Katzengeschichten oder: Wie eine " SPIEGEL " - Homestory zu meiner eigenen wurde.
Das vorweihnachtliche Wetter in unserer schönen Landeshauptstadt ist nicht gerade dazu angetan, wahre Freudensprünge so kurz vor dem Fest der Freude zu veranstalten. Es regnet, bleibt zudem unangenehm kühl und sieht eher nach dem mir aus Bremen über viele Jahre bekannten Schmuddelwetter aus, denn nach Winter.
Nur die ab 5.00 Uhr eingeschaltete Sendung von Radio Bremen Eins, innerhalb derer seit geraumer Zeit dann und wann popigen Weihnachtslieder eingestreut werden, versprach meine her leicht depressive Grundstimmung leicht aufzuhellen.
Als ich dabei noch die " Homestory " mit dem schönen Titel " Katzenvati " im " SPIEGEL " 50 / 2017, S. 79, dabei las, wurde meine Stimmung fast schlagartig besser.
Was der Verfasser Jochen - Martin Gutsch hier schilderte, brachte mich bei nahezu jeder Zeile zum Kichern.
Tja, der " SPIEGEL " - Mitarbeiter ließ sich doch tatsächlich eine dieser Hunderttausend Jungkatzen aufschwatzen, obwohl er zuvor gegenüber seiner Frau völlig begründete Vorbehalte geäußert hatte. Seine bessere Hälfte hatte dabei von Beginn, also schon vor der eingeleiteten Katzenadoption, ein weicheres Herz als er. Dass sich dieses dann beinahe ins Umkehrte drehte, lag nicht nur an dem einmaligen Charme des Vierbeiners. Wenn eine junge Katze diesen spielen lässt, gibt es nur jene Menschen aus der Hardcore - Fraktion der Tierhasser, die dabei nicht einknicken.
Es kam, wie es in solchen Fällen fast immer kommt: Die ablehnende Haltung des Herrn Gutsch schwand mit jeden Tag, an dem er den Stubentiger um sich herum schleichen ließ. Aus einem Skeptiker wurde ein fürsorglich agierender " Katzenvati ", der all jene Unwägbarkeiten erlebte, die ein solcher Halter mit erleben darf, wenn er der Klein - und Haustierindustrie auf den Leim geht. Ob es nun super teures Spezialfutter ist, ob es die viel zu vielen Ratgeber sind, die seit vielen Dekaden zusammen mit der zumeist üblichen Schundliteratur auf den Markt geworfen wurden oder, ob es all dieses sinnlose Zubehör ist, das für viel, ja viel zu viel Moneten, dem Halter aufgequatscht wird, um das Haustier nach menschlichem Vorbild zu vermenschlichen.
Schließlich sind es auch noch die studierten Katzenretter in Weiß, die Kleintierärzte, die dem besorgten, dem " Helikopter - Katzenhalter " einreden, dass der Liebling erkrankt sei, dass er die üblichen Flöhe nicht mehr mit den handelsüblichen Floh - und Ungezieferbekämpfungsmittel in den Griff bekäme und deshalb das sündhaft teurer Chemiezeugs doch lieber von der Tierarztpraxis erwerben soll.
Der Haustiermarkt ist ein Tummelfeld für viele Scharlatane, für die industriellen Abzocker und jene Reklame - Fuzzis, die das Tier in ihren Werbefeldzügen zu einem Menschen hoch stilisieren.
Sie alle verdienen damit Geld, sehr viel Geld.
Die Katze des " SPIEGEL " - Mitarbeiters heißt Elfriede Jelinek. Ein sehr anspruchsvoller Name. Deshalb wird die Katze auch über versorgt. Schließlich hat eine studierte Katze auch Ansprüche.
Und während ich am sehr frühen Morgen grinsend und feixend die Ausführung des Herrn Jochen - Martin Gutsch las, erinnerte ich mich an meine vielen Schnurrer, die mich mehr oder weniger ein Stück meines Lebens begleitet haben. Sie waren allesamt einmalige Tiere. Jede Katze hatte ihre Eigenarten, jeder Kater seine Besonderheiten.
Die erste Katze in meiner Kindheit nannten wir einfach nur " Miezi ". Sie wurde von unserem Vater von einer Baustelle in seiner Aktentasche mitgebracht. Unsere Mutter fluchte deshalb wie verrückt. Sie wollte das " Viech " nicht. " Miezi " blieb aber, bekam Milch, Speisereste und schrubbte drei Salzheringe aus einer Porzellanschüssel, die abgedeckt in der Waschküche stand, heraus und fraß den Leckerbissen bis auf die Gräten auf.
" Miezi " war nicht kastriert, wurde von den Katern aus der Nachbarschaft gedeckt und bekam in schöner Regelmäßigkeit mindestens zwei bis fünf Junge. Dieses verschwanden jedoch kurz nach der Geburt.
