Ein Albtraum

 


Vorgestern Nacht hatte ich einen Traum. Ich fuhr mit einem Fahrrad irgendwo an irgendeiner Baustelle vorbei, wurde dabei von dem Eisenhaken eines unbeabsichtigt hin und her pendenden Kranauslegers am Kopf getroffen, verlor dabei das Gleichgewicht und schlug auf das Straßenpflaster. Hie blieb ich regungslos liegend und wurde erst wieder wach, als mich die beiden Rettungssanitäter eines herbei gerufenen Einsatzwagens betreuten. Sie wollten mich auf eine dieser Tragen legen wollten. Ich zeterte dabei herum, drohte mit Schadenersatzansprüchen und Klagen sowie Strafanzeigen wegen Körperverletzung.

Ich meckerte und schimpfte auch noch, als mich die beiden RTW - Mitarbeiter in das Einsatzgefährt hinein hievten. Ich drohte immer noch mit rechtlichen Konsequenzen als die Polizei eintraf, um den Unfall aufzunehmen. 

Ich betonte dabei, dass ich als Anwalt arbeiten würde und mich mit Recht eben auskennen würde. Soweit, so richtig, denn der Unfall schien in meinem Albtraum wohl in der Stadt abgespielt zu haben, in der ich einst als Rechtsanwalt zugelassen war - in der Freie Hansestadt Bremen.

Im Nachinein und nach dem Aufwachen aus dem Traum, erzählte ich meiner besseren Hälfte von jenem nächtlichen Schlaferlebnissen. Wir rätselten dabei, wie dieser zustandegekommen sein könnte. Warum und weshalb ich ausgerechnet Jahrzehnte nach meinem Wegzug aus Bremen, an einem völlig anderen Ort zu einer anderen Zeit und in einem anderen Lebensabschnitt, einen solchen Albtraum tte?

Tja, ein Albtraum wird nach der Definition der Amerikansichen Schlafakademie als ein von negativen Emotionen wie Angst und Panik begleitendes Erlebnis definiert:         

https://de.wikipedia.org/wiki/Albtraum#:~:text=Ein%20Albtraum%2C%20auch%20Alptraum%20oder,Panik%20beim%20Träumenden%20begleitet%20wird.

Weil Albträume sich belastend auswirken, schläft der Mensch somit schlecht:

https://billerbeck.shop/blog/albtraeume#:~:text=Am%20häufigsten%20kommen%20Alpträume%20in,durchlebte%20Traumata%20können%20Albträume%20auslösen.

Ja, das traf auch in meinem Fall zu. Nach dem Aufwachen fühlte ich mich wie gerädert. So richtig munter wurde ich erst nach einem Pott Kaffee, der seit unserer Ankunft aus der Kaffeemaschine kommt und geschmacklich eher von durchschnittlicher Qualität sein dürfte. Aber, dieses nur so ganz nebenbei.



Ich erzählte meiner besseren Hälfte von dem nur noch fragmentarisch vorhandenen Erinnerungn an jenen Albtraum und überlegte dabei, wie dieses Traumerlebnis denn zustande gekommen sein könnte? Ja, die Bauarbeiten an der Prerower Seebrücke, deren Fortschritt wir täglich sehen und hören dürfen, zählen wohl mit zu den Ursachen für jenen Traum. Auch unsere hier dann und wann aufgewärmten Reminiszenzen zu den Ereignissen rund um die von uns über 15 Jahre bewohnte Villa in Dresden dürften hier mit hinein spielen. Doch jenes traumatisch Erlebnis lag denn wohl noch weiter zurück.

