Junimorgen
Da lief gestern Abend ab 20.15 Uhr im ZDF ein so genanntes Melodrama mit dem Titel " ? "
und Heino Ferch in der Hauptrolle eines Vaters, der sich aus der Verantwortung für seinen minderjährigen Sohn auch mit dazusein,einfach davon stiehlt. Das passiert einige Hunderttausend Mal im Jahr. Meist aufgehetzt von der Mutter, der Ex - Ehefrau, der Verflossenen oder Ex - Geliebten, werden diese Kinder vom anderen Elternteil separiert. Es gibt ihn dann nicht, den Vater. Nun, Ferch wird zudem auch noch Krebs krank und hat nur noch eine kurze Zeit zu leben, wenn er keinen Knochenmarkspender findet. Das ZDF wäre nicht der realitätsfernste Sender in diesem, unserem Lande, würde es jene rührselige Familiengeschichte auf einem so hohen Niveau aborgeln, dass die Story schon wieder unglaubwürdig wird.
Tatsächlich sieht das wahre gesellschaftliche Leben hier vor, dass sich die Eltern um Unterhalt, Umgangsrecht und vor vielen Jahren noch um die elterliche Sorge wie die Kesselflicker streiten.
Ein Vater, der - obwohl schwer krank - dieses als Geheimnis in sich tragen darf, ohne das er nicht mit Unterhaltsforderungen bis zur Existenzgrenze abgemolken wird, den gibt es in unserem Lande eher selten. Allenfalls Porsche fahrende Lügner und Betrüger, die sich vor dem Begriff " Zahlemann und Söhne " drücken möchten, schaffen es, ab und an eine Ausnahme zu bilden.
Mir war das zu realitätsfern, so dass ich flugs das Weite suchte und mir lieber auf dem Zweit - TV die Übertragung des Monatgsspiels in der Zweiten zwischen Nürnberg und Düsseldorf bei dem Hofberichterstattungssender des FCB, bei " Sport 1 " ansah. Aber nur bis zur Halbzeit, dann kommt die unerträgliche Werbepause. So kam ich denn noch so gerade in den Genuss, jene entscheidenden Szenen sehen zu können, in denen Papa Heino Ferch wieder zu seinem Sohn findet und umgekehrt. Papa Heino bewohnt ein Hausboot und verwirklicht sich dort mit künstlerischen Aktivitäten selbst. Die übrigen rund 999.999 würden eher in die Pinten gehen, schwarz arbeiten müssen, damit die Kohle reicht, oder auf der veräucherten Wohnzimmercoach Aldi - Bier saufend in die Glotze starren.
Also, Papa Heino malte in dem ZDF - Schinken. Und während er so vor sich hin malte, sich dadurch, als Tod kranker Mann in seiner ihm noch verbleibenden Zeit, selbst verwirklicht und für die Nachwelt Gemälde zurück lassen möchte, wenn er gen Walhalla entschwebt, dröhnt plötzlich aus den - wohl sehr teuren - Lautsprecherboxen in seinem " Atelier " ein Sequenz eines Rocktitels, den ich nach wenigen Sekunden erkannte: " July Morning " von " Uriah Heep ". Ein die Atelier - Luft zerfetzende Gitarre von Mick Box, gekoppelt mit einem " Wah Wah " - Effekt. Hui, das Rentnerfernsehen geht doch tatsächlich auf musikalische Ahnensuche in einem solchen Film?
Nö, denn nach vielleicht einer Minute ist der Sound vorbei. Die hoch gestochene Handlung des Films darf fort gesetzt werden.
Nix da, mit " July Morning "!
Ich verdrücke mich nach unten an meinen PC. Und stöbere nach " You tube " - Viedeos zum " Julimorgen " von " Heep ". Jede Menge gibt es da. Gute, miese, nicht so miese.
Als vor 43 Jahren das Studio Album " Look at Yourself " von " Uriah Heep " auf dem Markt kam, lag es irgendwann im September auch auf meinem Plattenteller. Ein Bekannter hatte sich die LP gekauft. Ich nahm die Scheibe zur Kenntnis.mehr nicht, denn ich besaß mit " Salisbury " und den dortigen " Knaller " - Stücken " Lady in Black ", " Bird of Prey " oder " Salisbury " bereits ein überragendes Album, an dem sich " Heep " messen lassen mussten.
Doch ein Stück gefiel mir sehr gut, nämlich " July Morning ". Der dritte Titel der A - Seite. Ein tolles Stück mit einer von Manfred Mann eingespielten Orgelpassage. Die " Folien " - Platte lag dann noch eine Zeit lang bei mir im " Beat " - Keller herum, ehe sie von meinem Bekannten wieder mit genommen wurde. " Look at Yourself " geriet langsam in Vergessenheit. Ich legte mir andere LPs zu - schließlich besaß ich ja " Salisbury ". ( http://de.wikipedia.org/wiki/Look_at_Yourself )
Im April 1973 veröffentlichte " Uraih Heep " das damals obligatorische Doppel - Live - Album.
Und hierauf befindet sich ein Version von eben " July Morning ".
Die Gruppe um Ken Hensley und David Byron hatte längst einige Umbesetzungen vorgenommen. Dennoch ein klasse Live - Album, was " Heep " heraus warfen.
Und so spielte ich viele Stücke hieraus, bis zum Abwinken - insbesondere " July Morning ".
Mein damaliger Freund Peter V. aus Bückeburg teilte meinen Musikgeschmack und nahm die meisten LPs von mir auf seiner " Revox " - Bandmaschine auf. So natürlich auch das " Uriah Heep " - Live - Album. Peter musste nur noch wenige Wochen beim Barras in Munster - Lager abreißen, dann war er Reservist ohne die Gefahr, jemals wieder zur Übung eingezogen zu werden, denn er hatte ja einen " KdV " - Antrag, wenn auch erfolglos, gestellt.