" Miezi " wurde eines Tages von einem der einst wenigen Autos auf der Bückeburger Straße überfahren. Wir beerdigten die Katze im Garten.
Einige Jahre später, ich quälte mich morgens mit dem selbst bezahlten Sportrad, an dem eine " Torpedo " Drei - Gangschaltung installiert war, zu der Lee(h)rstelle nach Bückeburg, lag eine weitere schwarze Katze nebst Jungtier auf dem gut gepflegten Rasen des elterlichen Hauses. Sie hatten Rattengift aus einem Schuppen eines Nachbarn gefressen und sind so gekillt worden. Ich beerdigte beide Katzen am Abend im Garten.
Viele Jahre später bekam ich über eine Bekannte in Wilhelmshaven den Tipp, dass dort einige Katzenjungen zu verschenken seien. Ich fuhr zu dem Haus, in dem es wie Kraut und Rüben auf dem Haufen geworfen, aussah und schnappte mir aus dem völlig versifften Wintergarten eines der Dutzend Katzenkinder. Später holte ich Flohmittel, vom Tierarzt eine Wurmkur und Futter für Katzenjunge. " Cara ", so nannte ich meinen neuen Lebensgefährten auf Wunsch meiner türkischen Studienkollegen,wuchs wohl behütet bei mir auf. Er weckte mich sanft, wenn ich am Sonntagmorgen gegen 4.00 Uhr aus der Großraum - Diskothek " Aladin " in Hemelingen kommend, nur vier Stunden Schlaf erhalten sollte, weil " Cara " danach der Magen knurrte. Er warf den Eierbecher nebst gekochtem Frühstücksei um, dass dann auf den kalten Betonboden plumpste und auslief und er sprang ständig in mein Bücherregal und warf dort meine MEWs und andere Schwarten um. " Cara " war hyperaktiv. Deshalb brachte ich ihn dann mit 9 Monaten zu einem jungen Tierarzt in den Lothringerstraße in Bremen - Schwachhausen, dem - immer noch - nobeleren Viertel der Freie und Hansestadt.
Der junge Tiermediziner hatte just dort seine Praxis eröffnet. " Cara " witterte das drohende Ungemach und sprang dem jungen Tierarzt vom blank geputzten Edelstahl - OP - Tisch. In einer konzertierten Aktion gelang es uns schließlich den widerborstigen Jungmann einzufangen. Als ich ihn dann gegen Mittag wieder abholen durfte, war er noch schläfrig und schlapp. Ich berappte meine 80 DM und fuhr mit ihm zurück in meine Butze im Mensa - Wohnheim an der Bremer Uni.
Dass mich mein geliebter Mitbewohner in dem 19,8 ² - Loch mit Nasszelle, danach mindestens 3 Tage lang nicht mehr anguckte, weil ich für die Entmannungsaktion verantwortlich zeichnete, damit konnte und musste ich leben.
" Cara " lebte später viele Jahre bei meinen Eltern und wurde dann wegen eines Geschwulstes über den Augen von einem Bückeburger Tierarzt eingeschläfert.
Meine lange Ausbildung war zu Ende. Ein neuer, ein anderer Abschnitt begann mit meiner Zulassung als Rechtsanwalt. Ich musste meinem Leben völlig neue Inhalte geben. Dass die schönste Zeit bislang, das Studium nämlich, permanent, finanziell auf Kante genäht war, hatte mich bislang kaum gestört. Dank meiner Improvisationskünste ging es immer wieder gut. Die regelmäßige Maloche in den Fabriken und auf dem Bau eines Bremer Orthopäden während der Semesterferien, versetzte mich in die Lage, sämtliche Notsituationen zu meistern.
Nun aber kam der wahre Ernst des Lebens.
Neben Mietzahlungen für Wohnung und Büro, Versicherungen, Steuern, Kammerbeiträgen, musste ich auf den Kühlschrank füllen. Deshalb war eine Katze kein Thema. Auch zeitlich wäre dieses nicht zu bewerkstelligen gewesen. Irgendwann zum Ende der 1980er Jahre zog ich erneut um. Die Wohnung wurde etwas größer; auch beruflich und finanziell ging es nun bergauf.
Eines Tages erschien meine damalige Lebensgefährtin mit einer winzigen Katze in einem Tragekorb. Der Jagdhund des Hofbetreibers in Delmenhorst hatte das Muttertier zerfetzt. Der Wurf war nun, so ohne Katzenmutter, auch dem Tode geweiht. Die Einstellerinnen auf dem Pferdehof hielten Kriegsrat ab und beschlossen, die vier Jungtiere aufzuteilen. Jede Reiterin nahm eine Katze mit. Davon saß oder besser kauerte eine, wie ein Häuflein Elend, in dem mit einer Satteldecke ausgepolsterten Korb und wimmerte herzzerreißend. Während ich zunächst Rumpelstilzchen spielte und herum zeterte, dass ich kein " Katzenviech " mehr haben wollte, muss das Katzenbaby doch irgendwie gespürt haben, dass ich sein Lebensretter war.
