" Feinde " oder auch " Oh, wie schön ist waterboarding! "






Der erste Sonntag im Jahr 2021 war für einige Fernsehzuschauer ein ganz besonderer, denn statt des Dauerlutschers " Tatort " gab es schwerere Kost auf die Augen. 

Der deutsche Autor Ferdinand von Schirach gab sich die Ehre und lud zu einem Fernsehexperiment ein. 10 Millionen Zuschauer auf den Kanälen der ARD ( Das Erste, One und allen 3. Programmen ). Ein Quotenbringer also, der allenfalls vom " Tatort " Münster übertroffen wurde. Da hatte sich das frühe Werben für dieses " Fernseh - Event des Jahres " vielleicht doch gelohnt. Selbst dann, obwohl die ARD als Teil der breiten Medien - Palette der Öffentlich - Rechtlichen das überhaupt nicht nötig hatte, denn auf Quote muss - unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten - keiner ihrer Häuser achten. Die Zwangsgebühren fließen in Milliardenhöhe auch so.

Schon leicht angewidert von der penetranten und zudem eben nicht erforderlichen Eigenwerbung, schauten wir uns das " Fernseh - Event des Jahres " im " Ersten " an. Da von Schirach für uns seit Jahren einen literarisch betrachtet, hohen Stellenwert einnimmt, seine ersten beiden Bücher im ZDF bereits verfilmt waren, lagen die Erwartungshaltungen eher im oberen Bereich der Skala. Dieses unbeschadet der Tatsache, dass uns sein zuletzt erworbenes Buch " Kaffee und Zigaretten " vollkommen enttäuscht hatte. 

Nun, die verfilmte Kriminal - Geschichte ist schnell erzählt:

Eine 12jährige Tochter eines sehr reichen Pinkels aus dem Berliner - Grunewald wird entführt. Die Lösegeldforderung lautet 5 Millionen in der virtuellen Bit Coin - Währung. Eine " Soko " wird gegründet. Der sie leitende Hauptkommissar ist ein so genannter alter Hase ( auch Fuchs ). Er lässt planmäßig ermitteln und kommt deshalb binnen sehr kurzer Zeit auf den Täter. Doch der schweigt. Und weil es keine belastbaren Indizien für seine von ihm gemutmaßte Tat gibt, entschließt sich der Polizist, den in Gewahrsam genommenen Tatverdächtigen zu foltern. Dieses, obwohl er dafür - selbstverständlich - von der Polizeiführung keine Erlaubnis erhalten hat. Der Hauptkommissar entschließt sich, den Verdächtigen mit der in den USA gängigen CIA - Methode des " waterboarding " gefügig zu machen. Er soll die Adresse des gefangenen Mädchens preisgeben., was auch einem Geständnis gleich kommt. Dieses wird protokolliert und vom Täter unterschrieben. Es kommt zum Strafverfahren, in dem der Verteidiger das zuvor erzwungene, dann jedoch widerrufene Geständnis des Angeklagten, als rechtswidrig zustande gekommen und damit nicht verwertbar entlarvt. Der Angeklagte wird deshalb frei gesprochen.

Spektakuläre Entführungfälle gab es in  Deutschland (West)  zur Genüge.  Beispiel, wie es jene von Oetker jun., Theo Albrecht ( Aldi ) oder Jan Phillipp Reemtsma ( Tabak ) waren, brachten über Jahre genügend Stoff, um daraus Regalwände an Medien zu füllen.

Der in dem von Schirach´schen Fernsehfilm angelehnte Fall des Frankfurter Bankierssohns von Jakob Metzler gehört in diese Kategorie der Kriminalfälle. Sie wurden allesamt aufgeklärt und die Täter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.


Im Fernsehfilm ist dieses nicht der Fall. Dem mutmaßlichen Entführer konnten das Ermittlerteam strafprozessual betrachtet reinweg gar nichts nachweisen. Obwohl die Polizei dem - tatsächlichen - Kidnapper sehr schnell namentlich feststellen kann, gibt es für die Beamten im Film keine gerichtsverwertbaren Beweise. Die Anklage steht auf tönernen Füssen, denn einzig ein vom späteren Angeklagten unterschrieben Protokoll, in dem er den Ort des Verstecks, an dem er das entführte Mädchen verbracht hat, genau benennt, wird als Geständnis qualifiziert. 

