Kuhglockengebimmel



Die Dritte Gewalt, die Mutter Justitia also, soll - allerdings nur sinnbildlich zutreffend - dank einer ihr angelegten Augenbinde - nicht sehen dürfen ( können ). Sie ist aber damit - wie im allgemeinsprachlichen Gebrauch - noch lange nicht blind. Und zudem, was ihr dann und wann - allerdings auf die jeweilig Sichtweise dr Betroffenen - unterstellt werden müsste: blöd!

Doch so mancher Fall, den die - stellvertretend für eben jene Dritte Gewalt im Staatsgebilde - von den  Bürgern angerufenen Gerichte zu verhandeln sowie - vielleicht - zu entscheiden haben, schrammt häufig haarscharf an den Tatbestand des " Querulantenwahns " vorbei.

Aus diesem Fundus unendlicher Absurditäten, stellen die so genannten Nachbarschaftsstreitigkeiten einen hohen Anteil dar. Mal geht es um lärmende Kinder, ein anderes Mal um bellende Hunde in den Abend - und Nachtzeiten. Dann wiederum um eine Außenbeleuchtung, die durch einen - allerdings funktionierenden Sensor - mit einem Bewegungsmelder gekoppelt, das grelle Licht in das Wohn - und Arbeitszimmer des in unmittelbarer Nähe liegenden Nachbarhauses scheinen lässt.
Dazu kommen allerlei Geruchsbelästigungen, Eigenarten oder Schrullen, die von Mitbewohnern auf den sich dadurch beeinträchtigt Fühlenden abgelassen werden.

Die Litanei der Streitob - und - subjekte ist ellenlang und keineswegs abschließend aufzählbar.

Gestern las meine bessere Hälfte mir einen Artikel aus der Frankfurter Rundschau ( FR ) vor, in dem es um ein Scharmützel zwischen Nachbarn wegen einer mutmaßlichen Geräuschbelästigung durch Kuhglocken auf einer Als - bzw Weidefläche geht.

Geklagt hat eine Ehepaar aus der Gemeinde Holzkirchen. Die Gemeinde liegt in Oberbayern und zählt zum Landkreis Miesbach ( https://de.wikipedia.org/wiki/Holzkirchen_(Oberbayern ).

Das streitende Ehepaar ist vor einiger Zeit dorthin zugezogen. Die Betonung liegt hier eindeutug auf " zugezogen ". Denn die psycho - soziale Komponente einer Vielzahl ländlicher Bereiche - allerdings dieses nicht nur in Bayern - besagt, dass nur Derjeunige als wertvolles Vollmitgleid der Dorfgemeinschaft zählen kann, der von Geburt an den Stallgeruch des Dorfes angenommen hat. Nun, gut, einem Landei, wie mich, stört dieses eher nicht. Schließlich macht die Provizialität im Denken der Rechtschaffenden nicht vor der eigenen Hautür halt, sondern bohrt sich immer noch tief in die Schädel der Daheimgebliebenen hinein.

Also: Das Ehepaar zog 2011 zu, weil es dort ein Haus erworben hat. Dagegen ist - angesichts der durch die Krake Landeshauptstadt München mit verursachten Wohnungsnot und dem damit eng verbundenen Horror - Mieten durch Spekulantentum sowie " Spezi (e) (l) " - Wirtschaft - generell nichts nachteiliges zu sagen. Nicht jeder Bürger kann verlangen und / oder erwarten, dass er in einer Großstadt leben darf. Und da der Freistaat nicht nur aus München, Nürnberg oder Regensburg besteht, liegt es auf der Hand, dass auch die ländlichen Regionen bewohnt sein müssen.

Das Ehepaar als Zugezogene wollte sich allerdings nicht mit den Gepflogenheiten des ländlichen Zusammenlebens ohne Wenn und Aber abfinden. Es störe sich seit längerer Zeit an dem ortsüblichen Gebimmel der Kuhglocken, die - traditionell - den Tieren um den Hals gelegt werden, damit sie - ohne großen Aufwand - jederzeit geortet werden können.
Diese Methode ist vielleicht nicht mehr zeitgemäß, denn es sind seit längerer Zeit bereits GPS - gesteuerte Ortungsverfahren möglich, doch sie hat estws folkloristisches, etwas was dem immer schneller werdenden Veränderungszwang entgegen tritt, an sich.

So ließ der Bauernhof in Holzkirchen auch weiterhin die Kuhglocken bimmeln. Was jedoch den Zugezogenen missfiel. Sie fühlten sich dadurch beeinträchtigt. In ihrem eigenen Lebensumfeld gestört. Die Zugezogenen wollten dieses Gebimmel nicht mehr hinnehmen, die mit der Tierhaltung verbundenen Gerüche ( gesunde Landluft ) oder auch die auftretenden Inselten ( Fliegen ) ebenso wenig und ließen über einen beauftragten Rechtsanwalt alsbald Klage einreichen.

Nun könnten derartige Dissonanzen im nachbarlichen Umfeld, im eigenen Dorf - Milieu, mittels eines klärenden Gesprächs eventuell geklärt werden. Es könnte auch ein so genannter Ombudsmann, ein Schiedsrichter aus dem Ort also, zu vermitteln helfen.

