wie zuvor beabsichtigt - die Gaststätte betreten können. Weil der Betrieb allerdings geschlossen war und wohl auch nicht mehr geöffnet wird, hatte der Besitzer die Stromzufuhr für das Kinderkarussell einfach abgestellt. Damit konnte das Gerät natürlich nicht funktionieren.

Sicherlich wäre es deshalb korrekt gewesen, einen Hinweis zu geben, dass das Karussell nicht mehr funktioniert oder einfach den Münzeinwurf mit Klebeband zu verschließen. Doch dieses Unterlassen ist beileibe kein Betrug und somit auch nie und nimmer strafrechtlich subsumierbar.
Da sind dem Bekannten und Volljuristen wohl die Koordinaten zu weit in Richtung Michael Kohlhaas - Prinzip verschoben worden.

Und, deshalb mal ganz unter uns: Wo hört berufliche Beflissenheit auf und wann beginnt die Naivität? Ein Rechtskundiger sollte sich nie vor diesen Ochsenkarren spannen lassen, sonst macht er sich umgehend lächerlich.
Familiärer Anhang und die damit verbundene Gefahr auf dem Holzweg zu gehen hin und Rechtskenntnisse her. So etwas darf einem erfahrenen Juristen nicht passieren, Herr B.


35007 mit " Voyage Automatique " aus dem Album " Liquid Part 1 "  - 2002:



 









Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Widerspruch zwecklos!