Katzen - Verstecke



Vor einigen Tagen war der jüngste Kater des Trios verschwunden. Zunächst fiel mir seine Abwesenheit gar nicht auf. Es lag zum einen an den angeglotzten Fußballaugen, dann auch an den ständigen Geburtsgasvorbereitungen und schließlich auch daran, dass ich aus den vielen Jahrzehnten, in denen ich Katzenbediensteter war, eine gewisse Abgestumpfheit anlegen musste, wenn es um ein derartiges Ereignis ging.

Katzen als Freigänger sind auch freiheitsliebend. Sie lassen sich nicht in ein bestimmtes, vom Halter auch noch vorgegebenes Verhalten zwängen. Katzen haben nämlich einen eigenen Kopf. Sie sind zwar gegenüber ihrem Besitzer sehr treu, mögen aber auch die freie Natur.

Vor einigen Wochen sahen wir eine Dokumentation über ein Tierforscherpaar, das sich in einer Studie dem Verhalten von Katzen widmete. Dabei konnten die Forscher Erstaunliches feststellen und berichten. Die von ihnen ausgewählten Katzen, denen sie einen Miniatur - Sender an den Körper geheftet hatten, wiesen größtenteils ein permanent besuchtes Revier von mehreren Quadratkilometern auf. Wobei sie anderen, sich in ihre Nähe befindlichen Artgenossen, bei ihren Freigängen exakt aus dem Weg gingen.

Und deshalb machte ich mir eben zunächst keine Gedanken über das Verbeiben unseres " Tims ". Schlussendlich ist er eben Freigänger und kein,  in den eigenen Vier Wänden gehaltener Kater, für den dann die Industrie auch noch so´n Quark, wie Plaste - Netze, Kratzbäume oder Katzenkörbe als Schlafstellen für viel Zaster bereithält. Unser Quartett braucht dieses alles nicht.

Tja, als ich vor mehr als 35 Jahren meinen ersten Kater " Cara " aus Wilhelmshaven in meine Studentenbude im Mensa - Wohnheim in Bremen schleppte, war dann irgendwann klar, dass " Cara ", nachdem ich ihn kastrieren ließ, doch mehr oder weniger seinen Freigang brauchte. Einige Monate später ließ ich den schwarzen Kater bei meinen Eltern in Heeßen. Er hatte dort genügend freie Natur, um seinen biologisch vorgegeben Verhalten nachzugehen.

Irgendwann während meiner Semesterferien erzählte mir meine inzwischen verstorbene Mutter, dass " Cara " plötzlich verschwunden war. Er ward von einem auf dem anderen Tag nicht mehr gesehen. Er kam nicht mehr zum Fressen, begehrte auch keinen - strengstens verbotenen - Einlass im Heiligtum Wintergarten und befand sich auf nicht - versehentlich - eingesperrt im Keller. " Cara " war einfach weg, verschwunden, nicht mehr gesehen.

Muddern, die ja gegenüber Tieren, gleich welcher Art, eher ein distanziertes, aber dennoch sorgendes Herz hatte, machte sich um " Cara " ernsthafte Gedanken. Sie rief ihn, aber der Kater antwortete nicht. Sie befragte die Nachbarn, doch die hatten die Katze auch nicht gesehen. Sie suchten im ganzen Haus nach dem Stubentiger, doch er fand sich nirgends wo.
Auch mein Vater hatte ihn seit längerer Zeit nicht mehr gesehen.

" Cara " war eben weg, verschwunden, verschollen in Zeit und Raum.

Nun, da Muddern ein Kaffee - Trinker war, hatte sie sich für eine inzwischen defekte Maschine, ein neues Gerät angeschafft. Es stand unterhalb der Einbauküchenoberschränke in einer, eher dunklen Ecke. Das nicht gerade billige Gerät im so genannten, damaligen " Porsche - Design " produzierte bei der Inbetriebnahme eher seltsame Geräusche. Für eine Katze, einen Kater, einen perfekten Jäger, ein vielleicht außergewöhnlicher Gegenstand, mit unbekannten Immissionen.

