Gera und der Stadtwerke - Gau.
Ein eingebläuter Grundsatz aus meiner Erziehung der 1950er und 1960er Jahren lautete:
" Du kannst im Leben nicht mehr ausgeben, als du einnimmst! "
Und auch die solide kaufmännische Ausbildung besagte damals, dass ein Kaufmann seine Ausgaben ständig im Blick zu haben hat.
Ein solcher Blick in die vielen - meist sinnlosen - virtuellen Ratgeber des all wissenden Netzes schlägt in die gleiche Kerbe. Bei " funnymoney.de " heißt es deshalb auch im Jahr 2014 immer noch:
" Gebe nur so viel Geld aus, wie du auch wirklich einnehmen wirst. " ( oder so ähnlich ).
http://my-funnymoney.de/wp/wissen/unsere-10-tipps-fuer-dich/
Davon sind indes der Staat, die Kommunen und auch viele andere öffentliche Einrichtungen Lichtjahre entfernt. Hier wird ständig Geld ausgegeben, ohne auch nur ansatzweise über die Finanzierung, also die Herkunft der Beträge, nachzudenken.
Ein jüngsten Beispiel dazu stellen die Stadtwerke in Gera dar.
Gera, eine thüringische Stadt mit knapp 95.000 Einwohnern liegt im Osten des Freistaates.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gera
Seit einiger Zeit stehen dort die Stadtwerke im Visier der kritischen Vierten Gewalt, nämlich der Medien. Dort wurde heftig spekuliert. Mit dem Ergebnis, dass die Gera´schen Stadtwerke kurz vor der Insolvenz stünden. Da muss sich natürlich ein Rezipient solcher Nachrichten fragen, wie so etwas möglich ist?
Wie kann es dazu kommen, das die einstige Bezirkshauptstadt ihren kommunalen Eigenbetrieb so herunter gewirtschaftet haben kann?
Als sich die regionalen Medien - aber nicht nur die - des Themas annahmen, war das Gera´sche Ziehkind bereits in den berühmt - berüchtigten Brunnen gefallen und würde dort im eigens hergestellten Wasser jämmerlich ersaufen, wenn nicht ein Retter aus der Not mit dem Namen Landesbürgschaft für einen Millionenkredit erscheint.
Aber, schön der Reihe nach:
Als vor etwa 25 Jahren die Grenzen geöffnet werden mussten, die Wendeeuphorie auch die Geraer erfasste und viele Bewohner der Noch - Bezirkshauptstadt von dem Konsum - Glimmer des Westens in ihren Bann gezogenen wurden, schrumpfte die Stadt kontinuierlich.
Gleichwohl wurden - wie in anderen Städten und Kommunen des Beitrittsgebiets auch - überdimensionierte Versorgungseinrichtungen aus dem nicht mehr sozialisierten Acker, dem Grund und Boden, gestampft. So mancher Wessi, der super schlau - aus Bayern und Baden Württemberg sowie vornehmlich auch aus dem benachbarten Hessen - daher kam, schwatzte den Müttern und Vätern der neuen Kommunen viel Mist auf, der später noch mehr Geld für die Unterhaltung kostete.
Ob nun Spassbäder, Rathäuser oder Klärwerke, alles musste einige Nummern größer gebaut werden.
Diese Nachwende - Sünden rächen sich nun. Die Einwohnerzahl sinkt in vielen ostdeutschen Städten und Gemeinden - mit Ausnahme der dortigen Großstädte - weiter. Für Gera wird von 2009 an bis 2030 ein weiterer Rückgang um etwa 15 % prognostiziert
( http://de.wikipedia.org/wiki/Gera#Bev.C3.B6lkerungsentwicklung
http://de.wikipedia.org/wiki/Einwohnerentwicklung_von_Gera ).
Wenn aber die Infrastruktur auf anderen Entwicklungsprognosen basiert, kann dieses zu Fehlentwicklungen führen. Dieses ist bei den politisch Verantwortlichen - die in der Regel nur von einer Legislaturperiode bis zur nächsten denken und handelnd - offensichtlich unberücksichtigt geblieben. So häufte sich bei der Stadtwerke - Holding innerhalb von zwei Dekaden ein Schuldenberg von 224 Millionen Euro an.
Gigantisch, wenn der Außenstehende die Größe der Stadt in Relation dazu stellt. Damit würde jeder Geraer mit etwa 2.500 € zusätzlich zu der unisono hohen Verschuldung durch den Freistaat Thüringen belastet sein. Dass dieses jedoch nicht so ist, dafür sorgt das Konstrukt " Stadtwerke - Holding ", zu dem auch die Geraer Verkehrsbetriebe ( GVB ) zählen. Diese werden als GmbH geführt und haften gegenüber den Gläubigern nur in Höhe der nominellen Einlage.
Wenn also die Stadtwerke Holding in Gera inzwischen einen Insolvenzantrag stellen musste und im Gefolge dessen auch die Verkehrsbetriebe, dann sind diese beiden eng miteinander verwoben. Zwar soll die Gesellschaftsform der Holding verhindern, dass auf erzielte Gewinne Steuern entrichtet werden müssen, da Verluste einzelner Holdingfirmen gegeneinander aufgerechnet werden dürfen, doch wenn keine Gewinne erzielt werden, sondern lediglich Verluste auflaufen, ist ein solches Konstrukt blanker Unsinn. Wo also liegt der tiefere Sinn eines solchen Konstruktion? Nun, wer die ersten Semester BWL, VWL oder Ökonomie mal Revue passieren lässt, kommt sofort darauf: Eine Holding verursacht nämlich per se einen wesentlich höheren administrativen Aufwand.