Es war indes keines, denn nur weil der Tatverdächtige unter den Bedingungen einer widerrechtlichen, weil auch strafbaren, Folter in Form des " waterboarding " den Aufenthaltsort des entführten Mädchens preis gibt, muss es sich nicht um ausschließliches Täterwissen und daraus rückschließend um den Kidnapper handeln. Er hätte durchaus Teil einer Bande sein können, wobei ein anderer Mittäter ihm zuvor den Ort des Verstecks hätte benennen können. Warum in dem Film der übereifrige Leiter der Soko von einem Einzeltäter ausgeht, bleibt deshalb nebulös. 

Aber die Handlung zeigt auch in weiteren Passagen Schwächen. Realitätsfern ist es zum Beispiel, dass eine sehr vermögende Familie, die sich einen  umfangreichen Objektschutz leistet, dann ihre Kinder auf staatliche Schulen gehen lässt und dieses ohne Begleitung. Wirklichkeitsfremd ist aber auch, dass der Soko - Leiter bei der Polizeipräsidentin um Erlaubnis für seine geplante Folter - Methode anfragt. Ein erfahrener Kriminalbeamter würde dieses nie in Erwägung zieht.

Ebenso lässt der abschließende Strafprozess vor einer Schwurgerichtskammer in Berlin eine Reihe von Unsauberkeiten erkennen. Zunächst sind in dem Film die Gewichtungen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung allein durch die Strafprozessordnung nie gleichwertig. In einem derartigen Verfahren, in dem ein Kapitalverbrechen ( das Opfer, das entführte Mädchen, erstickte schließlich während der Geiselnahme in dem Raum an einer Kohlenmonoxidvergiftung ) wird das Gericht sein Fragerecht weit aus intensiver wahrnehmen; ebenso die Staatsanwaltschaft, die dann nicht durch eine noch relativ junge, wohl eher unerfahrene Anklagevertreterin anwesend sein dürfte, sondern durch einen berufserfahrenen Oberstaatsanwalt. Die filmische Prozesssituation kapriziert sich beinahe ausschließlich auf den Verteidiger, der in Wahrheit eine eher ungünstige Stellung einnimmt, denn ihm verbleiben als letzter der beteiligter Volljuristen das Fragerecht ausüben zu können.

Nun, von Schirach war selbst über zwei Jahrzehnte Strafverteidiger. Da liegt es auf der Hand, dass er die Verteidigung in diesem Fall überhöht darstellt, ja, den Verteidiger in persona nahezu glorifiziert ( dieser wird glänzend von Klaus Maria Brandauer gespielt ).

Der zweite Teil des Schirach´schen Werks, der nach einer eingeschobenen, zirka 40 Minuten Dokumentation gesendet wurde, war unnötig. Er lässt einen Großteil des Fallablaufs nur wiederholen.   

Das Fernseh - Experiment sollte den Zuschauer näher an die oft undurchsichtigen Gemächte der Dritten Gewalt führen. Der Autor von Schirach hat hier versucht, den Unterschied zwischen Recht - Gerechtigkeit - Rechtsempfinden aufzuzeigen. Das ist ihm leider nur bedingt gelungen.

So muss denn die Quintessenz aus dem mit viel Getöse angekündigten Fernsehabend nolens volens ernüchtern ausfallen. Bei allem Bemühen, dieses Thema hätte auch in gut 1 1/2 Stunden dargestellt werden können. Es ist nämlich eher ein breiter Konsens in der Gesellschaft verfestigt worden, der Folter als Mittel zur Aufklärung selbst bei schweren Straftaten kategorisch ablehnt.   

    

https://www.spiegel.de/kultur/tv/feinde-nach-ferdinand-von-schirach-ard-ein-folter-abend-a-f12b00d5-faec-40ed-a288-4d4455319b2d



KUNGENS  MÄN  -  Patraikivik  



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