" Cara ", jedenfalls sprang aus dem Stand auf die Küchenplatte, setzte sich hinter die " Porsche " - Kaffeemaschine und lauschte. Katzen sind auch sehr neugierig, was ihr gewohntes und sehr genau registrierte Umfeld betrifft. Und so wartete " Cara ", der ja eigentlich auch nicht in die Küche durfte, auf die gluckernden, glucksenden, gurgelnden Geräusche des Kaffeeautomaten. 
Doch die kamen nicht. Aber " Cara " wartete und wartete, bis dann Muddern einen Tag später, zum Vesper eben, die Kaffeemaschine anstellte.

Als sie dann die gefüllte Kanne, im edlen, Edelstahl gebürsteten Design von " Porsche ", von der Warmhalteplatte entfernen wollte, glotzten sie zwei Katzenaugen an.

" Cara " war wieder da. Er war eigentlich nie weg. Und, weil er nie weg war, wunderten sich meine Eltern, dass sie ihn im gesamten Haus gesucht hatten, ohne ihn auffinden zu können.

Katzen haben ein Eigenleben!

Viele Jahre danach, " Cara " war längst im " Katzenhimmel " , schwatzte mir meine Tochter ein Katzenbaby auf. Es war ein Kater. Wir nannten ihn " Willy ". Er wurde Waise, weil ein scheiß Rauhaardackel die Mutter im Pferdestall tot gebissen hatte. Ich wollte keine " Viecher " mehr. Doch meine Tochter, in ihrer sehr charmanten und eben noch kindlichen Art, verstand es, mir " Willy " auf´s Auge zu drücken, denn " Willy " wäre sonst verreckt, so ohne Katzenmama. Ich bin ja, was Katzen betrifft, eher sehr weichherzig.Und deshalb gewährte ich " Willy " in dem damaligen Einfamilienhaus Asyl. Ich versorgte " Willy " fortan neben meiner Dogge " Floyd ", " Willy " und " Floyd " wurden in der Folgezeit dicke Freunde. " Willy " frass aus dem Riesentopf der Deutschen Dogge, wenn diese von der Mahlzeit, die ich in schöner Regelmäßigkeit selbst zubereitete, noch Reste übrig ließ.

" Willy " war Freigänger. Und, bevor " Willy " von einem Landtierarzt kastriert wurde, durfte er sich in dem kleinen Garten austoben. " Willy " war zwar ein exzellenter Kletterer, doch den mehr als 2 Meter hohen Gartenzaun überwand er nie.

Eines Sommertages war " Willy " nicht mehr aufzufinden. Er blieb verschwunden. Verschollen in Zeit und Raum. Wir starteten die Suche nach " Willy ". In dem Pappschachtel mit zuvor sanierten Flachdach war " Willy " in keinem der acht Räumen zu finden. Und auch im Schuppen nicht. Im Garten auch nicht. " Willy " war weg, verschwunden, verlustig gegangen. Doch der Kater war eigentlich zu klein, um über die Holzzaun zu klettern; aber, er war bereits zu groß, um durch den Holzzaum hindurch zu schlüpfen. Dennoch: " Willy " war nicht auffindbar.
Meine Tochter heulte Rotz und Wasser, denn sie liebte ihren " Willy ".

So begann ich erneut mit der Suche nach dem vermeintlich verscholleen " Willy ", den rot - weiß getigerten Kater. Als ich die Restmülltonne nach vorne zog, entdeckte ich die Katze. Sie hatte sich zwischen dem Zaun und dem Müllgefäß gesetzt und hockte dort seit einigen Stunden.
" Willy " war nie weg, er wollte einfach nur seine Ruhe haben, vor uns, unserem Gewusel, der allgemeinen Hektik, die mit unserer Anwesenheit verbunden war.

So sind sie halt, die Katzen. Nicht und nie in eine Schublade zu pressen. Ihr eigenwilliges Verhalten ist manchmal ein Rätsel, weil es dann auch nicht rational ist.

Mit diesem Fundus an Wissen, an Erfahrung, an Kenntnissen über die gemeine Hauskatze, wartete ich ab und wusste dennoch, dass sich unser " Tim " wieder zeigen würde. Denn " Tim " ist " Willy " und " Willy " war " Cara " und alle drei sind oder waren eben Hauskatzen.

