Entreicherung
Vor fast 10 Jahren habe ich diesen Post eingestellt:
https://lobster53.blogspot.com/2015/12/der-entreicherte-witwer.html
Dass es sich bei dem ehemaligen Mandanten um meinen damaligen Schwiegervater handelte, wollte ich dabei nicht offenbaren. Er ist längst verstorben. Er wurde nur 73 Jahre alt; seine Ehefrau verstarb bereits 10 Jahre vor ihm, mit nur 59 Jahren. Nun gut, das ist lange her.
In dem Todesjahr der ehemaligen Schwiegermutter unterhielt ich ein kleines Büro in der Hastedter Heerstraß in Bremen. Die Geschäfte liefen schlecht. Die Zahl der Mandate war nicht nur sehr überschaubar; sie brachten zudem nicht viel ein. Ich lebte deshalb überwiegend von dem durch eine Bank eingeräumten Dispositionskredit, für den ich horrende Sollzinsen von mehr als 15 % zu berappen hatte. Für die zudem regelmäßig in Anspruch genommene " geduldete Überziehung " wurden gar satte 17,5 % Sollzinsen fällig.
Während ich mich über die sehr überschaubaren Gebühreneinnahmen finanziell gerade so über Wasser halten konnte, wuchsen die finanziellen Verpflichtungen ständig. Da kam ein unverhoffter Geldsegen gerade zur richtigen Zeit. Eine Rechtsschutzversicherung überwies eine vierstellige Summe auf das stark im Minus stehende " Commerzbank " - Konto und sorgte - zumindest über einen sehr kurzen Zeitraum - für eine wohl tuende Entlastung. Doch der warme Geldsegen hielt nicht lange an.
Einige Tage nach dem Zufluss auf das strapazierte Girokonto, erhielt ich ein Schreiben der R + V Rechtsschutzversicherung aus Hannover, in der ich auf ein Versehen der Assekuranz hingewiesen wurde. Dort sei es bei der Bearbeitung vorliegender " Schadensfälle " einer bedauerlichen Verwechselung gekommen. Nicht ich, sondern ein Büro eines Bremer Kollegen sei der tatsächliche Empfangsberechtigte des Betrages. Ich möge doch die Summe unter Angabe der im Anschreiben aufgeführten " Schaden Nummer " an die Rechtsschutzversicherung rücküberweisen.
Aha!
Also nichts da mit dem unverhofften Geldzufluss?
Na, denn eben keine ersehnte Erleichterung in der finanziell angespannten Situation!
Ich versah das Schreiben mit einem Eingangsstempel und legte es in die Ablage für den allgemeinen Schriftverkehr. Da hierin keine Zahlungsfrist genannt worden war, musste ich mir dazu keine weiteren Gedanken machen.
Es vergingen vielleicht drei Wochen, dann lag ein weiterer Brief der R+V Versicherungen in der Post. Dieses Mal als eine modifizierte Form einer Zahlungserinnerung. Auch eine Erledigungsfrist war darin enthalten. Ich fügte auch dieses Schreiben dem Ablageordner hinzu. Danach überlegte ich, wie ich die Rückerstattung des Geldbetrages verzögern könnte.
Weitere 10 Tage später flatterte ein dritter Brief der Versicherung in mein Büro. Er war nun leicht unfreundlicher abgefasst und enthielt die Aufforderung, die geschuldete Geldsumme binnen einer Woche auf ein Konto der R + V zu überwiesen.
Jetzt wurde es etwas ungemütlicher. Ich schrieb der Assekuranz, dass ich in der Annahme, der Gebührenbetrag sei aufgrund meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in einem ähnlichen Rechtsfall gezahlt worden, bereits für die Tilgung laufender Verbindlichkeiten sowie die Anschaffung von Materialien zur Aufrechterhaltung des laufenden Bürobetriebs verwendet hätte. Ich sei deshalb zwar " ungerechtfertigt bereichert "gewesen , jedoch somit nach § 818 Absatz 3 des BGB nunmehr als " entreichert " anzusehen.
Die R + V in Hannover ließ jedoch nicht locker. Ich möge doch bitte nachweisen, für was ich die mir angeblich nicht zustehende Kohle verbraten hätte. Hierfür setzten die Mitarbeiter des Versicherers wiederum eine Erledigungsfrist. Es wurde also ungemütlich. Nach und nach klaubte ich aus den Rechnungen, die nach dem Eingang des - tatsächlich unberechtigter Weise - gezahlten Betrages erhaltenen Rechnungen sowie der getätigten Ausgaben, jene heraus, von denen ich wusste, dass sie Ausgaben zum Bestreiten des Bürobetriebs waren. Darunter auch die Büromiete, die Telefonkosten, Krankenversicherungsbeiträge oder jene, über gekauftes Kopierpapier, Toner, Heftklammern etc.
Diese machten ein erkleckliches Sümmchen von mehr als 2.500 DM aus. Allerdings zu wenig, als dass sie den zu Unrecht erhaltenen Gebühren Betrag überstiegen hätten. Deshalb legte ich noch die Fotokopie eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides des Finanzamtes Bremen - Ost hinzu. Dieses in der Hoffnung der Schadensachbearbeiter bei der R + V würde auch diesen Betrag durchwinken.
Ich sandte der R + V in Hannover das Konvolut zusammen mit einem Anschreiben, in dem ich auf die ergangene Rechtsprechung sowie die Kommentierung verwies, zu.
Einige Wochen später erhielt ich ein Antwortschreiben der Rechtsschutzversicherung. Meine eingereichten Unterlagen seien dort von einer anderen Abteilung inzwischen geprüft worden. Ja, ich sei durch den Irrtum aus dem Hause zu Unrecht als Empfänger des Geldbetrages ausgemacht worden und damit " ungerechtfertigt bereichert " worden, aber dadurch das ich die Summe in nachgewiesener Weise verbraucht habe, läge ein Fall der " Entreicherung " vor. Allerdings nur in Höhe der Summe, die die Ausgaben für den laufenden Kanzleibetrieb ausmachen würden; die gezahlte Umsatzsteuervorauszahlung gehöre indes nicht dazu und würde nicht anerkannt. Ich möge diesen Betrag erstatten.
Mir fielen Dutzende Mühlsteine vom Herzen. Den Betrag von knapp über eintausend Mark konnte ich gerade noch so aufbringen. Bei der 3 1/2 fachen Summe wäre das unmöglich geworden. Das weitere Konto bei der " Postbank " wies einen derart hohes Guthaben nicht aus; das " Commerzbank " - Konto war eh hoffnungslos überzogen, womit eine händig auszustellende Überweisung von dort erst gar nicht ausgeführt worden wäre.
Entreichert war ich bereits schon deshalb!
DRAGONWYCK - Fire Climbs - 1970:
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