Doch die Ruhegestörten wollten davon nichts wissen. Sie ließen Klage über den bevollmächtigten Rechtsanwalt einreichen. Eine Unterlassungsklage, die möglicherweise den Antrag enthält, unter Androhung einer Geldstrafe oder ersatzweiser Ordnungshaft, das Kuhglockengebimmel künftig abzustellen. Diese quasi negatorische Unterlassungsklage zielt darauf ab, einen Beklagten zu zwingen, einen angeblich rechtswidrigen Zustand ab Rechtskraft einer beantragten gerichtlichen Entscheidung für immer abzustellen.

Das hört sich zunächst kompliziert an. Ist es aber ganz und gar nicht. Es wird ein " Rechtsbrecher " durch ein Urteil eines Zivilgerichts dazu verpflichtet, das Recht des anderen nicht mehr zu verletzten. Dieses Gericht sollte das Landgericht München II sein. Damit war klar, dass der Herr Rechtsvertreter den Streitwert über 5.000 Euro bemessen hat. Das kann er, weil er ja auch Gebühren / Geld verdienen muss.

Dann allerdings wird es ein wenig kurios. Er reichte zwei Klagen ein. Eine für die Ehefrau; eine weitere für deren Mann. Weil aber beide von der angegebenen Geräuschbeeinträchtigung betroffen sein sollen, wäre es durchaus sinnvoll gewesen, der Herr Rechtsanwalt führt einen Prozess für beide Mandanten, weil sie ja Eheleute sind - somit als Klägermehrheit auftreten könnten. Doch der Volljurist klagt separat. Das hat den einzigen Vorteil, dass er zwei Mal seine Gebühren kassieren darf. Wohl von einer bestehenden Rechtsschutzversicherung?

Wie dem auch sei, das Landgericht München II verhandelte und wies zunächst die Klagen ab. 

Die beiden Zugezogenen wollten das jedoch nicht hinnehmen und ließen über den Herrn Rechtsvertreter für den Ehemann  Berufung einlegen. Jetzt - also nach sehr langer Zeit - vermandelte das Oberlandesgericht München hierüber.
Danach wies der Zivilsenat des Oberlandesgerichts München die Berufung des Mannes als unbegründet zurück.


 https://www.merkur.de/bayern/holzkirchen-bayern-kuhglocken-streit-gericht-faellt-urteil-aigner-weist-neubuerger-zurecht-zr-12178663.html

Es wird gemunkelt, dass dieser Revison beim Bundesgerichtshof einlegen möchte. Das ist nur möglich, wenn der Streitwert entsprechend hoch ist. Sollte das Oberlandesgericht entschieden haben, dass die Revision nicht zugelassen wird, kann der Rechtsanwalt dagegen nur noch Beschwerde einreichen ( Nichtzulassungsbeschwerde ).

Kurz nach dem Urteil des Oberlandesgerichts kommentierte die CSU - Landtagsabgeordnete Ilse Aigner die Entscheidung. Ganz im Sinne ihrer - durch Tradition - geprägten Grundeinstellung plusterte sich die einstige Bundesministerin für Agrar, Umwelt - und Verbraucherschutz richtig groß auf. Die jetzige Landtagspräsidentin versuchte die in ihrem Landkreis, dem südlichen Oberbayern, Zugezogene auf die dortigen - ländlichen Wohnbedingungen - und herrschenden Gepflogenheiten ebenfalls hinzuweisen. Den terminus technicus nennt der Rechtskundige " Ortsüblichkeit ". Um dieses festzustellen, begaben sich die Richter des Zivilsenats am gestrigen Dienstag, den 26. Mai 2020 direkt vor Ort.

Der Senat wollte es ganz genau machen und beraumte einen Ortstermin an. Die gesamte Streit - Kohorte musste sich in dem Ort am besagten Bauernhof einfinden, um den dortigen Zustand in Augenschein zu nehmen. Es kam, wie es in diesen Fällen oft kommen muss: Die Kühe bewegten sich nur wenig. Das Gebimmel war deshalb nicht unmittelbat zu hören oder nur sehr leise vernehmbar. Von ruhestörendem Lärm konnte wohl kaum die Rede sein.

" Wie Sie hören, Hören Sie nichts! " - beschrieb die Frankfurter Rundschau in einer Meldung das Ergebnis der Ortsbegehung.

Dem Senat indes reichte deshalb dieses seit 5 Jahren andauernde Verfahren. Er schlug einen Vergleich vor, dem die Parteien sodann zustimmten.

 https://www.suedkurier.de/ueberregional/panorama/jahrelanger-kuhglocken-streit-findet-endlich-ein-ende-auf-was-sich-die-baeuerin-regina-killer-und-das-ehepaar-geeinigt-haben;art409965,10524633


Wer vom Fach ist, weiß, dass dieses der elegantere und Arbeit sparende Weg für das Gericht ist. Auch der für die Zugezogenen streitende Rechtsanwalt darf sich die Patschepfoten reiben. Er hat in den zwei Instanzen nicht nur die doppelten Gebühren kassiert, sondern kann zudem noch eine Vergleichsgebühr mit einem überschießenden Vergleichsbetrag, der sich aus dem mit einbezogenen Rechtsstreit des Ehemannes ergibt, einstreichen.

Da lacht doch das darbende Anwaltskonto.

Was aber unsere voreilige Ilse, die Aigner, angeht, sei nur gesagt: Nicht jeder Zugezogene ist ein Quertreiber. Nicht jeder Eiingebayerte, ein Norddeutscher und nicht jeder Dörfler ein Unmensch.



TEN YEARS AFTER  -  Hear Me Calling -  Stonedhenge  -  1969:






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