Saures, sonst Süßes?
Gestern war ja Halloween. Eigentlich nichts für Erwachsene. Eher etwas für Kinder. Aber: Nicht selten verhalten sich Erwachsene wie Kinder. Sie werden urplötzlich kindlich. Gemeint sind hier nicht die Eltern oder Elternteile, die sich vor dem Einbruch der Dunkelheit mit ihrem Nachwuchs auf den Weg machen, um in der Nachbarschaft einige Häuser aufzusuchen, bei denen dann dieses - dann vielleicht schon gleichförmige - Ritual abläuft, welches vorsieht, dass nach dem Klingeln und dem Öffnen der Haustür, der eher einfältige Satz: " Süßes sonst Saures! " aufgesagt wird.
Was aus den großartigen Vereinigten Staaten von Amerika irgendwann nach Europa und auch sodann nach Deutschland herüber schwappte, ist denn wohl eher als Klamauk zu bezeichnen. Für Kinder indes, eine hoch willkommene Abwechselung, aus dem mehr oder minder tristen Alltag der Pflichtaufgaben von Elternhaus bis hin zum Sportverein oder der Schule etwas Abstand zu bekommen. Ferner dürfte die vielleicht kontrollierten Ver - und Gebote rundum das Vermeiden von jener zu zuckerhaltigen Ernährung an jenem Tag, an dem es " Süßes für Saures " gibt, aufgeweicht.
Während wir bereits am Donnerstag die Vorbereitung für den zu erwartenden Besuch an der Haustür abschließen konnten, später dann die Kürbisse aus dem eigenen Garten entsprechend präparierten, zeigte sich in den Nachbarhäusern keinerlei Aktivität. Wir erinnerten uns an das letzte Jahr, als an jenem ominösen Halloween - Tag, an dem die lustigen und sehr einfallsreichen Verkleidungen im Vordergrund standen, in den Häusern gegenüber kein Licht zu sehen war, obwohl alle Bewohner zuhause waren.
Und so gestaltete es sich auch in diesem Jahr, an dem Halloween auf einen Sonntag fiel. Ab 17.00 Uhr wurden an sämtlichen Häusern gegenüber die Jalousien herunter gelassen und die Lichter nicht angeknipst oder der Aufenthalt in jene Räume verlegt, die von der Straßenseite nicht einsehbar sind.
Ich erinnerte mich jetzt an meine Kindheit, in der wir zwar am 31. Oktober eines Jahres kein Halloween feierten, sondern den so genannten Reformationstag. Da an dieser Tag schulfrei gestellt war, jedoch mit einer indirekten Pflicht zum Kirchgang verbunden wurde, hatte er durchaus eine Bedeutung für die Kinder. Doch Süßes gab es dafür nicht. Eher Saures, denn der Besuch des Gottesdienstes war obligat und wurde deshalb von den Lehrer kontrollierend begleitet.
Süßes gab es aber und auch nur ein in einem äußerst bescheidenden Maß beim Martinssingen. Am 11. November zogen wir in den 1960er Jahren mit einer Laterne in der Hand in der Nachbarschaft umher und klingelten mit einer tüchtigen Respekt vor den Erwachsenen an der Haustür, sangen dabei immer das gleiche Lied und hielten einen - nicht zu großen - Beutel auf. Der sich dann nach etwa einer Stunde etwas gefüllt hatte. Mit etwas Glück fanden sich dann kleine Schokoladentäfelchen in dem Eingesammelten wieder, die - weil zu teuer - nicht einmal auf dem späteren Weihnachtsteller ( bunten Teller ) lagen. Wir wussten natürlich ganz genau, wo es etwas gab. In den Straßen nämlich, in denen die Neubauten und Reihenhäuser von Ärzten sowie beruflich besser Gestellten lagen.
Nur, dass ist mehr als ein halbes Jahrhundert kein Garant mehr. Als es dann bei uns das erste Mal klingelte, nahm ich die große Schüssel mit den Süßigkeiten und öffnete die Tür. Ein eher schüchtern wirkender Junge mit Mutter nebst Großmutter standen dort. Etwas gehemmt griff er in die große Küchenschale. Ich bat ihn nochmals hinein zu greifen und gab ihm zum Schluss erneut eines jener - für ihn - begehrten Leckereien, die dann auf andere Kinder warteten.
Es klingelte noch mehrmals, die Schale wurde leerer - die Kinder freuten sich, bedankten sich und wenn dazu noch zu hören war: " Das ist ein gutes Haus. ", dürften wir nicht viel falsch gemacht haben. Halloween sei dank? Zudem mussten wir weder die Lichter auslassen, die Klingel abstellen oder einfach uns auf beiden Ohren taub stellen: Wir waren ja auch einmal Kinder!
REDBONE - The Witch Queen Of New Orleans - 1971:
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