Friseurtermin



Gestern war es also so weit. Die Frisöre durften ihre Geschäfte nach der Zwangsschließung wieder öffnen und ihrer Kunst des Menschenverunstaltens freien Lauf geben. Was da vorher nicht an Hiobsbotschaften durch die Medienmeute verbreitet wurde?  Es gäbe bis Mitte Juni bei vielen Fachgeschäften keine Termine mehr. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, denn es gibt unzählige Läden, die ihre Leistungen anbietet.

Als Ex - Dresdner hatte ich mir mal die Mühe gemacht und die Frisörläden bei meinen Rundgängen in den Stadtteilen Löbtau, Dölzschen und Naußlitz gezählt. Ich bin dort in einem Umkreis von 2 Kilometer auf gut ein Dutzend Geschäfte gekommen.Tendenz, bereits damals, stark steigend.

Auch im kleinen Eching gibt es 7 Friseurgeschäfte. Davon hat allerdings ab Montag nur ein Betrieb geöffnet.

Und, tatsächlich ab Montagmorgen gegen 9.00 Uhr standen dort ausschließlich Männer in einer Schlange, die bis zum Ende des nächsten Geschäfts ging. Aber, warum ausgerechnet nur Kerle am ersten Tag des Berufsausübungsverbots das Bedürfnis haben, sich die Schädel rasieren zu lassen, konnte ich mir beim Vorbeigehen nicht o richtig erklären.

Ein kurzer Blick beim Ausweichmanöver zeigte mir, dass einige der Wartenden doch keinen Wildwuchs erkennen ließen. Keine Kraut - und Rüben - Bärte oder kein Neandertaler - Haarschopf, der ellenlang vom Kopf abstand, war bei den Männern zu sehen. Warum also ein Friseurtermin?

Die Antwort auf meine noch nicht gelöste Frage bekam ich heute Morgen. Ein jünger Vertreter unseres starken Geschlechts erklärte dem MDR - Aktuelle - Reporter, warum er sich so sehr auf die Wiedereröffnung seines Friseurs freue, ja, diesen Termin gar herbei gesehnt habe. Als er noch vor einigen Tagen einen Blick in den Spiegel geworfen habe, empfand er sein Aussehen um den Kopf als schrecklich.

Nun, über Geschmack lässt sich bekanntermaßen immer trefflich streiten. Aber, wenn ich meine Imagepflege nur über den Schädel und die darauf - wenn überhaupt noch vorhanden - geformten Haare definiere, muss der eigene Geschmack bereits weit unten in den Keller gerauscht sein.

Tatsächlich besteht seit vielen Jahren der wahnhafte Drang vieler Wohlstandsbürger sich über das Äußere zu erklären. Dabei kommen wahre Verunstaltungsorgien zum Vorschein. Bei Frauen zählen aufgepimte Lippe, aufgepumpte Brüste und Grabschaufel artige Fingernägel zu den Auswüchsen dieses Schwachsinns. Bei Männern zählen blödsinnige Tattoos und die seltsamsten Frisuren zu den Abnormitäten. Anscheinend wird hier nach dem Grundsatz: Auffallen um jeden Preis gehandelt.

Da standen sie also, die Herren der Schöpfung und warteten - unter Nichtbeachtung des abgeforderten Sicherheitsabstandes von mindestens 1, 5 m - auf den Einlass in das bislang einzige, geöffnete Friseurgeschäft.

Beim Weitergehen erinnerte ich mich an meine eigenen Haarschnitte, die zunächst mit der gehassten " Pisspott - Frisur  ", der im Nazi - Regime üblichen rundum Kahlschur in einer Höhe von 5 cm über den Ohren, bei etwas längerem Haupthaar begannen, dann mit der " Mecki " - Frisur, einem raspelkurzen " Igelschnitt " ( wir nannten in Kubicki - Schrubb ) ihre Forstsetzung fanden, über den einst in den 1960ern beliebten " Facon " - Schnitt gingen, dann zusehends in Langhaar - Frisuren, wie der " Vokuhila " - Perversion und dem späteren Bundeswehr - Allzeck - Kurzhaarschnitt ihre Weiterentwicklung fanden.

Just in dieser Phase, so um die 20 Jahre alt, beschloss ich dann Jahre lange nicht mehr zum Friseur zu gehen. Ich wollte mir keine Haare mehr schneiden lassen. Die wuchsen dann im Laufe der Zeit bis über die Schultern. Nach dem Ende des Studiums ließ ich mir die Haare von einem türkisch - stämmigen Mandanten, der einen Meister in seinem Geburtsland erworben hatte, welche ihm jedoch nicht anerkannt werden sollte, weshalb ich mich für ihn ins Zeug legte, der Kopfform angepasst, professionell kürzen.

Seit mehr als 15 Jahren bearbeitet meine eisgrauen Haare, deren biologisch - bedingten Ausfall ich seit über einem halben Jahr mit einem Hyaloron haltigen Präparat erfolgreich bekämpfe, meine bessere Hälfte. Bei mir können Friseure seit dem keinen müden Eurocent mehr umsetzen.
Zudem verwende ich Aleppo - Seife beim Haare waschen. denn die erhält keine ätzenden Chemikalien.

Tja, da ich keinen Friseur brauche, lässt mich das ganze Geschisse um die Wiedereröffnung dieser Läden völlig kalt. Ob so viele Betriebe von der Möglichkeit, ihre Dienstleistungen wieder anbieten zu dürfen, tatsächlich Gebrauch machen, scheint denn eher fraglich zu sein. Die Auflagen sind umfassend, die Einhaltung dieser durch Kontrollen, dazu mit Sicherheit zu erwarten und die Kosten für den gesamten " Anti - Corona " - Zinnober dürften für viele Selbständige zu hoch sein.
Vor allem für jene kleinen Geschäfte, die bereits lange vor dem Seuchenausbruch am Existenzminimum herum krebsten. Da könnte die erhaltene Einmalzahlung von Papa Staat vielleicht dennoch ausreichen, um die kommenden Wochen noch auszuhalten.

Keine Friseurtermine ab dem 4. Mai 2020? Doch nur, weil nur ein Bruchteil der Geschäfte selbst wieder Öffnen möchte.



KING CRIMSON  -  Waiting Man  -  Beat  -  1982:





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

" Eine Seefahrt, die ist lustig. " - nur nicht in den 60er Jahren zum AOK - Erholungsheim auf Norderney.

" Oh Adele, oh Alele, ah teri tiki tomba, ah massa massa massa, oh balue balua balue. " und die Kotzfahrt nach Wangerooge.

Was ist eigentlich aus dem Gilb geworden?