Am folgenden Tag erzählte ich meiner besseren Hälfte dann beiläufig, das " Tim ", auch " Timmy " abtrünnig geworden sein könnte. Er kam nicht zu seinen geforderten Tagesmahlzeiten, er lag nich an meinen 46er Schweißquanten und er mauzte nicht, wenn er eine Streicheleinheit einforderte. " Tim " war ruhig geworden. So still, wie der sonst rauschend und manchmal hupende Berufsverkehr auf der Raserstrecke Wiesbadener Straße in unserer schönen Landeshauptstadt, ab 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr am nächsten Morgen oder als die drei " ..schland " - WM - Spiele aus Russland übertragen wurden. Es herrschte nahezu Totenstille. Seit zwei Tagen war es seelenruhig. So leise, so entspannt, wie es in den nächsten Tagen und Wochen sein wird, wenn der Mob in den Sommerurlaub fährt, fliegt, schippert oder meinetwegen auf radelt.

Ich machte mir am dritten Tag ernsthafte Gedanken, wo der Youngster abgeblieben sein konnte, als ich das Badezimmerfenster wieder schloss, weil es eigentlich nicht sommerlich kühl geworden war. Und just, als ich den Metallstuhl im Treppenhaus einige Zentimeter nach vorne zog, weil ich diesen beim letzten Staubsaugen verrückt hatte, vernahm ich ein schabendes Geräusch, ein mir längst bekanntes und identifizierbares, hörbares, leichtes Kratzen im Wandschrank.

Es musste eine Katze sein, die dort im dunklen Wandschrank auf sich aufmerksam machen wollte. Eingesperrt, abgeschnitten vom Tageslicht und der Futterquelle, musste sie, unser " Tim " also, das Dasein gefristete haben. Ich drehte den handgefertigten Schrankschlüssel nach rechts um und zog die schweren Schranktür auf. Zum Vorschein kam " Timmy ". Er mauzte mich an, als wollte er mir vorwurfsvoll sagen: " Na, endlich! "
Dann streckte er sich, so, wie es Katzen immer zu tun pflegen, wenn sie längere Zeit geruht haben. Noch ehe ich mich versah, schoss er an meinen Füßen vorbe in Richtung Treppenhaus und von dort in die Küche zum Futternapf. Nur wenig später verschwand er im Garten. Katzen sind eben sehr sauber.

Ich rief meine bessere Hälfte an. Sie war bereits im Zug Richtung Chemnitz unterwegs. Ich berichtete ihr, dass sich " Timmy " wieder eingefunden hätte, dass er im Wandschrank eingesperrt war und dass ihr sich dort mehr als 2 Tage nicht gerührt habe.

Das sind eben Katzen. Sie suchen sich so manches Versteck, um sich von dem Elend auf dieser Welt abzuwenden. Wir können dieses nicht. Weil wir Menschen sind, die zumeist nicht " mal eben weg " sein dürfen, denn sonst könnte ja die gesamte Welt um sie herum im puren Chaos versinken.

Gestern erzählte mir meine bessere Hälfte auf dem Weg vom " Bahnhof " Dresden - Plauen zur " Netto " - Filiale an der Tharandter Straße, dass sich ihr inzwischen verrentete Kollege telefonisch bei ihr gemeldet hätte. Er berichtete ihr, dass er ab dem folgenden Monat einen neuen Job angenommen habe. Er würde sich als Berater in der Patentverwertung irgendeiner Firma versuchen wollen.
Hmmmmmmh, eigentlich ist er ja Rentner. Uneigentlich aber, ein typischer deutscher Oberspießer, der - obwohl finanziell längst abgesichert - meint, dass sein eigenes Selbstwertgefühl dadurch aufgebessert wird, wenn er bis zum letzten Atemzug arbeitet.

Mir fiel dazu die Frage ein, was den Unterschied zwischen einem Deutschen, einem Briten und einem Franzosen ausmacht?


Wie unterscheiden sich ein britischer, ein französischer und ein deutscher Rentner? Der Brite liest zum Frühstück seine Times, dann geht er in den Golfclub. Der Franzose trinkt zum Frühstück ein Glas Wein, dann geht er zum Tennis. Der Deutsche nimmt seine Herztropfen und geht zur Arbeit.

In diesem Zusammenhang erinnerte ich mich an das Verhalten der Katze. Sie sucht ihre Ruhe, wenn es ihr zu unruhig wird.

Katzen sind doch die besseren Lebenskünstler, denn sie können sich jederzeit verstecken, wenn´s hektisch wird.


" Ici Maintenants " - Beautiful Jam " -  " Space And Time " - 2001:











       

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