Geschichten aus der Straßenbahn: Die Kontrollen über die Zone

So kurz vor Weihnachten und dem Jahresende stellte ich dann doch noch mal einen Schwank aus meiner Zeit als regelmäßiger Straßenbahnfahrgast ein. Auslöser hierfür war ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung " SZ " über einen Rentner aus München, der eine Rechtsstreit gegen die " Münchner Tarif - und Verkehrsverbund " ( kurz: MVV ) führt, weil er wegen angeblicher Beförderungserschleichung ( Schwarzfahren ) ein so genannten erhöhtes Beförderungsentgelt zahlen soll. Dieses, obwohl er einen gültigen Fahrausweis, eine zuvor an einem Automaten gekaufte Fahrkarte besaß.

Was war geschehen?

Die  " MVV " haben irgendwann, quasi ganz still und leise, die derzeit bestehenden 6 Tarifzonen verändert. Damit wurden die Fahrten de facto teurer, denn die die nächst folgende Tarifzone begann hiernach früher. Due bereits gekauften Fahrkarten wurden ungültig und mussten durch neue Fahrscheine ersetzt bzw. ergänzt werden. Hiervon hat der sich mittels des Gerichts wehrende Mann keine Kenntnis erlangt. Er fuhr deshalb mit einem dann nicht mehr gültigen Fahrausweis in die früher beginnende nächste Tarifzone.

Nun stellt sich die Frage, ob die Verkehrsbetriebe über eine Änderung der bestehenden Tarifzonen jene Fahrgäste zu informieren haben, die Fahrscheine bereits vor der eingeführten Abänderung der Zonen gekauft haben. Sie hatten, zumindest wurden jene Änderungen über die vielen Medien kommuniziert. Doch ist ein Fahrgast verpflichtet, sich hierüber auch zu informieren?

Nein!

Ist er gehalten, sich vor Fahrantritt, also auch beim Fahrkartenkauf, die Allgemeinen Beförderungsbedingungen durchzulesen? Ja! Doch, wer macht das schon? Wer liest diese kleingedruckten Regelungen in den Aushängen der vielen Verkehrsgesellschaften durch? Kaum ein Fahrgast.

Das Netz ist voll mit Artikeln über mehr oder weniger kuriose Geschichten von Fahrgästen, die sich aufgrund jener - nicht selten - undurchsichtigen Tarifzonenregelungen wegen des Vorwurfs ohne gültigen Fahrausweise gefahren zu sein, gegenüber den Kontrolleuren zu rechtfertigen versuchen. Es bleibt zumeist bei einem Versuch, denn derartige Fälle laufen immer wieder in einer schriftlichen Aufforderung der Verkehrsgesellschaft, einen mehrfach höheren Fahrpreis nachzuzahlen.   

Da saß ich zusammen mit einer Mandantin und deren schulpflichtigen Sohn in einem beinahe leeren Abteil eines Nahverkehrszuges der Deutschen Bundesbahn, der uns vom Bremer Hauptbahnhof zum Bahnhof nach Syke bringen sollte. In der niedersächsischen Kleinstadt, die ein eigenes Amtsgericht unterhält, hatten wir einen gemeinsamen Termin bei dem Amtsgericht. Es war ein Zivilrechtsstreit, der mich zusammen mit der Mandantin dort hin trieb.

Die Rechtssache war eher klar. Die Mandantin lebte einst zusammen mit ihrem Mann in Bremen - Sebaldsbrück. Die Ehe wurde ein Jahr zuvor geschieden. Der Mann zog zurück nach Syke. Bei seinem Auszug nahm er sämtliches Kinderspielzeug, darunter einen größeren Plaste - Trecker, " Duplo " - Steine, ein Kettcar, eine elektrische Eisenbahn und weiteres Kleinspielzeug in einer Kiste mit.

Damit war die Kindesmutter, der das vormals noch geltende alleine Sorgerecht zugesprochen wurde, nicht einverstanden. Sie forderte den Kindesvater über mich zur Herausgabe deer Gegenstände auf. Erfolglos. Der in ehemaligen Kaffeerösterei der Firma Jacobs als Schichtleiter tätige Ex - Mann stellte sich stur. Er war wohl immer noch sauer. Bei dem Scheidungsverfahren hatte ich ihm über 5.000 DM aus der Tasche geleiert, weil er mit mehr als 100. 000 DM im Jahr für damalige Verhältnisse gut verdiente, bügelte der Bremer Familienrichter meinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem lapidaren Hinweis, dass der unterhaltspflichtige Mann zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses verpflichtet sei, ab.

Nun sollten wir uns erneut vor Gericht wieder sehen.

Der Zug fuhr rumpelnd über die Gleise am Bremer Hauptbahnhof in Richtung Südwesten, dort wo nach den Kleinstädten Stuhr und Bassum die einstige Kreisstadt Syke liegt. Die Abteiltür wurde aufgezogen. Zwei Herren in der typischen Dienstkleidung der Bundesbahn betraten den Wagon. " Die Fahrscheine, bitte! ", schnarrte einer der Beiden los. Ich zog mein Portemonnaie hervor, in dem sich die " Bremer Karte " sowie eine Zusatzfahrkarte für die Strecke von Bremen  - Stuhr bis Syke.

" Das geht so nicht! ", ranzte mich der Bahnmitarbeiter gleich an. 

" Ihre Bremer Karte gilt nur für Bremen. Wohin wollen Sie? " 

Um ihn gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen und ihm ein wenig zu imponieren, antwortete ich forsch: " Nach Syke zum Amtsgericht! " 

" Nein, damit können Sie nicht fahren! ", erklärte mir der DB - Zugbegleiter erneut.

" Gut, dann löse ich eben nach! ", gab ich ihm zur Antwort.

Da mischte sich die Mandantin ein und hielt ihre Monatskarte dem Schaffner vor die Nase: " Dann fährt er eben mit mir! ".

Der Zugbegleiter gab sich damit zufrieden. Er hatte wohl zuvor mit bekommen, dass ich mich mit der Frau wegen des Gerichtstermins unterhielt.

" Aber, denken Sie daran, Beim nächsten Mal müssen Sie bei so was 40 Mark bezahlen! ", erklärte er mir noch beim Weggehen. 

" Ja, ist mir klar! ", gab ich zurück.

Dann entfernten sich die beiden DB - Mitarbeiter wieder.

" Ich wusste gar nicht, dass die Monatskarte ausschließlich für Bremen gilt. ", sagte ich nahezu entschuldigend zu der Mandantin.

" Nein, dass ist nur für die Straßenbahnen, Busse und Züge innerhalb der Stadt . Ich habe ja eine Monatskarte für die anderen Tarifzonen, weil ich öfters fahre. ", erklärte sie mir.

Nach einer Fahrtzeit von knapp 20 Minuten waren wir in Syke am Bahnhof. Bis zum Amtsgericht gingen wir zu Fuß. Der Weg bis dahin dauerte beinahe genauso lange wie die Bahnfahrt. Allerdings ohne Fahrscheinkontrolle und der Beachtung von Tarifzonen.

Den Prozess gegen ihren Ex - Mann gewann die Mandantin. Er musste sämtliches Spielzeug an seinen Sohn heraus geben und hatte die Prozesskosten zu tragen.



SAVOY BROWN  -  Hellbound Train  -  1972:




  


 

  



 


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