Freiheit, die keine war.



Auf die Frage, ob es zwischen in der DDR und der BRD Sozialisierten kulturelle Unterschiede gibt, könnte die Antwort dazu lauten: " Im Prinzip ja. "

Es gibt sie auch weiterhin. Nicht mehr in jenen durchaus krassen Formen des al täglichen Sprachgebrauchs, nicht mehr in den sichtbaren Dingen, wie Wohnkultur, Essgewohnheiten oder beim Autokauf, wohl aber beim Reisen, allerdings auch hier nicht überall.

So kurz nach der Grenzöffnung drängte es den sich selbst befreienden Ostdeutschen, den Noch - DDRler, für einige Jahre in die große, weite, überwiegend unbekannte Welt hinaus. Da wurden Australien, Neuseeland oder Thailand bereist. Aber auch die noch von den BRD - Bürgern beliebten Ziele, wie Spanien, Italien oder Griechenland. Je weiter, desto besser. Darin unterschieden sich die " Neu - Bundesbürger " kaum von den reisewütigen Alten. 

Einige Jahre nach der großen Reiselust, dem Wiedervereinigungsfrust und alledem, besannen sich nicht wenige Ex - DDRler auf jene Urlaubsziele, die sie während ihres Seins im realen Sozialismus und dem großen Staatsgefängnis her kannten: Die östliche Ostsee mitsamt ihren Inseln und den herrlichen, kilometerlangen Stränden. Ob nun auf Usedom, Hiddensee oder dem Darß, ob nun Rügen,  - Poel oder Ummanz und Vilm, ob nun Boltenhgen, Rerik oder Nienhagen,während der Sommermonate und der Ferienzeit waren diese Urlaubsziele zum Bersten voll mit DDR - Bürgern.

Und dort, wo sich die Werktätigen aus dem Arbeiter -  und Bauerstaat erholen durften entstand ab den 1970er Jahren eine Freikörperkultur made in GDR. Es war ein Trend, der sich von Ahrenshoop bis Zinnowitz allmählich seinen Weg bahnte und alsdann zu einer besonderen Form des kollektiven Urlaubspaßes auserkoren wurde. 

In der Nachbearbeitung zur DDR - Historie sind zu der spezifischen Entwicklung jener Freikörperkultur als Bestandteil des Urlaubs - und Freizeitspaßes so einige Reportagen, Geschichten und Erinnerungen im Netz zu lesen, zu hören oder zu sehen.

Die FFK - Bewegung soll demnach als eine Art Widerstand der Bevölkerung gegen staatliche Bevormundung innerhalb der Kernbereiche des Privatlebens verstanden worden sein. Was sonst innerhalb des DDR - Staates und seiner durch die repressiven Organe zum umfassenden, geregeltem Sein gehörte, begann bereits mit er Geburt, setzte sich n der Krippe und Schule sowie dem Studium oder der Berufsausbildung fort und endete im Berufsalltag. Das sehr schmale Fenster des Privaten bot sodann kaum Möglichkeiten der individuellen Entfaltung. Selbst bei reinen Privatveranstaltungen, wie Geburtstagen oder Hochzeiten schnüffelte der all gegenwärtige Staat über die Inoffiziellen und Offiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit ( Stasi ) herum.

 Beim FKK - Badeurlaub an der Ostsee war das - vielleicht - nicht ganz so. Wo und woran sollten IMs erkannt werden können, die eventuell eine Person, einen Personenkreis beobachten, beschatten, bespitzeln? Da gab es nicht gerade viele Möglichkeiten, ein Tonbandgerät, eine versteckte Kamera oder ein Block mit einem Schreibtisch innerhalb des FKK - Strandbereichs in den selbst gebauten Sandburgen, den eigens angefertigten Windschutz oder des aufgebauten Zeltes zu platzieren. Damit verblieb nur das Gedächtnis als Aufzeichnungsmöglichkeit und ein nicht gerade faktensicheres Gedächtnisprotokoll als Beleg, um gegebenenfalls Subversives aufzeichnen zu können.

Die FKK - Refugien an der Ostsee als Trutzburg gegen überall vorhandene, staatliche Einmischung in das eigene Leben?

Nicht ganz so idealtypisch war es denn wohl. Die angebotenen und vorhandenen  Ferienplätze an der Ostsee waren in Relation zu der Gesamtbevölkerung von 16, 43 Millionen Menschen keineswegs ausreichend. Zudem waren dabei Kombinate und staatliche Einrichtungen bevorzugt, die ihre festen Kontingente zugeschrieben bekamen. Wer zudem keine Beziehungen hatte, in dem er vielleicht einen in Ost - Berlin wohnenden Eigentümer eines Ferienhauses / einer Finnhütte kannte, bekam mit viel Glück einen Urlaubsplatz an der Ostsee. 