Wir schreiben die frühen 90er Jahre. Es ist ein Werktag im Frühjahr eines jener frühen 1990er Jahre. Ich begebe mich von der Straßenbahnhaltestelle " Domsheide " in Bremen zum dort gegenüberliegenden Amtsgericht. Hier hatte ich einen Termin in irgendeinem - immer, von der Gebührenseite besehen - unattraktiven Zivilverfahren aufgedrückt bekommen. Als Feld -, Wald - und Wiesenanwalt kämpfte ich hier de facto um das tägliche Überleben. So, wie es Hunderte mit mir auch taten. Sie mussten jenen Mist an Mandaten annehmen und bearbeiten, der aus dem sehr überschaubaren Feld von Mandaten, die zwar kein Geld, dafür eine Unzahl von Rechtsproblemen an den Hacken hatten, hervor quoll. Mit der Vertretungsvollmacht wedelnd liefen wir hinter jeden potenziellen Klienten hinterher, der nicht bis Drei aus dem Blickfeld entschwand.

Der größte Teil der Bremer Anwaltschaft war deshalb verarmt. Und nicht nur der. Wer in der Zwangspostille dem " Deutschen Anwaltsblatt " in Verbindung mit der " Neue Juristische Wochenschrift ( NJW ) " auf den dort veröffentlichten einen oder anderen Hilfeschrei eines darbenden Kollegen aufmerksam wurde, der musste sofort erkennen, dass von den zirka 85.000 zugelassenen - unwerten und ungeehrten - Damen und Herren Kollegen, die sich in der einstigen BRD ( dann Deutschland ) tummelten, mehr als die Hälfte als " Hungerleider " gelten mussten.

Nun, die " Wende " 1989, die " Wiedervereinigung " 1990, sie brachten eine erhebliche Linderung in dem immer latent vorhanden, finanziellen Siechtum. Viele Damen und Herren Kollegen schwirrten sukzessive in Richtung des damals noch nicht so bösen Osten ab. Der Anwaltsmarkt ( West ) entspannte sich zusehens. Für das hier verbleiben Gros gab es jetzt mehr und mehr Mandate, wenn auch nicht jene lukrativen, wie jene der Jetztzeit.

Vor diesem Hintergrund also, aber immer noch als Kraut - und Rüben - Anwalt tätig, schleppte ich mich lustlos zu jenem Termin am Amtsgericht Bremen hin, der mich an jenem frühen Morgen jenes Werktags im Frühjahr eines frühen 1990er Jahres erwartete. 

Doch dieser Tag zeigte sich eine besondere Seite des alltäglich, tristen Anwaltlebens. Er erbrachte die Erkenntnis, dass es auch eine eigenartige Form von Gerechtigkeit geben kann. 

Der Eingangsbereich des Neubautrakts des Bremer Amtsgerichts war seit einigen Wochen mit einer große Plasteplane eingehüllt. Nicht so gigantisch, wie es auf den Tausenden Bildern von den Projekten des längst verstorbenen Verpackungskünstlers Christo zu sehen ist, aber die Fassade des Neubau - Eingangs war eben verhüllt. Nicht aus Scharm, weil dahinter versucht wurde, nicht gerade so selten vorkommend, das beschrieben Recht zu verbiegen, sondern aus Schutz vor eventuell von einem dort hinter der Plane aufgestellten Baugerüst möglicherweise herunter fallenden Putz - oder Steinbröckchen. Außerdem werkelte hinter dem Riesen - Kondom eine Hand voll Maler herum.

Nun, das Amtsgericht Bremen hatte sich teilweise verhüllt, als ich den Eingangsbereich des Neubaus betreten wollte. 

Ich sehe die kurze Szenerie noch heute bildlich vor mir. 

Kurz bevor ich den Eingang, der damals von einem Baugerüst zugestellt war, erreichen konnte, wurde ich von einer auf eilig mimenden männlichen Person von rechts überholt. Ich erkannte ihn als einen Richter. Ein Vertreter der lokalen, rechtsprechenden Gewalt, der einer bestimmten Kleingruppe aus der - nicht nur für mich - überschaubaren Gesamtheit der Richter/innen zuzuorden war, die auf mich einen unangenehmen Eindruck machte ( vulgo: " Kotzbrocken " ). Es waren deren drei, bei denen dieses Merkmal zutraf. Diese drei beruflich schwarz tragenden Musketiere waren einst als " Bartträger - Fraktion " gefürchtet. Gefürchtet deshalb, weil sie vor Narzismus nur so triefende Entscheidung / Urteile ausformulierten. Eben jene teilweise widerliche Art der Selbstgefälligkeit dann auch in den mündlichen Verhandlungen offenbarten, um mindestens einen der hierbei anwesenden Volljuristen ( Anwalt ) hierdurch zu brüskieren.

