Ein eigenes Zimmer?



Heute Morgen las ich im aktuellen " SPIEGEL " ( Heft 22 / 2019, S. 59 ) eine Kolumne, die sich mit der oft vernachlässigten Frage beschäftigt, ob und in wieweit die heran wachsende Nachkommenschaft über einen eigenen Raum in der Wohnung oder im Haus verfügen sollte. Wenn die Wohnverhältnisse eng, häufig eher viel zu knapp sind, wird dieses Problem existenziell. Da muss dann improvisiert werden.

Der Autor jener " Homestory " ein Jens Radü, setzt sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander. Es seien sehr beengte Wohnverhältnisse gewesen, mit denen er und sein Bruder in den 1980er Jahren vorlieb nehmen mussten. Ein " Verschlag " im Keller sei es gewesen, der durch eine monströse Schrankwand abgeteilt worden war.

Immerhin ein eigener Raum, ein Stück Unabhängigkeit, ein Hauch von Individualität und eine Quäntchen Intimsphäre. Das war auch damals nicht unbedingt selbstverständlich. Hinzu kam der Luxus eines Computers ( von Nixdorf ), der allerdings dem Vater gehörte. Und hierauf spielten die beiden Jungs PC - Spiele.

Der Vater selbst hielt sich kaum in seinem Reich auf. Er soll diesen eher als Abstellraum, denn als Arbeitszimmer ausgestaltet haben.Immerhin gab es diesen Luxus dort bereits.

In anderen Wohnungen war es unmöglich, sich diesen erlauben zu können. Sie waren oft zu klein, zu beengt, um Platz für das Individuelle zu schaffen.

Auch in meiner Kindheit und Jugend war das nicht möglich. Meine Eltern hatten 1952 " neu " gebaut. Das Grundstück lag neben vielen Ackerflächen und war deshalb eher billig. Allerdings teuer genug, denn meine Eltern mussten einen Sparkassenkredit aufnehmen, um den Hausbau zu finanzieren. Zudem hatten meine Großeltern zu bürgen und als I - Tüpfelchen waren die Eltern verpflichtet, ein Ehepaar, das zudem " ausgebombt "  war, über viele Jahre aufzunehmen. So lebten 6 Erwachsene und 3 Kinder viele Jahre auf knapp 100 m² Wohnraum.

Ein eigens Zimmer bekam ich erst nach dem Tod meiner Großeltern, zu Beginn der 1970er Jahre. Da war ich bereits ein pubertierender Teenager und machte einer Lehre als Einzelhandelskaufmann in Bückeburg.

Danach bezog ich jeweils ein Studentenbude; zuletzt im Mensawohnheim der Universität Bremen an der Leobener Straße. Über 8 lange Jahre hockte und hauste ich auf 19, 4 m². Damals hat dieses mich nicht gestört. Heutzutage erinnere ich mit mit Grausen an jene Zeit, so ohne Geld und akzeptable  Behausung.

Die Jahre vergingen. Ich verbesserte meinen Wohnkomfort ein wenig. Als älterer Mann darf ich mich ab 2004 nicht mehr beklagen. Aktuell schon gar nicht.

Unserer Enkelkinder erhalten demnächst jeweils ein eigenes Zimmer. Satte 20 m² stehen dann dem Nachwuchs zur Verfügung. Alle drei Zimmer haben eine identische Größe, sind jedoch unterschiedlich gelegen.

Als wir kürzlich den Rohbau in Augenschein nehmen durften, erinnerte ich mich an mein erstes, eher kleines Zimmer, das " nur " 12 m² hatte. Doch die reichten mir einst vollkommen aus. Mit alten, von den Eltern ausrangierten Möbeln und einem Klappbett, konnte ich dort einige Jahre lang mich von dem Überwachungsstaat " Eltern " und ihren ständigen Forderungen zurück ziehen.

Irgendwie beneide ich unsere Enkel, die völlig anders aufwachsen. Die Eltern sind eher Partner, denn Befehlsgeber und Zuchtmeister. Okay, es gibt sicherlich auch Streitereien, Gebrülle und Gejammer, aber das dürfte dann doch eine vollkommen abweichende Qualität haben, als ich sie noch erleben musste.

Der " SPIEGEL " - Kolumnist Radü kommt als Quintessenz seiner Schreibkünste zu der Aussage, dass heutzutage, ein Jammern über beengte Wohnverhältnisse auf höchstem Niveau stattfindet, weil  jeder Deutsche im Durchschnitt auf 71 m² - Wohnraum zurückgreifen darf.

Okay, die Wohnverhältnisse haben sich erheblich verbessert. das gilt allerdings nicht für alle in Deutschland Lebenden.

Wohl aber für uns, die Kinder und vor allem die Enkelkinder. Ein Stück Freiheit, ein bisschen Luxus, so abseits des Alltagsgeschehens?
Nein, ich möchte heutzutage kein Schulkind sein. Nein, vor allem nicht in Bayern. Nein, ich möchte mit der Kindheit unserer Enkel nicht tauschen. Meine eigene war nie gut; ich werde sie auch nicht in Schweinchen rosa einfärben. Aber: Sie war dennoch so, dass ich mich gerne an viele Erlebnisse zurück erinnere. So, wie an jenem Tag, als wir die drei Kinderzimmer unserer drei Enkel inspizierten; sie für gut befanden und uns darüber sehr freuten.

Ja, wir haben andere Wohnverhältnisse kennengelernt.

Meine bessere Hälfte, noch schlimmere als ich. Und deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass jedes heranwachsende Kind möglichst bald ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt haben muss. Das Leben da draußen, in der Schule, dem späteren Ausbildungs - und Berufsalltag ist knüppelhart. Da ist es erforderlich, dass sich ein junger Mensch in seine eigenes Umfeld zurückziehen kann.

Ein Kind braucht ein eigenes Zimmer, um seine Persönlichkeit entwickeln zu können.



" Zakkarias " - " Let Us Change " -  1971:







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