Anfang Juni erschien er bei mir auf der Stube der Kaserne und am 9. Juni Lust hätte seine Schwester, die Lehramt an der PH in Braunschweig studierte dort zu besuchen und auf die Semesterfete der Hochschule zu gehen. Immerhin, eine gewisse Abwechselung. Braunschweig war mir nur von der Geschichte und vom Fußball her ein Begriff. Eintracht Braunschweig, der Verein mit dem " Jägermeister " - Logo auf dem Trikot, um dass es riesigen Wirbel gegeben hatte. Dann der Bundesligaskandal 2 Jahre vorher. Aber die Stadt hatte ich nie zuvor kennen gelernt.
So fuhren wir denn am frühen Abend mit meinem bordeaux - roten Renault R 4 von Bad Eilsen auf die Autobahn 2 in Richtung Hannover.Nach mehr als 100 Kilometern verließen wir die Autobahn und fuhren weiter in Richtung Innenstadt. Dort hatte Peters Schwester eine winzige Wohnung gemietet. Die PH war damals noch eigenständig, ehe sie 1978 zur TU Braunschweig kam und dort eingegliedert wurde als Pädagogisches Institut.
Die Wohnung befand sich in einem dieser typischen Altbauten der Innenstadt. Klein, enges Treppenhaus, wenig Komfort, aber dafür sehr gemütlich.
Die Schwester lud uns dann zu einem Stadtbummel ein. In irgendeiner Pizzeria aßen wir eine Kleinigkeit, ehe wir uns zur PH aufmachten. Die Semesterfeier war schon in vollem Gange. Tausende von jungen Leuten liefen kreuz und quer durch die dortige Mensa und andere Räume und Flure. Es gab Live - Musik.
Es war bereits weit nach Mitternacht, als wir uns auf den Rückweg zur Wohnung, wo mein R4 stand, machten. Aus einer Straße hallte plötzlich ohrenbetäubendes Gegröle von Eintracht - Fans herüber. Sie sangen immer nur " Und wir steigen wieder auf, halleluja!" Eintracht Braunschweig war an jenem 9. Juni endgültig aus der Bundesliga als Tabellensiebzehnter abgestiegen. Sie hatten gegen Fortuna Düsseldorf das letzte Heimspiel mit 1:2 verloren, während der die ebenfalls stark gefährdeten Hannoveraner auswärts in Wuppertal mit 4:0 die Oberhand behielten.
Hannover 96 hatte sich gerettet, der Erzrivale aus der Nachbarstadt, der verhasste Klub aus der Landeshauptstadt.
http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/spieltag/1-bundesliga/1972-73/34/17708/spielschema_eintracht-braunschweig-41_fortuna-duesseldorf-13.html
Die betrunkenen Eintracht - Fans kamen näher. Bedrohlich aber wäre es nur für uns gewesen, wenn wir ein Kfz - Kennzeichen mit " H " anstatt " STH " gehabt hätten. " STH ", dieses Kennzeichen war ihnen völlig unbekannt. So zogen sie singend und mit schwankenden Gang weiter " Und wir steigen wieder auf, halleluja!"
Und, sie sollten nicht nur 1974 wieder aufsteigen, sondern die erfolgreichsten Spielzeiten mit dem jugoslawischen Trainer Branko Zebec erleben.
Wir fuhren indes Richtung Schaumburg. Dort spielte nie ein Bundesligaverein. Deshalb hielt die Masse zu Hannover 96. Irgendwann gegen 3 Uhr morgens schlief ich völlig geschafft ein. Peter fuhr ohnehin den Wagen. Ich bemerkte erst, als er hinter Hannover an einer Raststätte zum Tanken anhielt. Die ungenaue Tankanzeige war bedrohlich an dem letzten Reservestrich angelangt und bewegte sich bereits nicht mehr, wenn der R 4 irgendwo über eine Bodenwelle hoppelte.
Peter tankte für 10 DM und bekam dafür mehr als 15 Liter Normalbenzin. Die Nadel war wieder im mittleren Anzeigebereich und ich dafür hell wach.
Es dämmerte bereits. Der Morgen des 10. Juni brach an. Etwas grau zunächst, dann wurde es jedoch sehr schnell hell. Auf der A2 befand sich kaum ein Fahrzeug. Vollkommen ausgestorben zeigte sich die Strecke in Richtung Dortmund.
Keine, nicht enden wollenden Lichterketten der LKW, wie heute an den Werktagen. Keine Nachtfahrer, die mit 140 in der 100er - Zone vorbei jagen. Ruhig, eben, mucksmäuschenstill.
So fuhren wir die Abfahrt Bad Eilsen ( heute Bad Eilsen - West ) ab und beendeten den Braunschweig - Besuch über die B 83 in Bad Eilsen. Dort standen wir vor dem Haus meiner Eltern noch etwa eine halbe Stunde, unterhielten und rauchend und lauschten bei offenem Wagenfenster den unzähligen Vögeln bei ihrem Morgenkonzert im Harrl, aus den Grünanlagen der davor stehenden Häuser und von den unmittelbaren Dächern der Feldstraße.
Während wir im R4 saßen summte ich " JuliyMorning " dazu, wenn auch die Melodie nicht dem Original entsprach.
Junimorgen = " July Morning " = eine schöne Erinnerung mit und an einen klasse Song.
http://de.wikipedia.org/wiki/July_Morning
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