Ich kochte in einem Stieltopf etwas Milch auf, versetzte diese mit Leitungswasser und tauchte meinen Zeigefinger in den Behälter. Dann hielt ich den Finger vor den winzigen Mund der Katze. Sie saugte sofort daran herum. Ich wiederholte das Prozedere einige Dutzend Mal. Dann schien das Katzenbaby satt zu sein. Ich rieb mit dem Finger das kleine Bäuchlein. Der Winzling schlief noch in meiner Hand ein.
Am nächsten Tag fuhr ich zum " Zoo Bunker " in die Föhrenstraße und kaufte dort geeignetes Material, wie eine Milchflasche mit Pipettenaufsatz, Spezial - Trockenmilch und einen Katzenkorb, dazu einer mauschelige Einlegedecke und zahlte locker so um die 50 DM, also zwei " Aldi " - Einkäufe, dafür. Die arme Katze durfte nicht verhungern. Nein, sie stirbt nicht. So war ich eigentlich kein Haustier mehr haben wollte.
Danach nahm ich " Jule ", so nannte ich mein Pflegekind, ab sofort jeden Tag mit in das Büro. " Jule " schlief in dem Korb auf der neuen Coach, die eigentlich für die Mandanten angeschafft wurde und wurde von mir bis zum Büroschluss alle zwei Stunden mit der Flasche gesäugt. Sobald sie einen Mucks von sich gab, schoss ich wie von der Tarantel gestochen, aus meinem Bürostuhl hoch, machte das Püllchen mit Instantmilch von " Gimpet " handwarm und setzte es an den dann größer werdenden Katzenkopf an. " Jule " hatte das Prozedere mittlerweile verinnerlicht. " Pulle " bedeutete für die Katze eben Milch. Das kleine Tier zog schmatzend an dem Aufsatz aus Weichplaste. War die Katze satt, streichelte ich ihr zart auf dem Bäuchlein herum.
Dieses diente der besseren Verdauung. Gut, ja, gut, ich sach ma´; Die Mauseköttel rochen noch nicht und waren hart. Ich entsorgte diese, auf einem Papiertuch liegenden Kotteile im Klo.
" Jule " wurde größer. Sie wuchs und wuchs und war gesund. Leider hatte sie später ständig Würmer, weil der Muttermilchersatz von " Gimpet " diese natürlichen Abwehrstoffe nicht enthielt. Dafür bekam sie alle halbe Jahre eine Wurmkur verpasst.
Auch dieses Erfordernis war nicht komplikationslos umsetzbar. Ich kaufte vom " Aldi " feine Leberwurst, zerdrückte die Tablette gegen Spul - und Bandwürmer auf einem Küchenbrett und legte die Teilchen in die Fingerkuppen großen Leberwurststücke.
" Jule " verzehrte sie genussvoll, wurde entwurmt und konnte wieder Mäuse fangen.
Die einst nur knapp 300 Gramm wiegende Katze entwickelte sich prächtig. Begleitete mich mehr als 11 Jahre in meinem Leben und war in dieser Zeit bis zu ihrem Tod ein dankbarer Hausbewohner.
Ich kann das Verhalten des " SPIEGEL " - Mitarbeiters vollends verstehen. Es war Liebe auf dem zweiten Blick; aber dafür für immer. Und so wird erklärlich, warum die Menschen einen solchen liebenswerten Mitbewohner nur allzu gerne vermenschlichen möchten. Doch Tier bleibt Tier und Katze immer Katze und deren Gedanken sind frei, weshalb sie sich niemals vermenschlichen lässt. Da mag die dämliche Tierprodukt - Industrie herstellen, was sie möchte. Einen Kratzbaum im Luxussegment? Na, mit mir und unseren Katzen nicht. Ein High - Tech - Schutznetz aus reißfesten Kunststoff? Brauchen unsere vier Vierbeiner überhaupt nicht. Gourmet - Nassfutter? Ebenfalls nicht. Und auch Weihnachtsgeschenke in Form von vitaminreicher Trockennahrung, die 800 Gramm - Tüte für 9,99 € von " Zoo Schriefer " verschmähen sie. Keinen Appetit auf Luxus, kein Interesse an menschlichen Verhaltenszwängen und nicht auch an irgendwelchen Schlafdomizilen im Hochpreisbereich besteht ein gezeigter Bedarf,
Doch, wenn wir einige Tage bei den Enkeln in Bayern verweilen, den Urlaub an der Ostsee genießen oder Bekannte über ein Wochenende zu Besuch haben, liegen garantiert alle vier Jäger auf der Überdecke des Bettes und wärmen meine Schweißmaucken.
Lassen Sie " Elfriede Jelinek " einfach nur Katze sein, lieber " Katzenvati " vom " SPIEGEL "!
Al Stewart und sein " Year Of The Cat " - 1976:
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