Tja, jenes aktive Mitglied der " Bartträgerfraktion " aus dem schnell zu erfassenden Kreis der Damen und Herren der lokalen Dritten Gewalt gedachte nun, sich vor mir durch den beengten Eingangsbereich zwängen zu müssen. Das hatte vor ihn, den auf Eilig machenden Richter den großen Vorteil, dass er nicht in die akute Gefahr geriet, mich sehen, geschweige denn, grüßen müsste ( was er eh nie getan hätte, der arrogante Pinsel ). 

Nun der Bart tragende Richter schlüpfte einige Meter vor in das Amtsgerichtseingangskondominium hinein, als es plötzlich - quasi wie von Zauberhand gesteuert - von oben herab rieselte. Ein Handwerker hatte Putz - und Baubröckchen, gemischt mit Kalk - und Zementstaub herab fallen lassen. Und diese Melange traf den Vertreter der rechtssprechenden Gewalt auf sein wohl frisierten Haupt. Mittenmag schlug die staubige Bauschuttwolke ein.


Der Richter flippte aus. Er verlor die Contenance, er wurde zum " Rumpelstilchen ". Der selbstgefällige Urteils - und Entscheidungsträger aus der Dritten Gewalt brüllte herum, als wolle er eines seiner - nicht selten -  von der Folgeinstanz aufgehobene Urteil erneut in das Amtsgericht hinein schreien.

" Unverschämtheit! ", schallte es aus dem Riesenkondom heraus. " So eine Frechheit! ", folgte alsdann. Und zu guter Letzt mokierte er sich mit : " Nicht einmal eine Entschuldigung kommt da! Nicht einmal das! ". 

Ich blieb wie angewurzelt stehen. Ich schaute nach oben in den Ausbau herein. Dort war nichts zu sehen. Kein Arbeiter, kein Mensch war dort erkennabar. Als habe ein Geist den Bauschutt herab rieseln lassen. Der Richter am Amtsgericht Bremen schaute mich verdattert an. Ich muss wohl auch wie ein stehen gebliebener Trecker zu ihm herüber gesehen haben. Was ihn veranlasste, sich, den weißen Staub aus der leger aussehenden Bekleidung schlagend, sofort in das Gerichtsgebäude zu begeben. Ich hatte zunächst den Eindruck, als wolle er mich wegen dieses Geschehens nun doch ansprechen. Er tat es aber nicht. Es hätte mich nämlich negativ überrascht. Ein eidler Repräsentant aus der breiten Zunft der Berufszyniker würde es mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie tun. 

So sollte es denn auch damals sein.

Ich betrat hinter dem , aus höheren Sphären Bedachten das Gerichtsgebäude und trottete in Richtung des mir benannten Sitzungssaals, der irgendeine dreistellige Nummer mit einer Eins davor trug. Ich wartete artig vor der Eingangstür bis die Rechtssache von der Protokollführerin aufgerufen wurde. In dieser Zeit versuchte ich zu realisieren, was da gerade vor einigen Minuten vor meinen Augen abgelaufen war. Es war kein Traum; es war eine Variante eines Albtraums, denn endlich erfuhr auch mir eine gewisse Gerechtigkeit. Eine kleine Satisfaktion für jene erlittenen Demütigungen, die ich nicht nur  durch diesen, von oben herab bestäubten Richter und seinen beiden gleichförmig aussehenden und handelnden Kollegen ertragen musste.

Was für den bestäubten Richter als Albtraum ablief, erkannte ich als einen Wunschtraum. Das Leben hält viele Facetten von Träumen bereit. Es muss nicht immer ein Sammelsurium aus negativen Erlebnissen sein, die als aufgeschlagenes Album in der Nacht einen Menschen heimsuchen.

    

POPUL VUH  -  Ich mache einen Spiegel  /  Dream Part 4  -  Affenstunde  -  1970:



     

           

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