Das traf genauso auch die nicht gerade wenigen  Anhänger der DDR - Nudisten - Bewegung. Freie, also nicht mit Bedingungen verknüpfte Ferien - oder Urlaubsplätze waren demnach rar. Und so vermietete denn so mancher dort lebender DDR - Bürger die letzten Löcher als Unterkunft. Es waren dann - nicht nur auf die heutigen Möglichkeiten bezogen - nahezu primitive Quartiere, in denen der DDRler ohne Vitamin B und sonst wie privilegiert seine maximal drei Wochen Sommerurlaub an der Ostsee verbringen musste. Die Versorgungslage war dazu als mangelhaft zu bezeichnen. Einkaufsmöglichkeiten gab es kaum / gar nicht, die wenigen Gaststätten waren chronisch überfüllt, die geringe Anzahl von Verkaufsständen tagtäglich überlastet. 

Ein entspannter Urlaub dürfte anders aussehen. So verlief denn das staatlich geregelte Sein im Alltagsgrau der DDR auch an den FKK - Stränden im tristen Trott des real existierenden Sozialismus. Der Mensch ist nicht nur eine lernfähige Einheit, sondern auch leidensfähig. Hierzu zählte im DDR - FKK - Urlaub denn zumeist auch Genügsamkeit. Sicherlich gab es auch dabei Ausnahmen von der Regel.

So erzählte mir meine bessere Hälfte eines Tages am Strand von Prerow, unter welchen einfachen Verhältnissen sie einige Ostsee - Urlaube verbracht habe. Dazu zählte auch einer, den sie mit ihrem  damaligen Mann und den Eltern in den 1970er Jahren in Kühlungsborn verbrachte.     

Die Eltern meiner besseren Hälfte verdienten in jenen Jahren - bezogen auf DDR - Verhältnisse - sehr gut. Es lag daran, dass der schon in die de facto Pleite strudelnde Staat nach einer Enteignungsorgie krampfhaft versuchte, die wenigen Selbständigen ( Kürzel im Klassenbuch S ) bei Laune zu halten, um zumindest eine eher mäßig funktionierende Versorgung mit Dienstleistungen sowie Handwerksarbeiten aufrecht zu erhalten, indem er sie einer linearen Besteuerung von 16 % unterzog. Dieses hatte zur Folge, dass die späteren Schwiegereltern von jener umgesetzten Mark tatsächlich 84 Pfennig einstreichen konnten. Ein nahezu paradiesischer Zustand.

Somit durften die nur halbherzig Besteuerten ordentlich auf den Schlamm hauen. Sie verprassten das geschenkte Geld durch teure Reisen ( Krim, Varna / Goldstrand, Schiffsreisen ), Autos und opulente Geburtstagsfeiern. Das alles war allerdings nur möglich, weil die SED mit ihrer Planwirtschaft sich nicht nur innerhalb der Nationalökonomie vergaloppiert hatte und den zur Aufrechterhaltung der Bedürfnisse erforderlichen Selbständigen dafür quasi Geld schenkte, ihre Tätigkeiten de facto subventionierte. 

So konnten sich die Eltern meiner besseren Hälfte auch während der Ostseeurlaube wesentlich mehr leisten als der, dort außerhalb der Ferienheime oder kombinatseigenen Anlagen urlaubenden Werktätige, es konnte. Sie bransten damit herum. Gingen jeden Abend zum Essen, wo sie sich allerdings mit anderen Besuchern fein säuberlich in die Schlangen vor den Gaststätten mit einreihen mussten, um von mürrischen Kellner barsch abgeferkelt zu werden. Immerhin waren dann dort alle gleich; wenngleich sich das für DDR - Verhältnisse teure Fressen eben nicht jeder leisten konnte. Auch im Urlaub nicht.

Weil auch die Eltern auf der FKK - Welle mit schwammen, wurde meine bessere Hälfte somit auch Freikörper kultiviert. Sie berichtet mir dann und wann noch heute über jene Urlaubszeiten an der Ostsee mitsamt den vielen Entbehrungen für alle Normalos unter den normalen DDR - Bürgern, wie beispielsweise das rechtzeitige Abgeben der Campingutensilien bei der Post, die proppenvollen Sonderzüge oder das nicht selten miese Wetter im Juli und August. Die spartanisch ausgestatteten Unterkünfte zählten genauso dazu, wie eben das sehr überschaubare Angebot an Speisen und Getränken. 

Und so war denn der Drang vieler DDRler nach nicht geregeltem Sein, der sich in Form der FKK - Urlaube zeigte, eher eingeschränkt auf das, was möglich war. Und dieses war eben nicht gerade viel!    

       

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/fkk-nackt-nacktbaden-100.html 

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/fkk-nackt-strand-ostsee-prerow-100.html

https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/fkk-nackt-nacktbaden-100.html

 https://blog.zeit.de/freitext/2018/08/28/fkk-strand-ddr/

Ab Juni geht es wieder an die Ostsee, auf den Darß, nach Prerow, an den FKK - Strand. Warum Fernreisen, wenn es Erholung auch im eigenen Lande gibt und dieser seit mehr als 33 Jahren ohne Grenzkontrollen und sonstigen Restriktionen?

  

OBSCURIA  -  Forbidden Look  -  Discovery Of Obskuria  -  2007:




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?