Stille Tage in Ischgl




Seitdem materieller Wohlstand und Massentourismus im Gleichschritt viele Länder der Erde befallen haben, darf sich der modern denkende und Konsum orientiert handelnde Mensch auch über Annehmlichkeiten erfreuen, die er nicht in seinem unmittelbaren Lebensumfeld vorfindet. Will er exotische Tiere beobachten, setzt er sich in einen Düsenklipper und jettet mal eben nach Afrika, wo ihm in einem Ressort, abgeschirmt von der Armut des Kontinents, bei kontinentalen Frühstück, Bratwurst auf dem Grill oder gar edler, einheimischer Speisen, im Safari - Bus jenes Getier hautnah vor die Linse des Smartphones gebracht wird. 

Wer es mit Getier nicht so am Hut hat, der bucht irgendeine Kreuzfahrt, die ihn auf irgendeinen Pott in der Größe einer Kleinstadt über irgendeinen Ozean queren lässt, wobei die Seefahrt nicht nur lustig, sondern all inclusive ist. Da werden Türme an - nicht selten - erlesenen Speisen und Getränken aufgefahren, um dem Kreuzfahrer ( es sind überwiegend grau - haarige ab dem Vorrentenalter ) die Kreuzfahrt so angenehm wie möglich zu machen. Das obligatorische " Captain´s Dinner " darf selbst verständlich nicht fehlen.

Wer es lieber einfacher gestalten möchte, für den gibt es die Urlaubsvarianten mit dem Wohnmobil, dem Caravan oder auch jede Menge Angebote, bei denen Sport im Freien als Aktivurlaub eine gewichtige Rolle spielt.

Das Gegenteil sind die Saufausflüge nach " Malle ", in die Türkei oder an die spanischen Küsten. Dort treffen sich all jährlich die bereits übergewichtigen Knilche an 18 Plus, um - manchmal nur für 2 Tage - die Sau raus zu lassen. Statt Sonne, Strand, Meer, geht es auf den " Ballermann " oder es wird zu einem nächtlichen Streifzug durch die Bars irgendeines Küstenortes geblasen. Am Ende der Nacht gibt es jede Menge Leichen - Schnapsleichen! 

Irgendwo dazwischen liegt die Perversität des " Après-Ski ".  Es handelt sich hierbei um den individuellen Versuch, einen Kompromiss zwischen Ski fahren, Saufen und Sex zu finden. Meisten scheitern dieses bereits daran, dass bereits bei der Abfahrt der Restalkoholpegel zu hoch ist und der Sturz ins Tal der Hoffnung abrupt endet und stattdessen der Helikopterflug ins nächst gelegene Spital erfolgt. Auch die Kombination Alkohol saufen und Sex führt regelmäßig zu keinem befriedigenden Ergebnis. Aber auch Ski fahren und Sex sind sodann ohne Alkohol saufen nicht kompatibel.

Der österreichische Fotograf Lois Hechenblaikner hat 2020 einen 34 Euro teuren Bildband veröffentlicht, der den einfachen Namen " Ischgl " trägt. Der Tiroler hat 26 Jahre Berufserfahrung auf den Buckel. Er hat dokumentiert, wie der Massentourismus das Dorf " Ischgl ", das zur Gemeinde Paznaun zählt, die wiederum in dem Bezirk Landeck zugehört, die nahe der schweizerischen Grenze liegt. " Ischgl " wird als der " Ballermann der Alpen " bezeichnet.

Und just so verhalten sich die dort einfallenden Touristen auch. Sie ballern sich mit alkoholischen Getränken zu, führen sich wie brünftige Hirsche auf oder geben dann und wann auch die läufige Hündin ab. Tierisches Gehabe auf primitivsten Level, also.

Doch damit ist ab März 2020 endlich Schluss. Ein Barkeeper fing sich im " Saufstall " mit dem eindeutigen Namen " Kitzloch " eine " Corona " - Infektion ein und verbreitete das Tod bringende Virus in einige europäische Länder. Das " Kitzloch " wurde abgesperrt. Kurz danach mussten andere Lokal ebenfalls dicht machen; als dann " Ischgl " abgeriegelt wurde, war´s vorbei mit dem Sauf - Urlaub.

Was blieb war die ernüchternde Erkenntnis, dass auch hier alles mal ein Ende hat. Jetzt kann die Natur aufatmen. In " Ischgl " ist es still geworden. Sehr still sogar. Zeit, die Tante " Corona " den Geld gierigen Ex - Bergbauern, der schwarz - brauen ÖVP - Riege und jenen Mahnern Gelegenheit gibt, ihre triftigen Argumente zu sammeln.

Statt den jährlich 1,4 Millionen Übernachtungen und einem Umsatz von 250 Millionen Euro, den Pinkelnden, den Alkoholleichen, den Tausenden Bierkästen, den sexualisierten Riten und all jener dekadenten Masse, die " mit dem Penis denkt " ( so der Wiener Journalist Stefan Gmünder in den Nachwort zum Bildband ), die viel Geld ausgibt, um Obszönitäten unter dem brüllenden Gelächter der anderen Dauersäufer zu veranstalten, sind in der jetzt anlaufenden Hauptsaison die Tage in " Ischgl " still. 


https://www.fr.de/panorama/was-apre-so-geht-90156658.html

   



TRAUMHAUS  -  So Many Ways  -  In Oculis Meis  -  2020:




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