Und hier liegt der thüringische Hase im Gera´schen Pfeffer.Die Stadtwerke Holding ist einzig und allein zur Postenschacherei der Parteien ( vornehmlich CDU ) gegründet worden.
" Viele Köche verderben den Brei ", heißt es im Volksmund. Viele Ahnungslose und Parteikarrieristen, also Dummköpfe, verhindern vernünftiges Wirtschaften.
Und so ist die einstige Perle Ostthüringens eben so pleite, wie eine Stadt, eine Kommune, sogar ein ganzes Land, eben pleite sein kann, wie es in einem " taz " - Artikel ( http://www.taz.de/!142479 ) süffisant beschrieben wird. Wer jedoch pleite ist, der bekommt in der Regel keinen Kredit mehr. Die Funktionsdeterminanten der kapitalistischen Wirtschaftsordnung sehen das so vor. Kohle gibt es nur, wenn dahinter eine gewisse Bonität steht. Die hat die Stadt Gera jedoch durch den riesigen Schuldenberg längst verloren.
Theoretisch - nach Lesart der Finanzwirtschaft.
Praktisch indes, holte sich Gera Geld über das Ausland. Via Teilprivatisierung gelang es den französischen Energiekonzern " GDF Suez " als Investor zu gewinnen. Freilich nicht ohne einen entscheidenden Nachteil, der in Form einer Vetragsklausel vorsieht, dass die möglichen Gewinne mit dem 49,9 %igen Anteilseigner " GDF Suez " paritätisch aufgeteilt; die Verlust allerdings der Stadt zugeschoben werden. Na, prima, so kann auch kommunale Wirtschaftspolitik funktionieren.
Die Verantwortlichen von damals schieben sich heute wechselseitig die Schuld in die Schuhe. Immer nach dem Spielmotto " Schlapp hat den Hut verloren ", gibt die CDU den Sozialdemokraten in Gestalt des Ex - OB Vornehm die Rolle des Pleitiers, der wiederum die Nachfolgerin in der Verantwortung sieht und diese die Gründe für die Misere bereits 15 Jahre zurück liegend erkennt, als die CDU und der parteilose Ex - OB Rauch, der auch damals die Funktion des Vorstandsvorsitzenden mit bekleidete, das Sagen hatten.
Die Wahrheit dürfte irgendwo in dem Zusammenspiel von Visionären, Postenschiebern und Ignoranten liegen, die von Ökonomie keine Ahnung haben. Nur so ist das jahrelange Umschichten von Gewinnen und Verlusten innerhalb der stadteigenen Betriebe zu erklären. Nun sollen andere, angebliche Fachleute der Beratungsfabrik " Ernst, Young und Partner " sowie der eingesetzte Insolvenzverwalter Michael Jaffe´es richten.
Beide kosten viel Geld. Die Hansel aus dem Hause " Ernst, Young " pp. etwa 1,3 Millionen €, um - wie die " taz " sehr zutreffend formulierte - Placebos in Gestalt von texbausteinartigen Berichten vorzulegen; der Insolvenzverwalter, für seine Bemühungen, irgendwie, irgendwo her doch noch Geld zu besorgen, damit die städtischen Betriebe - dann wohl in erheblich abgespeckter Form - weiter existieren.
Gera - kein Einzelfall?
Nein, denn es trifft hunderte von Kommunen und Städte in ähnlicher Weise. Die kommunale Selbstverwaltung funktioniert hier nicht mehr, nur keiner wagt es offen auszusprechen, obwohl er es längst bemerkt hat.
Die drohende Insolvenz scheint indes doch noch abgewendet worden sein. So lautet jedenfalls ein Bericht der " Ostthüringischen Zeitung " ( OTZ ) vom 23. September 2014. Der Stadtrat konnte sich in einer Sondersitzung vom Montag, den 22. September 2014, auf einen Sanierungsplan einigen, nachdem eine Sitzung eine Woche zuvor ergebnislos blieb und die Verantwortlichen der betroffenen Stadtwerke sowie der GVB dort nicht erschienen waren ( Feiglinge! ).
Vorläufig!
Das Fahrangebot der GVB wird drastisch eingeschränkt ( Bezeichnung hierfür " Rasur " ). Immerhin gab es die Einigung zur Weiterführung der städtischen Betriebe, auch wenn es zurzeit aus formal - rechtlichen Gründen keine Finanzspritze vom Freistaat über eine Bürgschaft durch das Landesamt gibt, weil Gera die laufenden Kredite selbst nicht mehr bedienen kann. Immerhin war es seit dem Insolvenzantrag möglich, die Personalkosten für die rund 300 Mitarbeiter mittels des Insolvenzgeldes auf die Solidargemeinschaft umzulegen. So lässt sich auch sparen, wenn auch nicht im eigenen Stadthaushalt.
Sparen, also Reduktion der errechneten Kosten, bedeutet jedoch, dass an den Ursachen Veränderungen vorgenommen werden. Das ist hier immer noch nicht erkennbar.
Dazu: " Die Travellers " und " Der Pleitegeier " ( hach, schööööööööön! )
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